So traurig wird Weihnachten in Italien
Eine Gasse zerstört das Familienfest

Wer in Italien im Sperrgebiet lebt, hat es schwer in den Feiertagen. Er darf nicht die eigene Gemeinde verlassen und zu seinen Verwandten fahren. So droht vor allem den Grosseltern auf dem Land ein einsames Fest.
Publiziert: 08.12.2020 um 13:55 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2020 um 15:57 Uhr
Myrte Müller

Gianfranca Manfredini (77) aus dem 128-Seelen-Ort Volpara steht auf dem Trottoir. Sehnsüchtig schaut sie auf die andere Seite der Strasse. Dort beginnt die nächste Gemeinde. In Golferenzo (193 Einwohner) lebt Tochter Emanuela mit ihren Kindern.

Die darf die Witwe bis in den Januar hinein nicht mehr sehen. Grund: Die neuen Corona-Massnahmen verbieten den Italienern in den roten und orangen Zonen, ihre Gemeinde zu verlassen – sei sie auch noch so klein. Auch für das Christkind gilt «Zutritt verboten». Nonna Gianfranca wir diese Weihnachten alleine bleiben. «Das ist ausserirdisch», schimpft die Italienerin gegenüber dem «Quotidiano».

Seit dem 7. Dezember gilt der neue Shutdown in ganz Italien. Nur zur Arbeit und Schule, aus gesundheitlichen Gründen und zum Einkaufen von Lebensmitteln ist es erlaubt, den Fuss über die neu gezogene Grenze zu setzen. Bei Kontrollen muss stets eine ausgefüllte Selbstzertifizierung vorgelegt werden. Nur für Kinder zeigt Italien ein wenig Herz. Sie dürfen zu den getrennt lebenden Elternteilen, auch in andere Gemeinden.

Die Bewohner des 128-Seelen-Ortes Volpara in der Provinz von Pavia dürfen wie viele andere Italiener auch, ihre Gemeinde nur mit guten Gründen verlassen. Weihnachtsfeiern zählen nicht dazu.
Foto: zVg
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Rom fürchtet dritte Corona-Welle im Januar

Das alles hat die Regierung in Rom für die Festtage beschlossen. Grund sind die hohen Corona-Fallzahlen und die Angst vor einer dritten Welle im Januar 2021. Über 60'000 Tote forderte die Pandemie bislang. Täglich kommen 500 neue Opfer hinzu. Alleine in den vergangenen 24 Stunden wurden knapp 14'000 Neuinfektionen gemeldet. Grosse Familienfeste drohen im katholischen Land zu Superspreader-Events zu werden. Ein Horror-Szenario für Spitäler und Gesundheitsministerien.

Doch der Shutdown trifft vor allem die über 1500 Dörfer Italiens. Familienangehörige leben oft in Nachbargemeinden. Es gibt kaum Geschäfte für den Einkauf von Geschenken, kaum Gastronomie. Ab 22 Uhr gilt die allgemeine Ausgangssperre, auch für die Weihnachtsmesse. Besonders betroffen sind alle Gemeinde der Regionen Südtirol, Lombardei, Piemont, Aostatal, Kalabrien, Kampanien, Abruzzen und Toskana.

Nicht nachvollziehbar findet Teresa Bellanova (62) die Regelungen. «In Rom darf man sich im Umkreis von 30 Kilometer bewegen», aber auf dem Land seien die Menschen auf wenige Kilometer limitiert, sagt Italiens Landwirtschaftsministerin in der «Provincia di Sondrio». Sie ist nicht die einzige Kritikerin. 25 Senatoren haben sich zusammengeschlossen und protestieren gegen die Ungerechtigkeit zwischen Stadt und Land.

Giuseppe Conte droht mit hohen Bussen

Italiens Premier mutiert unterdessen zu Knecht Ruprecht. Geschenke hat Giuseppe Conte keine für sein Volk, dafür droht er mit Hieben. 70'000 Beamte schickt die Regierung zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag auf Italiens Strassen, um Corona-Sünder zu jagen. Wer unerlaubt seine Gemeinde verlässt, drohen Strafverfahren und Bussen von 400 bis 3000 Euro.

Gianfranca Manfredini schreckt das nicht. Zu gross ist ihre Empörung. Die Rentnerin will Widerstand leisten und Weihnachten mit der Tochter feiern. Corona hin, Corona her. «Ich bin zu zivilem Ungehorsam bereit», erklärt die empörte Nonna, «und ich hoffe, viele werden das Gleiche tun. Man kann doch nicht einfach mit unseren Traditionen brechen.»

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