Selenski zu Helikopterabsturz
«Im Krieg gibt es keine Unfälle»

Der tragische Helikopterabsturz östlich von Kiew schwächt die ukrainische Regierung empfindlich. Die First Lady des Landes reagiert sehr emotional. Ihr Mann findet klare Worte.
Publiziert: 18.01.2023 um 21:33 Uhr
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Aktualisiert: 19.01.2023 um 08:19 Uhr
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Es braucht viel, um Wolodimir Selenski (44) aus der Fassung zu bringen. Der Helikopterabsturz am Mittwochmorgen östlich von Kiew, bei dem unter anderen der ukrainische Innenminister sowie dessen Stellvertreter ums Leben gekommen sind, hätte es fast geschafft. Selenski war sichtlich emotional, seine Augen ganz glänzend, als er sich am späten Nachmittag in einer Videoansprache direkt an die WEF-Teilnehmenden in Davos richtete. Der Absturz sei «eine Tragödie», sagte Selenski. Ganz besonders, weil unter den 18 Opfern des Helikopterabsturzes auch drei Kinder seien. Der Airbus H225 des staatlichen Rettungsdienstes war direkt neben einem Kindergarten zu Boden gekracht.

Selenski eröffnete seine Rede mit einer Schweigeminute. Sein Land habe schon «Tausende solcher Minuten» abgehalten, sagte Selenski, und mahnte die politischen Führerinnen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger in Davos zu «mehr Entschlossenheit und mehr Geschwindigkeit» im Kampf gegen die russischen Angreifer.

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Ebendieser Kampf wurde durch den Helikopterabsturz empfindlich geschwächt. Der verstorbene Innenminister Denys Monastyrskyi (†42) war nicht nur ein wichtiger Berater von Präsident Selenski, sondern befehligte auch mehrere Zehntausend Nationalgardisten und Grenzschützer. Da sowohl Monastyrskyis Stellvertreter als auch der erste Staatssekretär ums Leben kamen, ist den Ukrainern die gesamte Führung eines zentralen Ministeriums abhandengekommen.

Beim Helikopterabsturz am Mittwochmorgen östlich von Kiew kamen mindestens 18 Menschen ums Leben.
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Sicherheitsexperte: Ukraine hat grossen Fehler begangen

«Das ist inmitten dieses Krieges ein schwerer Schlag für Selenski, den man nicht unterschätzen darf», sagt der amerikanische Sicherheitsexperte Matthew Schmidt von der Universität New Haven in einer Stellungnahme. Die Ukraine müsse daraus Konsequenzen ziehen. «Es sollten niemals so viele wichtige Entscheidungsträger gemeinsam in einen Helikopter oder ein Flugzeug steigen», betont Schmidt.

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Schwer getroffen hat die Tragödie auch die ukrainische First Lady Olena Selenska (44), die derzeit in Davos am WEF weilt. «Das ist ein persönlicher Schlag für mich. Ich habe den Minister sehr gut gekannt», sagte Selenska mit Tränen in den Augen. «Von aussen sieht es vielleicht so aus, als hätten wir uns an all das gewöhnt. Aber leider haben wir das nicht.» Dass bei der Tragödie auch mehrere Kinder ihr Leben verloren haben, mache alles nur noch unerträglicher. «Ich glaube nicht, dass ich die Worte finden kann, um darüber zu sprechen.»

Über die Ursache des Absturzes könne derzeit nur spekuliert werden, erklärte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (51) gestern Nachmittag gegenüber Blick. Klar sei nur, dass der Helikopter auf dem Weg in die ostukrainische Stadt Dnipro gewesen sei, wo sich die Vertreter der Regierung die Schäden der jüngsten russischen Raketenangriffe anschauen wollten.

Selenski will nicht von einem Unfall sprechen

Die Ursache spiele letztlich auch keine Rolle, betonte Wolodimir Selenski in seiner Video-Ansprache. Die Sache sei klar: «Im Krieg gibt es keine Unfälle. Alles, was uns widerfährt, passiert wegen des Krieges. Tote gibt es nicht nur auf dem Schlachtfeld.»

Laut Hochrechnungen der Uno sind seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar des vergangenen Jahres mindestens 6755 Zivilisten getötet worden. Mindestens 10'607 zivile Personen trugen teils schwere Verletzungen davon. Allein beim jüngsten russischen Raketenangriff auf die ostukrainische Stadt Dnipro kamen vergangenen Woche mindestens 44 unschuldige Menschen ums Leben.

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