Ukrainisch-russische Friedensgespräche sind ein Ding der Unmöglichkeit
«Verhandeln, verhandeln, verhandeln – aber worüber denn?»

Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland sind immer wieder Thema. Seit gut einem halben Jahr hat es allerdings keine mehr gegeben – könnte sich das nun ändern?
Publiziert: 25.11.2022 um 01:23 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2022 um 14:16 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Am 28. Februar, nur vier Tage nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine, entsandte die Regierung von Wolodimir Selenski (44) eine Delegation in das belarussische Gomel, um dort mit Russland zu verhandeln. Im März fanden immer wieder Treffen statt, auch im April gingen die Verhandlungen weiter. Dann wurden die russischen Gräueltaten in Butscha und Irpin publik – und die Verhandlungen waren vom Tisch.

Zu einem Ding der Unmöglichkeit wurden sie spätestens dann, als Kremlchef Wladimir Putin (70) die ukrainischen Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Charkiw am 30. September annektierte. Politik- und Osteuropa-Experte Andreas Umland (55) ist der Meinung, dass dies vorerst auch so bleiben wird, wie er gegenüber Blick erklärt. «Forderungen nach Verhandlungen sind naiv.» Die beiden Kriegsparteien werden zum aktuellen Zeitpunkt nicht auf einen grünen Zweig kommen.

«Es geht nicht um ernst zu nehmende Verhandlungen»

Osteuropa-Experte Alexander Dubowy (39) betont im Gespräch mit Blick, dass sich Russland immer wieder zu Gesprächen bereit gezeigt hat. «Verhandeln, verhandeln, verhandeln – aber worüber denn?», fragt er sich. Hinter den russischen Angeboten stehe vor allem eine Absicht: «Es geht nicht um ernst zu nehmende Verhandlungen, sondern darum, sich eine militärische Verschnaufpause zu verschaffen.»

Der Winter naht – und somit vielleicht auch Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Ukraine-Präsident Selenski hat bereits Anfang November die internationale Gemeinschaft dazu aufgefordert, Russland zu echten Friedensgesprächen zu zwingen. Vorbedingung sei, dass Russland sich aus den besetzten ukrainischen Gebieten zurückziehe, für Kriegsschäden aufkomme und dass Kriegsverbrechen verfolgt werden.

Jetzt, wo der Winter naht, die russische Armee stark dezimiert ist und man mit einer Art «Winterpause» rechnet, sprechen tatsächlich immer mehr westliche Experten von einem Zeitfenster für Friedensverhandlungen. Diese Argumentation findet Dubowy allen Vorzeichen zum Trotz nicht ganz abwegig. «Wir bewegen uns langsam auf eine Pattsituation zu, und somit öffnet sich ein Verhandlungsfenster. Wir sollten nicht überrascht sein, wenn es in den nächsten Wochen wieder Gespräche gibt.»

Worüber verhandeln die Kriegsparteien?

Worüber die beiden Kriegsparteien sprechen würden, könne man schwer sagen. Die Forderungen der Ukraine und diejenigen Russlands stehen in starkem Kontrast zueinander. «Möglich wären zunächst Verhandlungen über einen teilweisen Rückzug Russlands aus der Ukraine; so beispielsweise auf den faktischen Grenzverlauf vor dem Kriegsausbruch», so Dubowy. Ein unmittelbarer Ausweg sei trotzdem unwahrscheinlich. «Der Frieden liegt immer noch in weiter Ferne. Aus diesem Grund bleibt die Unterstützung der Ukraine zentral.»

Politik- und Osteuropa-Experte Umland sagt zudem, Verhandlungen würden lediglich Russland begünstigen. «Die russische Führung unternimmt Aggressionen, weil sie zu Siegen führen, die bei vielen Russen beliebt sind. Die Siege in Moldawien, Tschetschenien, Georgien, auf der Krim, in Syrien und im Donbass haben Russland nicht zufriedengestellt. Sie haben den Appetit auf weitere Siege geweckt. Wenn Russland einen weiteren Sieg erringt, wird dies keinen Frieden bringen, sondern lediglich Zeit verschaffen, um sich auf weitere Siege vorzubereiten.»

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