Das ist der Ursprung des Konflikts in der Ukraine
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Geschichte einer Krise:Das ist der Ursprung des Konflikts in der Ukraine

Ukraine bereitet sich auf russische Invasion vor
Jetzt greifen auch Rentnerinnen zu den Waffen

Noch immer stehen über russische 100'000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Die Angst vor einer Invasion wächst. Und so bereitet sich die Bevölkerung darauf vor zu kämpfen – sogar Rentnerinnen greifen nun zu den Waffen.
Publiziert: 14.02.2022 um 16:50 Uhr
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Aktualisiert: 19.02.2022 um 18:21 Uhr

Sie bereiten sich darauf vor zu kämpfen, ihr Land gegen die Russen zu verteidigen. Seit Wochen lässt Präsident Putin Soldaten und schwere Geschütze an die Grenze zur Ukraine bringen. Inzwischen sind über 100'000 Soldaten vor Ort. Und die Angst vor einer Invasion wächst Tag für Tag.

Deswegen wird die Bevölkerung in der Ukraine militärisch geschult. Mitglieder des Nationalgarderegiments Asow haben einige Bewohner ein Grundlagentraining gegeben.

Darunter auch Valentina Konstantinovska (79). Sie will wissen, was im Ernstfall zu tun ist. Das beweist ein Bild von ihr. Es zeigt, wie sie auf dem Boden liegt und ein Maschinengewehr im Anschlag hat. Offenbar wird ihr gerade gezeigt, wie man richtig zielt und schiesst.

Wenn die Russen kommen, will Valentina Konstantinovska (79) gewappnet sein.
Foto: keystone-sda.ch
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Kein Aufruf zur Ausreise

Ob Putin tatsächlich einen Angriff auf die Ukraine plant, ist unklar. Der Westen stellt sich zumindest verstärkt auf einen Einmarsch Russlands in die Ukraine ein.

Die Schweiz organisiert die Ausreise von weiteren Angehörigen von Mitarbeitenden der Schweizer Botschaft in Kiew aus der Ukraine. Der Schritt betrifft die noch im Land verbliebenen Personen mit Kindern, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Montag mitteilte. Ein grosser Teil der Begleitpersonen von Mitarbeitenden der Botschaft befinde sich bereits ausserhalb der Ukraine, hiess es im Communiqué.

Weiterhin verzichtet die offizielle Schweiz darauf, ihre Bürgerinnen und Bürger zur Ausreise aus der Ukraine aufzurufen, wie dies am Wochenende unter anderem Deutschland, Spanien, Italien und die Niederlande getan hatten. Schon zuvor hatten Grossbritannien, Australien und die USA mitgeteilt, ihre Bürgerinnen und Bürger sollten das Land verlassen.

Schweizer Botschaft bleibt offen


Das EDA schrieb in diesem Zusammenhang von einem individuellen Entscheid der Schweizer Staatsangehörigen. Derzeit leben gemäss den Angaben 257 Schweizerinnen und Schweizer in der Ukraine. Schon seit Samstag rät das Aussendepartement allerdings von touristischen und anderen nicht dringenden Reisen in die Ukraine ab. Neu weist es auch auf mögliche Probleme beim Verlassen der Ukraine hin, sollten Fluggesellschaften ihre Flüge reduzieren oder einstellen.

Die Schweizer Botschaft bleibt offen. In angespannten Zeiten sei es besonders wichtig, das sich Schweizer Staatsangehörige an die Botschaft wenden könnten, schrieb das EDA dazu.

«Hysterie hat ihren Höhepunkt erreicht»

Bundskanzler Olaf Scholz reist am Montag nach Kiew und am Dienstag nach Moskau. Es gehe darum, «auszuloten, wie wir den Frieden in Europa sichern können», sagte er.

US-Präsident Joe Biden warnte Kreml-Chef Putin in einem Telefonat am Samstag vor raschen und schwerwiegenden Folgen für Russland im Falle einer Invasion, wie das Weisse Haus mitteilte. Aus US-Regierungskreisen hiess es, das Telefonat habe keine «grundlegende Veränderung» gebracht.

«Die Hysterie hat ihren Höhepunkt erreicht», sagte Putins aussenpolitischer Berater Juri Uschakow nach dem Telefonat vor Journalisten. Er betonte zugleich, dass «die Präsidenten übereingekommen sind, die Kontakte auf allen Ebenen fortzusetzen».

Die US-Regierung hatte in den vergangenen Tagen wiederholt vor einer «jederzeit» möglichen Invasion gewarnt. In US-Medien war von einem möglichen Grossangriff kurz nach Scholz' Besuch in Moskau die Rede. Die US-Streitkräfte entsandten 3000 zusätzliche Soldaten nach Polen, verlegten Kampfjets von Deutschland nach Rumänien und zogen fast alle verbliebenen US-Soldaten aus der Ukraine ab.

Angriff gegen Ukraine ergibt keinen Sinn

Der Schweizer Spitzendiplomat Thomas Greminger glaubt nicht an eine Invasion, wie er in einem Interview mit der «NZZ» erklärte. Die Kosten wären derart hoch, dass selbst ein geringfügiger Angriff gegen die Ukraine keinen Sinn ergebe. Er halte jedenfalls den russischen Präsidenten für einen rational denkenden und handelnden Staatspräsidenten.

Das grösste Risiko sei eine Provokation etwa mit einer verdeckten Operation (False Flag) an der Kontaktlinie zum Donbass. Hier müsse die Welt am genauesten hinschauen, sagte Greminger.

Würden Russlands Forderungen nicht erfüllt, berge dies die Gefahr eines Gesichtsverlustes vor dem Heimpublikum. Wenn Putin aber geschickt vermarkte, was in den letzten Wochen alles auf seinen Verhandlungstisch gekommen sei, könne er dies als Erfolg feiern.

Debatte seit Jahren erfolglos

Plötzlich werde wieder über Rüstungskontrolle, Prävention von Zwischenfällen oder mehr Transparenz bei Grossmanövern gesprochen. Über Jahre sei erfolglos versucht worden, darüber im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu debattieren. Jetzt sei es auf dem Tisch.

Der 60-jährige Diplomat Thomas Greminger hat verschiedene leitende Funktionen im EDA bekleidet. Er war ab 2010 Schweizer Botschafter bei der OSZE, die er in der Ukraine-Krise nach der Annexion der Krim während des Schweizer Vorsitzes als Vermittlerin positionierte. Seit Mai 2021 ist Greminger Direktor des Geneva Centre for Security. (jmh/SDA/AFP)


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