Tauender Permafrost
Risiko von Giftmüll-Freisetzung in der Arktis wird grösser

Durch das Tauen von Permafrostböden unter Industrieanlagen in der Arktis steigt Fachleuten zufolge das Risiko grossflächiger Umweltschäden erheblich.
Publiziert: 04.04.2023 um 15:23 Uhr
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Aktualisiert: 05.04.2023 um 11:21 Uhr

In den arktischen Regionen seien über Jahrzehnte hinweg giftige Abfälle vor Ort in Kleindeponien im oder auf dem bislang dauerhaft gefrorenen Erdreich abgelagert worden, erklärte das Alfred-Wegener-Institut (AWI) am Dienstag in Bremerhaven unter Verweis auf eine eigene Untersuchung. Durch das Auftauen des Permafrosts im Zuge des Klimawandels verschwinde die «Barrierewirkung».

Verzicht auf Entsorgung

Die Bandbreite der Substanzen reiche dabei von Dieselkraftstoff über hochgefährliche Schwermetalle bis hin zu radioaktiven Abfällen. In der Arktis gebe es insgesamt eine grosse Zahl stillgelegter und aktiver Anlagen zur Öl- und Gasförderung sowie Bergwerke und militärische Installationen.

Zu diesen gehören nach Angaben der AWI-Experten lokale Deponien mit giftigen Schlämmen, Seen voller aufgestauter Industrieabwässer oder Schutthalden aus dem Minenbetrieb. Auf eine aufwändige Entsorgung sei oftmals in dem Glauben verzichtet worden, der gefrorene Boden schliesse die Abfälle dauerhaft ein.

«Die über Jahrzehnte in der Arktis angereicherten Schadstoffe können in Bewegung geraten und sich über grössere Regionen verteilen», warnte das Institut.
Foto: NATALIA KOLESNIKOVA

Experten fordern langfristige Strategien

Laut einer jetzt in der Fachzeitschrift «Nature Communications» erschienenen Untersuchung von AWI-Experten existieren in der Arktis im Umkreis von etwa 4500 Industrieansiedlungen mindestens 13'000 bis 20'000 belastete Flächen, von denen in der Zukunft durch das Tauen des Permafrostbodens ein höheres Risiko ausgehen könnte. Etwa 3500 bis 5200 davon lägen sogar in Regionen, in denen der Schmelzprozess vor Ende des laufenden Jahrhunderts beginnen werde.

Dabei handelt es sich nach Angaben der Wissenschaftler indessen nur um eine grobe Orientierung, da mangels umfassender Daten ein genauerer Überblick fehlt. «Das tatsächliche Problem könnte sogar noch grösser sein», erklärte AWI-Experte Moritz Langer. Die Forschenden fordern langfristige Strategien.

Fehlende Informationen zu kontaminierten Flächen

Unklar ist der auf Hochrechnungen in Computermodelle gestützten Untersuchung zufolge insbesondere die Situation in Sibirien, weil in Russland anders als etwa in Kanada und im US-amerikanischen Bundesstaat Alaska keine Datenbanken zu kontaminierten Flächen existieren. Aus Russland gebe es «eher spärliche Informationen» etwa aus Presseberichten.

Verschärft wird die Lage laut AWI künftig durch zunehmende wirtschaftliche Aktivitäten in der sich erwärmenden Arktis. Die Folge davon seien immer mehr Industrieanlagen, aus denen giftige Substanzen austreten könnten, erklärte das Institut. Nicht nur von Deponien gehe dabei eine Gefahr. Wegsackender tauender Permafrostboden destabilisiere etwa auch Pipelines und Lagertanks.

(AFP)

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