Switzerland last?
Was Präsident Trump 2.0 für uns bedeuten würde

Der Ex-Präsident liegt im Schnitt aller Umfragen deutlich vor Joe Biden. Seine Wiederwahl ist elf Monate vor dem Showdown mehr als nur wahrscheinlich. Sie wäre eine Katastrophe – nicht nur für Amerika, sondern auch für die Schweiz.
Publiziert: 06.12.2023 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2023 um 13:49 Uhr
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Vergesst den Hype um Nikki Haley (51), die einzige republikanische Präsidentschaftskandidatin. Vertraut nicht auf die Macht der amerikanischen Justiz. Donald Trump (77) wird in elf Monaten als republikanischer Kandidat ins Rennen um das Weisse Haus steigen. Und wenn man dem Schnitt aller Umfragen trauen darf, dann sind seine Chancen auf einen Sieg gegen Joe Biden (81) so gross wie noch nie! Trump 2.0 ist also mehr als ein (Alb)-Traum. Stand jetzt ist sein Wiedereinzug ins Weisse Haus gar das wahrscheinlichste Szenario der US-Wahlen.

Robert Kagan, Analyst bei der «Washington Post», warnt jetzt schon vor einer «Diktatur» und vergleicht Trumps Rückkehr mit dem Einschlag eines Meteoriten in Amerika. Das ist Humbug. Aber auch ohne unnötige Dramatisierung darf jetzt niemand die Augen verschliessen: Trumps Wiederwahl wäre in dreifacher Hinsicht eine fundamentale Bedrohung – auch für die Schweiz.

1) Der Nato-Nahtod

2018 drohte Trump damit, dass Amerika das Verteidigungsbündnis jederzeit verlassen könnte. Eine Nahtoderfahrung für die Nato. Kurz darauf soll Trump zu seinem Sicherheitsberater John Bolton gesagt haben: «Ich gebe einen Scheiss auf die Nato.»

Donald Trump liegt im Schnitt aller Umfragen deutlich vor all seinen republikanischen Herausforderern.
Foto: keystone-sda.ch
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Trump ist kein Freund des Militärbundes. Ohne mässigende Berater in seinem Orbit könnte er seine Drohung wahr machen. Selbst dann, wenn er Amerika juristisch nicht so einfach aus der Nato holen könnte, wäre die Gefahr real. Ein simples «Wir werden euch nicht zu Hilfe eilen» an die Adresse der baltischen Staaten oder an Polen käme einer faktischen Einladung an Wladimir Putin (71) gleich, seinen territorialen Raubzug fortzusetzen. Ganz zu schweigen vom Schicksal der Ukraine, das mit dem Ende des militärischen Engagements der USA in Europa den Krieg auf einen Schlag verloren hätte und sich Putins Terrorregime beugen müsste.

Das in sich uneinige Europa ist nicht bereit, ohne Amerikas Schutz durch die geopolitische Zukunft zu segeln.

2) Ohrfeige für die Frauen

Melania Trump (53) machte schon während der ersten Amtszeit ihres Mannes keinen sehr glücklichen Eindruck. Trumps Wiederwahl bedeutete vier weitere Jahre Zwangslächeln für die gebürtige Slowenin. Doch Melania wäre nicht die einzige Frau, die zu leiden hätte.

Trump 2.0 wäre eine Klatsche für die globale Frauenbewegung, konstatiert die amerikanische Autorin Sophie Gilbert. Da seien nicht nur die 25 Frauen, die ihn diverser Übergriffe von Belästigung bis zu Vergewaltigung bezichtigen, da seien nicht nur die Tiraden gegen ihm unliebsame Damen, da sei vor allem auch die von ihm möglich gemachte Kehrtwende in der US-Abtreibungspolitik. Nur wegen der von Trump ernannten konservativen Richter am Supreme Court sind Abtreibungen in einem Drittel aller US-Bundesstaaten inzwischen verboten.

Trump – ein Fan von üppigen Kurven, aber nicht von modernen Gleichstellungsdebatten – würde jenen Kreisen Mut machen, die ein steinzeitliches Bild vom «Objekt Frau» hochhalten. Keine gesunden Voraussetzungen für die Millionen von jungen US-Bürgerinnen und amerikanischen Mädchen, die auf eine aufgeklärte Regierung hoffen.

3) Switzerland last

Trump kennt und schätzt die Schweiz. 2020 etwa reiste er ans Weltwirtschaftsforum in Davos. Doch dieser Besuch darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine radikale «America first»-Strategie der Schweizer Wirtschaft massiv schaden würde.

Seine Berater wälzen derzeit die Idee eines Einfuhrzolles von zehn Prozent auf sämtliche Importgüter. Die USA sind seit 2021 der wichtigste Absatzmarkt für Schweizer Exporte überhaupt: Für 47 Milliarden Franken jährlich beliefern wir die Amerikaner. Damit wäre Schluss, wenn Trump seinen Isolationismus durchsetzt. «Bad news» für all die Schweizer Grosskonzerne und KMU, die auf nachhaltige Handelsbeziehungen hoffen.

Kopfschmerzen dürfte Trump der Schweiz aber auch auf dem diplomatischen Feld bereiten. Die Schweiz vertritt seit 1980 die Interessen der Amerikaner im Iran, weil die beiden Länder nicht mehr direkt miteinander sprechen wollen. Iran – sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten ein aggressiver Gegenspieler der USA – wäre Trump alles andere als wohlgesinnt. Das bedeutete viel Extra-Arbeit für die kompromissbemühten Schweizer Beamten – natürlich auf Kosten von uns Steuerzahlenden.

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