Tödliches Drama bei Wildschwein-Treibjagd in Frankreich
17-jährige Jägerin erschiesst aus Versehen 25-jährige Wanderin

In Frankreich wird ein Jagdunfall zum Politikum. Eine junge Jägerin erschoss am Wochenende eine Einheimische, die im Gebiet wanderte. Der fatale Fehlschuss ist kein Einzelfall. Jedes Jahr sterben in Frankreich über ein Dutzend Menschen bei Jagdunfällen.
Publiziert: 21.02.2022 um 07:54 Uhr
|
Aktualisiert: 21.02.2022 um 11:32 Uhr

Jagddrama im Cantal, einem hügeligen Gebiet im französischen Zentralmassiv. Eine 17-Jährige aus Aveyron nahm am Samstag gegen 15 Uhr mit Jagdschein und Schiesslizenz an einer Treibjagd auf Wildschweine teil. Die Wildschweine gelten als Plage im Cantal.

Eine Kugel «verirrte» sich, wie die Gendarmerie und Staatsanwaltschaft später einen Bericht der regionalen Zeitung «La Montagne» bestätigten. Das Geschoss traf eine 25-jährige Einheimische. Diese war mit ihrem Freund auf einem ausgeschilderten Wanderweg spazieren. Plötzlich brach sie zusammen, von der Kugel in der linken Seite getroffen. Die junge Frau erlag noch am Unfallort ihren Verletzungen. Jede ärztliche Hilfe kam zu spät.

Der tödliche Schuss stammte aus dem Karabiner der 17-jährigen Jägerin aus der Gemeinde Cassaniouze. Die Teenagerin wurde am Sonntagmorgen unter dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung in Polizeigewahrsam genommen. Sie wird offenbar auch psychologisch betreut und musste in ein Krankenhaus gebracht werden.

Drama bei einer Wildschwein-Treibjagd im französischen Cantal.
Foto: Keystone
1/5

Jagdschein schon mit 16

Die 17-Jährige steht unter schwerem Schock und war vorerst nicht vernehmungsfähig, wie «Le Monde» berichtet. Laut einem Test stand sie nicht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Jetzt fordern Politiker und Umweltschützer in Frankreich ein Verbot der Jagden an Wochenenden und in den Schulferien.

Politische und Umweltschützerkreise melden sich auf sozialen Medien zu dem Vorfall. Bérangère Abba (45), Staatssekretärin für Biodiversität, sprach auf Twitter von einem «unerträglichen und inakzeptablen Drama». Sie fügte hinzu: «Ermittlungen laufen, Entscheidungen werden folgen, damit so etwas nie wieder passiert.»

Die junge Jägerin habe ihren Jagdschein schon mit 16 Jahren erworben, betonte Abba. Womöglich sei es das Unglück eine «Frage der Erfahrung». Die Staatssekretärin bringt auch den Gebrauch von Apps ins Gespräch, die «anzeigen, wo in der Umgebung Treibjagden stattfinden».

Der fatale Fehlschuss im Cantal wurde am Wochenende zum Politikum in Frankreich. Dabei ist das tödliche Unglück kein Einzelfall. Jedes Jahr sterben Dutzende bei Jagdunfällen.
Foto: GoogleMaps

Tausende Jagdunfälle seit 2000

«Wie viele Menschen sterben noch, bevor wir uns dazu entschliessen, die Jagd zu regulieren, eine gefährliche und unmenschliche Praxis?», fragte der Grünen-Politiker David Belliard (43). «Zumindest sollten wir die Jagd an Wochenenden und in den Schulferien verbieten, jetzt!»

Anderer Ansicht ist Marine Le Pen (53), konservative Präsidentschaftskandidatin der Front National. «Ich bin der Ansicht, dass die Jagd eine althergebrachte Tradition ist und beibehalten werden muss», so Le Pen.

Frankreich ist das Land in Europa mit den meisten Jägern. Rund vier Millionen besitzen einen Jagdschein. Frankreich ist auch das einzige europäische Land, in dem die Jagd jeden Tag während der Saison ausgeübt werden darf. In anderen Ländern gelten jeweils ein oder mehrere jagdfreie Tage. Seit 2000 gab es in Frankreich 3325 Jagdunfälle, bei denen 421 Menschen ums Leben kamen. (kes)

Fehler gefunden? Jetzt melden