Das war das Leben von Prigoschin
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Vom Koch zum Militär:Das war das Leben von Prigoschin

Spekulationen um Absturzursache
Sabotage, Flugabwehrrakete – oder inszeniert Prigoschin seinen Tod?

Beim Absturz einer Privatmaschine am Mittwoch in Russland soll der russische Wagner-Söldnerführer Jewgeni Prigoschin ums Leben gekommen sein. In Moskau zirkulieren zahlreiche Theorien zur möglichen Unglücksursache. Mit an Bord war auch der Mitgründer von Wagner.
Publiziert: 24.08.2023 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2023 um 07:34 Uhr

Die Videoaufnahme zeigt klar: Die Embraer-Unglücksmaschine, an der Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (†62) am Mittwoch zwischen Moskau und St. Petersburg den Tod fand, taumelte schon hoch im Himmel. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Novosti spricht von einem fehlenden Flügel. Das Wort Sabotage wird nicht genannt.

Auf dem von Ria Novosti veröffentlichten Video ist zu sehen, wie die dunkel lackierte Embraer mit einer Abwärtsspirale vom Himmel fällt und dabei eine Rauchschwade nach sich zieht. Bei Drehungen ist deutlich zu sehen, dass nur noch ein Flügel befestigt zu sein scheint. Später berichtete Ria Novosti, zwei Kilometer von der Absturzstelle entfernt sei ein «Fragment des abgestürzten Flugzeugs» entdeckt worden. Es ist unklar, um welches Teil es sich dabei handelt. Der Fund könnte die These eines Flügelverlusts stützen.

US-Präsident Joe Biden (80) antwortete auch schon auf die Frage von Journalisten, ob seiner Ansicht nach Russlands Präsident Wladimir Putin (70) hinter dem Absturz stecke. Biden zeigte sich nicht überrascht über den Flugzeugabsturz: «Es gibt nicht viel, was in Russland passiert, hinter dem Putin nicht steckt.» Er wisse aber noch nicht genug, um die Frage bezüglich Sabotage schlüssig beantworten zu können.

Absturz in einem Feld in der russischen Provinz.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Video soll Absturz von Prigoschins Privatjet zeigen
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Er stand auf Passagierliste:Video soll Absturz von Prigoschins Privatjet zeigen

Gerüchte über fünf mögliche Absturzursachen

Das renommierte Osteuropa-Portal Nexta geht von vier möglichen Versionen als Unglücksursache aus: Möglich, dass die Embraer von der Luftverteidigung abgeschossen worden sei. Anwohner hätten von typischem Luftverteidigungsfeuer gesprochen. Der mit dem russischen Verteidigungsministerium verbundene Telegram-Kanal Rybar sprach von einem möglicherweise irrtümlichen Abschuss einer Flugabwehrrakete.

Die unabhängige «Moscow Times» dagegen will nichts von einem Irrtum wissen. Laut einem russischen Regierungsbeamten sei «weder die Tatsache des Absturzes noch der Ort ein Zufall». In der Nähe, wo sich auch die Residenz von Präsident Putin befinde, befänden sich vier Divisionen von Raketenabwehrsystemen. «Schauen Sie, wie das Flugzeug vom Himmel fiel», so die anonyme Quelle. «Es wurde einfach so abgeschossen. Das Flugzeug ist einfach vom Himmel gefallen.»

«Gibt wenig, wo Putin nicht dahintersteckt»
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Biden zu Prigoschins Tod:«Gibt wenig, wo Putin nicht dahintersteckt»

Einige Kreml-nahe russische Medien dagegen sprechen von einer Explosion an Bord. Offenbar sei im allerletzten Moment «ein bestimmtes Geschenk in Form einer Kiste mit teurem Wein geladen worden», zitiert Nexta eine anonyme Quelle. Möglich, so wird spekuliert, dass in der Box eine Bombe steckte.

Inszenierte Prigoschin seinen Tod?

Die Behörden untersuchen zudem auch Pilotenfehler, technischen Defekt und äussere Einflüsse, während die Propagandistin Margarita Simonjan (43) auf Telegram von einer «viel diskutierten Version» spricht: Prigoschin könnte seinen Tod inszeniert haben. Russische Medien hatten Prigoschin bereits 2019 und 2022 tot gemeldet – erst bei einem Flugzeugabsturz im Kongo, vergangenes Jahr in der Region Luhansk.

Kiew: Prigoschin habe «eigenes Todesurteil unterschrieben»

Für den Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak (51), war Prigoschins Tod seit dessen Meuterei gegen den Kreml im Juni absehbar. «Prigoschin hat in dem Moment, als er 200 Kilometer vor Moskau stehen blieb, sein eigenes Todesurteil unterschrieben», sagte Podoljak der «Bild»-Zeitung am Mittwochabend.

«Der Aufstand von Prigoschin im Juni hat Putin wirklich erschreckt» und habe absehbar zu Konsequenzen führen müssen, denn: «Putin verzeiht niemandem seine eigene Angst.»

Sollte sich die These bestätigen, dass der Absturz des Flugzeugs mit Prigoschin an Bord auf ein Mordkomplott zurückgehe, handle es sich um eine «demonstrative Beseitigung» und «ein direktes Signal an die Eliten, dass die brutalen Morde an den eigenen Leuten in Russland beginnen». Damit hätte Moskau aus Sicht Podoljaks auch ein Signal an die eigene Armee gesendet, «dass es dort wirklich keine Helden gibt und dass jede Illoyalität mit dem Tod bestraft wird».

Auch Wagner-Mitgründer an Bord

Bergungskräfte haben mittlerweile alle Leichen an der Absturzstelle in der Region Twer geborgen. Offiziell wurde der Tod von Prigoschin noch nicht bestätigt.

Der Flugzeugabsturz in Russland

Jewgeni Prigoschin (†62) ist tot. Am Mittwoch ist ein Privatjet des Wagner-Bosses in der russischen Region Twer abgestürzt. Blick informiert im Ticker Live über die aktuellen Entwicklungen.

Jewgeni Prigoschin (†62) ist tot. Am Mittwoch ist ein Privatjet des Wagner-Bosses in der russischen Region Twer abgestürzt. Blick informiert im Ticker Live über die aktuellen Entwicklungen.

Dagegen hat das russische Bundesamt für Luftfahrt die vollständige Passagierliste mit den verunglückten Personen an Bord der Embraer veröffentlicht. An Bord befanden sich sieben Passagiere und drei Besatzungsmitglieder mit dem Piloten, Co-Piloten und einer Stewardess. Unter den Passagieren: auch Prigoschins Kollege Dmitri Utkin und ein gewisser Alexander Totmin.

Totmin wird vom Geheimdienst der Ukraine (SBU) in einer Wagner-Datenbank aufgeführt. Seine Instagram-Posts zeigen einen Mann, der teure Autos mag. Prominenter ist die Rolle von Utkin (†53): Er war ein Mitgründer der Söldnertruppe Wagner.

Utkin gab Wagner den Namen

Der ehemalige Armeeangehörige und Geheimdienstler war bis 2014 bereits Kommandant bei der privaten Sicherheitsfirma Moran Security Group, mit der er in Syrien hohe Verluste erlitt. 2014 gründete Utkin zusammen mit Prigoschin eine neue Militärgruppe.

Utkin galt als Neonazi, der sich unter anderem den Reichsadler mit Hakenkreuz und SS-Runen tätowieren liess. Da Hitler zu Lebzeiten ein Bewunderer des deutschen Komponisten Richard Wagner (1813–1883) war, wählte Utkin den Namen auch für die private Söldnertruppe. (kes)

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