So hat Frankreich gewählt
Die Anti-Le-Pen-Front

Viele Franzosen wählten am Sonntag nicht für Emmanuel Macron, sondern vor allem gegen Marine Le Pen. Macron ist sich seiner schweren Aufgabe bewusst.
Publiziert: 09.05.2017 um 12:29 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:48 Uhr
Adrian Meyer

Im ersten Wahlgang stimmen die Franzosen mit dem Herzen, im zweiten mit dem Kopf, lautet ein französisches Sprichwort. Mit der «vote utile» für das kleinere Übel hat sie sich am Sonntag einmal mehr bewahrheitet.

Denn viele Franzosen stimmten nicht zwingend für Emmanuel Macron (39), sondern vor allem: gegen Marine Le Pen (48). Ein Blick in die Nachwahlbefragungen des Umfrageinstituts Ipsos macht dies deutlich.

Auf die Frage, warum sie Macron wählten, antworteten 43 Prozent, sie wollten Le Pen verhindern. Ein Drittel wählte ihn, weil er für politische Erneuerung steht. Wegen seines Programms wählten ihn bloss 16 Prozent, wegen seiner Persönlichkeit gar nur acht Prozent.

Ein Tag nach der Wahl jubeln Demonstranten über Le Pens Niederlage: «Frankreich sagt dem Hass: Nie Wieder» und «Danke, Frankreich».
Foto: PASCAL ROSSIGNOL
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Damit zeigt sich: Macrons Basis macht bloss einen Viertel seiner Wähler aus – also all jene, die ihn im ersten Wahlgang bereits unterstützten.

Bei den Arbeitern holte Le Pen Stimmen

Le Pen war vor allem bei zwei Personengruppen stark: Bei den 35- bis 49-Jährigen holte sie 43 Prozent, bei den Arbeitern gar mehr als die Hälfte der Stimmen. Macron schnitt hingegen bei den Älteren, Gebildeten und Gutverdienenden am besten ab. Bei den älteren Franzosen sitzt die Abneigung gegen Le Pen tief, während die jüngeren den Front National weniger verteufeln. 

Rund ein Viertel aller Wähler ging gar nicht erst zur Urne – der höchste Wert seit Jahrzehnten. Sie protestierten damit gegen zwei aus ihrer Sicht falsche Kandidaten: einer ein Investmentbanker des Systems, die andere eine Rassistin. «Ni Macron ni Le Pen», weder Macron noch Le Pen – die Parole schrien vor allem die Anhänger des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon.

Von Beginn weg schwierig

Macron ist sich bewusst, dass keine Mehrheit wirklich hinter ihm steht. Seine Antrittsrede war daher bewusst staatsmännisch, gemässigt, versöhnlich: «Ich weiss, dass einige mich nur gewählt haben, um die Republik zu verteidigen», sagte er. Und: «Ich kenne die Wut, Angst, Zweifel, aber auch die Überzeugung, die einige von euch ausgedrückt haben. Ich respektiere sie.»

Erstaunliche Sätze, die zeigen, welch schwere Aufgabe Macron von Beginn weg meistern muss. 

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