Seltsamer Deal mit Ungarn
Ukrainische Kriegsgefangene packen über russische Haft aus

2023 wurden elf ukrainische Kriegsgefangene aus russischer Haft entlassen. Dabei nimmt Ungarn eine dubiose Rolle in deren Freilassung ein. Zwei Betroffene erzählen.
Publiziert: 31.03.2024 um 22:28 Uhr
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Aktualisiert: 01.04.2024 um 11:01 Uhr

Singen der russischen Hymne, Schläge und miserables Essen: Zwei ehemalige ukrainische Kriegsgefangene machen gegenüber der «Deutschen Welle (DW)» öffentlich, was sie während ihrer Haft in einem russischen Gefängnis erlebt haben.

Iwan* und Andrij* sind Teil der Gruppe von elf ukrainischen Soldaten, vermeintlich ungarischer Abstammung, die im Juni 2023 aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen und nach Ungarn überstellt wurden.

Gegenüber der Zeitung «DW» erzählen ukrainische Kriegsgefangene, was sie in Russland erlebt haben.
Foto: Anadolu via Getty Images
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«Wir dachten, sie erschiessen uns»

Die russische Gefangenschaft hat die beiden Männer verändert. Nachdem sich die Ukrainer im Februar 2022 freiwillig zum Militäreinsatz gemeldet hatten, wurden sie im Juni 2022, in der Ostukraine in der Region Luhansk gefangen genommen. Anschliessend kamen sie laut der «DW» in ein Gefangenenlager im Osten der Ukraine.

«Von Zeit zu Zeit wurden wir geschlagen», sagt Andrij gegenüber der «DW». Jeden Morgen hätten sie die russische Nationalhymne singen müssen. Wer nicht mitgesungen habe, sei mit Prügel bestraft worden. Das Essen habe aus Grütze und verdorbenem Gemüse bestanden. Andrij hat in Gefangenschaft nach eigenen Angaben fast 30 Kilogramm abgenommen.

Einzige Bedingung für Freilassung: «Sag, dass du Ungar bist!»

Etwa ein Jahr nach ihrer Inhaftierung wurden die beiden Soldaten mit neun weiteren Männern mit verbundenen Augen in einen Lastwagen gepackt und nach Moskau gefahren. «Zuerst dachte ich, sie bringen uns in ein anderes Lager oder sie fahren uns zur Erschiessung», so Andrij. In Moskau eröffnete man ihnen schliesslich die Freilassung nach Ungarn. Der russische Geheimdienst habe sie aufgefordert, anzugeben, dass sie Ungarn sind. Dies sei die einzige Bedingung für die Freilassung gewesen.

Der Vorfall sorgte damals für diplomatischen Zündstoff zwischen der Ukraine und Ungarn. Denn: Ungarn offenbarte, die Ukraine nicht über die Freilassung der Soldaten informiert zu haben. Völkerrechtlich muss bei einer Gefangenenüberstellung an Drittstaaten das Heimatland der Betroffenen informiert werden.

Wollte der Kreml den Westen spalten?

Ungarns Premierminister Viktor Orbán stellte die Aktion damals als «humanitäres Geschenk» dar, um Angehörige der ungarischen Minderheit in der Westukraine zu retten. Aber: Laut Iwan und Andrij ist nur einer der elf Freigelassenen tatsächlich ungarischer Abstammung. Von ungarischer Seite habe man sie angewiesen, nicht mehr in die Ukraine zurückzukehren, da ansonsten Freilassungen von weiteren Kameraden nicht mehr möglich sein würden. Die ungarische Regierung widerspricht dieser Version und behauptete, die Männer seien frei und könnten dahin gehen, wo sie wollen.

Die Soldaten wissen nicht, wie der Deal mit den Ungarn zustande kam. Nach Abschluss des Deals herrschte im offiziellen Ungarn Schweigen, wie die «DW» berichtet. Der ukrainische Politologe Dmytro Tushanskyj vermutet gegenüber dem Medium, dass die Überstellung «eine hybride Spezialoperation des Kreml» gewesen, um die Einheit des Westens bei der Unterstützung der Ukraine zu untergraben.

*Namen geändert

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