Erdogans Partei erleidet Wahlschlappe in Ankara
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Kommunalwahlen in der Türkei:Erdogans Partei erleidet Wahlschlappe in Ankara

Türkei-Expertin analysiert Wahlschlappe in der Türkei
Wie lange kann sich Erdogan noch halten?

Der grösste Herausforderer von Erdogan ist im Gefängnis, die Opposition geschwächt. Trotzdem fuhr der türkische Staatspräsident am Wochenende eine Niederlage ein. Türkei-Expertin Bilgin Ayata erklärt, warum Erdogan das nicht aufhält.
Publiziert: 03.04.2019 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.04.2019 um 08:19 Uhr
Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Kommunalwahl vorab zur «Überlebensfrage» erklärt.
Foto: Keystone
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Die Türken haben Recep Erdogan (65) in den Grossstädten abgestraft. Bei den Kommunalwahlen am Sonntag verlor seine AKP in der Hauptstadt Ankara genauso wie in der Touristen-Hochburg Antalya. Besonders in Istanbul, wo Erdogan 1994 seine politische Karriere startete, gab sich der türkische Staatspräsident nur ungern geschlagen. Erst am Montag räumte er die Niederlage ein.

Frau Ayata, Erdogan selbst hat die Wahl vorab zur «Überlebensfrage» erklärt. Wie lang kann er sich noch halten?
Die «Überlebensfrage» war vor allem ein Mittel, um Wähler zu mobilisieren. Erdogan will mindestens bis 2023 Staatspräsident sein. Dann wird die Republik 100 Jahre alt – das hat Symbolkraft, weil er sich als Kopf der «neuen» Türkei sieht.

Mässigt sich Erdogan nach der Wahlschlappe?
Das muss er ja gar nicht. Das ist für ihn der Vorteil des Präsidialsystems: Die Macht ist auf den Präsidenten gebündelt. In den kurdischen Städten hatte er zuvor die wichtigsten Bürgermeister abgesetzt und Verwalter eingesetzt.

Bilgin Ayata

Bilgin Ayata ist Assistenzprofessorin für politische Soziologie an der Universität Basel und forscht zum Nahen Osten und Europa, besonders zur Türkei. Wie an Universitäten in den USA bereits üblich gibt die deutsche Wissenschaftlerin nie ihr Alter an.

Bilgin Ayata ist Assistenzprofessorin für politische Soziologie an der Universität Basel und forscht zum Nahen Osten und Europa, besonders zur Türkei. Wie an Universitäten in den USA bereits üblich gibt die deutsche Wissenschaftlerin nie ihr Alter an.

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Dann ändert sich erst mal nichts – obwohl Erdogans AKP in allen Grossstädten eine Wahlschlappe einfuhr?
Das Ergebnis ist mit Vorsicht zu geniessen: Wenn Erdogan Wahlergebnisse nicht passen, hat er Manöver parat. Das haben wir bei den Nationalwahlen 2015 gesehen: Im Juni büsste er Macht ein, im November gab es eine neue Wahl, aus der die AKP gestärkt hervorging.

EU macht nichts, solange Erdogan die Flüchtlinge fern hält

Aber das Ergebnis zeigt wenigstens einen Wandel.
Ein Wandel ist in Demokratien möglich durch Wahlen. Von einem demokratischen System ist die Türkei aber seit dem Übergang ins präsidiale System sehr weit weg.

Warum macht die EU nichts?
Für Europa steht nicht die Frage der Demokratie, sondern die Migrationskontrolle im Vordergrund. Solange Erdogan die syrischen Flüchtlinge in der Türkei hält, kann er gegen Oppositionelle wüten und walten, wie er will.

