Sie waren die Ersten an der Front
Putins gefürchtete Eliteeinheit praktisch «ausgelöscht»

Ihr Schicksal steht symbolisch für das Versagen der russischen Armee in der Ukraine: die 200. motorisierte Schützenbrigade. Von der Elite-Einheit ist nicht mehr viel übrig. Sie wurde praktisch «ausgelöscht».
Publiziert: 16.12.2022 um 19:11 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2022 um 22:19 Uhr
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Marian NadlerRedaktor News

Bis zur Invasion in der Ukraine bewachte sie das arktische Arsenal Russlands in der Region Murmansk oder half dabei, die Macht von Syriens Machthaber Baschar Al Assad (57) zu sichern, jetzt scheint die 200. motorisierte Schützen-Brigade am Ende.

Die Elitesoldaten gehörten zu den ersten, die am 24. Februar im Rahmen der Invasion in die Ukraine das Land angriffen. Ihre Mission, die mit einem Angriff auf Charkiw startete, erwies sich jedoch bereits im Mai als fehlgeschlagen. Die Brigade zog sich zurück und unternahm einen verzweifelten Versuch der Regruppierung.

Zu diesem Zeitpunkt sollen von den beiden mehr als 1400 Mann starken Bataillonen der Brigade weniger als 900 Soldaten übrig gewesen sein – Verwundete, Vermisste und Deserteure nicht ausgenommen. Die Brigade dürfte also aus weit weniger als 900 Soldaten bestehen, wie die «Washington Post» berichtet.

Die 92. motorisierte Brigade der ukrainischen Armee. Keine andere Einheit traf so oft in Gefechten auf die 200. motorisierte Schützenbrigade der Russen.
Foto: imago images/Ukrinform
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Kommandant wurde schwer verwundet

Die mobilen Raketenwerfer und die hochmodernen Panzer, mit denen die Brigade in die Ukraine einmarschiert waren, wurden entweder zerstört oder fielen dem Feind in die Hände. Ihr Kommandant Denis Kurilo wurde im Kampf schwer verwundet.

Interne Dokumente beweisen demnach, dass die Verletzungen des Kommandants so gravierend waren, dass er sich nicht mehr an die Geschehnisse auf dem Schlachtfeld erinnern konnte und in ein Spital eingeliefert werden musste.

Dem Bericht zufolge bestätigte Kurilos Ehefrau, dass er sich inzwischen seit ungefähr sechs Monaten nicht mehr in der Ukraine aufhält.

Von der 200. Brigade ist nicht mehr viel übrig

Seit Mai musste die Brigade weitere Verluste hinnehmen. Zu Beginn des Krieges setzte sie sich noch aus hochqualifizierten Berufssoldaten zusammen, inzwischen ist sie nur noch eine kleine Ansammlung schlecht ausgebildeter Wehrpflichtiger.

«Die Einheit befindet sich in einem Zustand des Verfalls», zitiert die Zeitung einen Soldaten, der jetzt in der 200. Brigade dient und im Rahmen der Teilmobilisierung eingezogen wurde. Die Ausrüstung sei katastrophal. Die Helme würden aus dem Zweiten Weltkrieg stammen. Und die Männer würden nicht richtig ausgebildet werden. «Sie bilden uns nicht einmal aus. ... Sie sagen dir einfach: ‹Du bist jetzt ein Schütze. Bitte sehr, hier ist ein Maschinengewehr›.»

Verwundete wurden zurückgelassen

Taras Schewtschenko, der eine Artillerie- und Aufklärungseinheit der Ukrainer befehligt, traf Anfang Juni auf den ausgedünnten russischen Truppenverband. Er berichtet vom wenig professionellen Verhalten der russischen Brigadiere, die sich sonnten und ohne Schutzwesten und Helme herumliefen.

Die ukrainischen Streitkräfte nutzten ihre Chance und brachten der gegnerischen Einheit eine empfindliche Niederlage bei. Beim chaotischen Rückzug liessen die Russen laut Schewtschenko ihre Verwundeten zurück, viele von ihnen sollen qualvoll verblutet sein.

Es wird Jahre brauchen, die Brigade wieder aufzubauen

Andere ukrainische Kommandante erzählen von Gefechten, in denen Soldaten der 200. Brigade nicht kämpfen wollten oder Befehle missachteten.

«Von dieser Brigade ist nichts mehr übrig. Sie ist komplett ausgelöscht», wird Pawlo Fedosenko in dem Bericht zitiert. Er kommandiert die 92. motorisierte Brigade in der ukrainischen Armee. Keine andere Einheit der Ukrainer lieferte sich mehr Gefechte mit dem früheren Stolz der russischen Armee.

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«Von dieser Brigade ist nichts mehr übrig.»
Pawlo Fedosenko
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Ein europäischer Geheimdienstler komplettiert das desolate Bild der einst gefürchteten Eliteeinheit. Er sagt, dass für den Wiederaufbau der 200. Brigade Jahre nötig seien.

Mehrere Faktoren verhindern erfolgreiche Invasion

Inzwischen ähnelt die gesamte russische Armee der 200. Brigade: stark dezimiert, erheblich demoralisiert und mit unerfahrenen Rekruten aufgefüllt.

Das Versagen der russischen Armee lässt sich einerseits mit der Leistung des ukrainischen Militärs erklären. Andererseits haben viele weitere Faktoren die Invasion insgesamt unmöglich gemacht.

Dazu zählen die weit verbreitete Korruption in den Reihen der Russen, strategische Fehleinschätzungen und das Unvermögen des Kremls, die wahren Fähigkeiten der eigenen und der Truppen des Gegners richtig einschätzen zu können.

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