Selbst sein Anwalt ist überrascht
Warum lief Zug-Killer Ibrahim A. (33) noch frei herum?

Am Mittwoch geht Ibrahim A. in einem Regionalzug in Norddeutschland mit einem Messer auf Passagiere los. Er tötet zwei Jugendliche. Dabei hätte A. eigentlich hinter Gittern sitzen müssen. Selbst sein Anwalt war überrascht, dass er frei war.
Publiziert: 27.01.2023 um 11:09 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2023 um 14:11 Uhr
Ibrahim A. (33, l.) lief im Zug in Deutschland Amok: Hier wird er von einem Beamten abgeführt.
Foto: Jan-Henrik Dobers / BILD
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In Deutschland herrscht auch zwei Tage nach der Messerattacke in einem Regionalzug in Norddeutschland noch Entsetzen über die Tat. Ibrahim A.* (33) tötete bei dem Angriff zwei Menschen (†17 und †19) und verletzte sieben weitere Personen. Drei Personen schweben noch immer in Lebensgefahr.

Bereits vor der Tat war A. bei der Polizei bekannt. Er wurde mehrfach straffällig und sass mehrere Monate in Untersuchungshaft. Hintergrund war laut Ermittlungsbehörden eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Doch kurz vor der Tat wurde er frei gelassen. Das erstaunt selbst seinen Anwalt. «Ich war überrascht, dass mein Mandant so plötzlich aus der U-Haft entlassen wurde», sagte Björn Seelbach zum «Spiegel». Warum lief der mehrfach vorbestrafte Mann überhaupt noch frei herum?

«Ibrahim A. ist mehrfach straffällig geworden»
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Wenige Tage vor der Tat wurde A. noch psychiatrisch begutachtet. Das Ergebnis: Von dem Mann gehe keine Fremd- oder Selbstgefährdung aus. Das teilte eine Sprecherin der Hamburger Justizbehörde laut «Bild» mit. Es habe keine Anhaltspunkte gegeben, eine rechtliche Betreuung oder den Sozialpsychiatrischen Dienst einzuschalten.

Er zückte schon mal ein Messer

2014 war A. nach Deutschland eingereist, in den letzten Jahren griff er immer wieder Menschen an. Am 16. Dezember 2021 beging A. eine gefährliche Körperverletzung, als er in einer Drogenberatungsstelle mit einer Eisenstange zuschlug. Am 8. Januar notierte die Polizei in seiner Strafakte eine einfache Körperverletzung. Zehn Tage später, am 18. Januar 2022, geriet er mit einem Obdachlosen bei der Essensausgabe einer Obdachlosenbetreuung aneinander.

A. zog ein Messer, stach auf sein Opfer ein und fügte dem Mann Schnittverletzungen am Kopf zu. Zwei Tage später schlug er in der Drogenberatungsstelle einem Mann mit einem Klappmesser etliche Male auf den Kopf.

Die Polizei nahm in daraufhin fest. Er wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und einer Woche verurteilt. Im Gefängnis ging er auf einen Mithäftling los, dann attackierte er einen Vollzugs-Bediensteten der JVA.

Messer-Killer schweigt

Während er hinter Gittern sass, legte Ibrahim A. Berufung ein – und kam am 19. Januar dieses Jahres frei. Es «war absehbar, dass ein Termin zur Berufungshauptverhandlung nicht möglich sein würde, bevor die Dauer der Untersuchungshaft die Länge der bei Rechtskraft zu verbüssenden Haftstrafe erreichen würde, also der Verurteilte länger in Untersuchungshaft sein würde, als seine Strafe maximal andauern würde», erklärt Kai Wantzen, Sprecher des Hamburger Gerichts gegenüber «Bild». Aus Gründen der Verhältnismässigkeit habe das Landgericht den Haftbefehl deshalb am 19. Januar 2023 aufgehoben, sodass der Verurteilte nach einem Jahr Untersuchungshaft entlassen wurde.

Inzwischen sitzt Ibrahim A. schon wieder in U-Haft – und schweigt. Ihm wird zweifacher Mord und mehrfacher versuchter Totschlag vorgeworfen.

Da der mutmassliche Angreifer vor seiner Inhaftierung in Hamburg obdachlos gewesen sei, «stand er jetzt auf der Strasse». Sein Mandant habe keine Familienangehörigen in Deutschland. Dem Anwalt zufolge kam Ibrahim A. aus dem Gazastreifen. Seine Familie sei von der radikalen Palästinenserorganisation Hamas drangsaliert worden. «Das war der Grund für seine Flucht.» (nad/AFP)

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