Nach sieben Wahlen in fünf Jahren muss sich Erdogan erst 2023 wieder einer Abstimmung stellen. Wie könnten die nächsten Wahlen ausfallen?
Vier Jahre sind eine sehr lange Zeit. Die Türkei ist wirtschaftlich in einer kritischen Lage und vielen geopolitischen Herausforderungen ausgesetzt. Dass die Wirtschaft leidet, spüren auch die AKP-Wähler, die häufig aus der Unterschicht stammen. Wenn die AKP dort diesen Kurs nicht drehen kann, spielt das eine wichtige Rolle bei den nächsten Wahlen. Wichtig sind ausserdem die Lage an der Grenze zu Syrien und der Kurden-Konflikt. Dazu kommt eine geschwächte Zivilgesellschaft – wichtige Akteure, Vereine und Stiftungen werden verfolgt und geschlossen. Die prokurdische Partei HDP wurde quasi ausgelöscht. Ihr Hoffnungsträger Selahattin Demirtas wird seit zweieinhalb Jahren im Gefängnis gehalten.

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Ist die AKP deswegen landesweit nach wie vor die stärkste Kraft?
In der AKP-Wählerschaft gibt es zusätzlich eine grosse Angst vor einem Regimewechsel. Nach Jahren der Unterdrückung der Erdogan-Gegner hat nicht nur die Elite Angst vor Machtverlust: Erdogans Anhänger in der Bevölkerung haben Angst vor einem Stimmungswechsel und Rache gegen die Unterstützerschaft – ähnlich wie zum Beispiel in Ägypten.

Die Akteure im Syrien-Krieg

Syrische Regierung: Assads Anhänger beherrschen fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Assad stützt sich auch auf örtliche Milizen sowie vom Iran unterstützte ausländische Schiitenmilizen wie die Hisbollah aus dem Libanon. Die russischen Streitkräfte unterstützen Assad mit Luftangriffen.

Rebellen: Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte.

Türkei: Gemeinsam mit sunnitischen syrischen Rebellen beherrschen türkische Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden weiter östlich in Nordsyrien.

Kurden: Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes. Mit Blick auf einen möglichen Angriff der Türken überliessen sie jetzt die Stadt Manbidsch den Regierungstruppen.

USA: Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Die US-Truppen sollen in den kommenden Monaten aus Syrien abgezogen werden, was die Kurdenmilizen für einen türkischen Angriff verwundbar machen würde. Im Westirak, also in Grenznähe zu Syrien, will das US-Militär zwei Basen aufbauen, um notfalls von dort in Kämpfe gegen den IS einzugreifen.

IS-Terrormiliz: Der so genannte Islamische Staat (IS) aus sunnitischen Terrorbanden hat sein früheres Herrschaftsgebiet fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert er noch ein kleines Gebiet im Tal des Euphrat-Flusses. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben. Zudem sitzen mehrere Tausend IS-Kämpfer in kurdischen Gefängnissen. (SDA)

Syrische Regierung: Assads Anhänger beherrschen fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Assad stützt sich auch auf örtliche Milizen sowie vom Iran unterstützte ausländische Schiitenmilizen wie die Hisbollah aus dem Libanon. Die russischen Streitkräfte unterstützen Assad mit Luftangriffen.

Rebellen: Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte.

Türkei: Gemeinsam mit sunnitischen syrischen Rebellen beherrschen türkische Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden weiter östlich in Nordsyrien.

Kurden: Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes. Mit Blick auf einen möglichen Angriff der Türken überliessen sie jetzt die Stadt Manbidsch den Regierungstruppen.

USA: Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Die US-Truppen sollen in den kommenden Monaten aus Syrien abgezogen werden, was die Kurdenmilizen für einen türkischen Angriff verwundbar machen würde. Im Westirak, also in Grenznähe zu Syrien, will das US-Militär zwei Basen aufbauen, um notfalls von dort in Kämpfe gegen den IS einzugreifen.

IS-Terrormiliz: Der so genannte Islamische Staat (IS) aus sunnitischen Terrorbanden hat sein früheres Herrschaftsgebiet fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert er noch ein kleines Gebiet im Tal des Euphrat-Flusses. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben. Zudem sitzen mehrere Tausend IS-Kämpfer in kurdischen Gefängnissen. (SDA)

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