Ukrainer fügen Russen massiven Materialverlust zu
Das bedeutet die Rückeroberung der Schlangeninsel

Die Ukrainer haben durch massives Bombardement die Schlangeninsel zurückerobert. ETH-Sicherheitsexperte Benno Zogg sagt, wie sich dieser Erfolg auf den weiteres Kriegsverlauf auswirkt.
Publiziert: 01.07.2022 um 14:46 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2022 um 15:04 Uhr

Ein Satz machte die kleine Schlangeninsel vor der ukrainischen Küste weltberühmt: «Russisches Kriegsschiff, fuck you!» Diese Antwort setzten ukrainische Soldaten am ersten Tag der Invasion per Funk ab, als russische Angreifer auf der Moskwa drohend fragten: «Werden Sie kooperieren?»

Ukrainer greifen Russen auf Schlangeninsel an
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Neues Video aufgetaucht:Ukrainer greifen Russen auf Schlangeninsel an

Nun ist die im Durchmesser 600 Meter grosse, 35 Kilometer von der ukrainischen Küste entfernte Insel wieder in den Fokus des Krieges in der Ukraine gerückt. In den vergangenen Tagen sind die Russen nach vier Monate langer Besetzung abgezogen. Es sei eine «Geste des guten Willens», um der Welt zu zeigen, dass Moskau den Export von Landwirtschaftsprodukten nicht behindere, hiess es vom Kreml.

Die Stellungnahme von Moskau dürfte aber ein Schönreden der empfindlichen Niederlage sein, welche die Russen mit der Insel erlitten haben. Die russischen Soldaten hätten die Schlangeninsel verlassen, «da sie dem Feuer unserer Artillerie, Raketen und Luftangriffe nicht standhalten konnten», triumphierte der ukrainische Armeechef Walerij Saluschny (48) bei Telegram.

Die ukrainische Luftwaffe hat in den vergangenen Monaten die Schlangeninsel unter Dauerbeschuss genommen.
Foto: Twitter
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Dauerfeuer auf die Insel

Die Insel gilt als wichtiger strategischer Posten zur Überwachung der Seewege im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres. Nachdem die Ukrainer das russische Flaggschiff «Moskwa» versenkt hatten, installierten die russischen Truppen auf der Insel Flugabwehrsysteme. Die übernahmen von der Moskwa den Schutz der Flotte, welche die ukrainische Küste blockierte.

Die Ukrainer nahmen die Insel seither laufend unter Beschuss. Bis zum Eintreffen westlicher Waffen haben sie wohl zuerst ihre alten Bestände an ungenauen Tochka-U-Marschflugkörpern aus Sowjetzeiten geleert. Vergangene Woche trafen die amerikanischen Himars-Mehrfachraketenwerfer ein. Diese Geräte sind viel genauer, die Geschoss sind schwierig abzufangen.

Grosser Schaden für Russland

«Beim Kampf um die Insel ist wohl viel russisches Material verloren gegangen», sagt ETH-Sicherheitsexperte Benno Zogg (32) zu Blick. Der Beschuss vom Festland und die schwierige Versorgung der Insel hätten zum Kalkül geführt, die Insel aufzugeben und damit den ukrainischen Kräften keine Zielscheibe mehr zu bieten.

Für Russland hätte eine Basis auf der Schlangeninsel eine Machtprojektion am westlichen Ende der ukrainischen Küste vereinfacht, beispielsweise als Logistikbasis oder durch dort stationierte Luftabwehrkräfte. Zogg: «Aber die gesamte ukrainische Küste bleibt für russische Raketen, Schiffe und Luftwaffe aus der Krim erreichbar.»

Auch Odessa bleibe ein blockierter Hafen, wenngleich mit dem Rückzug von der Schlangeninsel immerhin noch klarer werde, dass ein amphibischer russischer Angriff auf die Stadt oder ihr Umland derzeit sehr unwahrscheinlich sei.

Für den weiteren Kriegsverlauf und auch für die Problematik mit den ukrainischen Getreideexporten habe der Rückzug der Russen wenig Auswirkungen. Dennoch sei er ein wichtiger Motivationsfaktor. Zogg: «Der Rückzug ist von symbolischem Wert, was die ukrainische Moral kurzfristig stärken kann – sie ist im allgemeinen Kriegsverlauf derzeit in der Defensive.»

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