«Ich verzichte» – Noch-SPD-Chef von Partei fallen gelassen
Martin Schulz ist Draussenminster

Erst als «Gottkanzler» gefeiert, jetzt alles verloren: Die SPD-Führung will ihren Parteichef Martin Schulz nicht als Minister in einer grossen Koalition. Unter immensem Druck sagte Schulz am Freitagnachmittag: «Ich verzichte!»
Publiziert: 09.02.2018 um 14:02 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 21:40 Uhr
Doch kein Aussenminister
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Schulz verzichtet:Doch kein Aussenminister

Kurz sah es gut aus für Martin Schulz. Die GroKo-Verhandlungen: ein Erfolg. Zwei Top-Ministerien gab Angela Merkel am Mittwoch zähneknirschend an den kleineren Koalitionspartner ab – sogar das in der letzten Legislatur vom schwäbischen Chefsparer Wolfgang Schäuble besetzte Finanzressort. 

Schulz verzichtet auf das Amt des Aussenministers

Doch dann kam alles anders: Der scheidende SPD-Parteichef will im Falle einer Neuauflage der grossen Koalition kein Ministeramt übernehmen. Er sehe durch die Diskussion um seine Person den Erfolg des Mitgliedervotums gefährdet, erklärte Schulz am Freitagnachmittag in Berlin. «Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind», heisst es in der Pressemitteilung. Seine persönlichen Ambitionen müssten hinter den Parteiinteressen zurückstehen.

Schulz' Rückzug ist jedoch alles andere als freiwillig.

«Mann mit Haaren im Gesicht»: Sogar Sigmar Gabriels Tochter Marie lästerte über Martin Schulz.
Foto: Imago

Nach den eigentlich erfolgreichen Koalitionsverhandlungen geriet alles ausser Kontrolle für den unglückseligen Ex-Kanzlerkandidaten und SPD-Parteichef. Statt wie erhofft bald als Aussenminister zu glänzen und den ungeliebten Parteivorsitz an Andrea Nahles weiterzureichen, drängte ihn die SPD-Führung nach Informationen der «Bild»-Zeitung, bis zum Freitagnachmittag seinen Verzicht auf das Amt des Aussenministers zu erklären. Auch die SPD Nordrhein-Westfalen – ein einflussreicher Landesverband – wollte ihn scheinbar zum Verzicht auffordern.

Die SPD entzog ihrem Parteichef Schulz das Vertrauen

Entzog seine Partei dem erst umjubelten, dann schwer angeschlagenen Schulz vollends das Vertrauen? Noch im vergangenen Jahr wurde Schulz vom SPD-Parteitag einstimmig zum Parteivorsitzenden gewählt, löste den damals ungeliebten Vizekanzler Sigmar Gabriel ab. Mit der Kanzlerkandidatur begeisterte er kurzfristig die Genossen – und vor allem die jungen Wähler. «Gottkanzler» nannten sie ihn. Von einem «Hype» und dem «Schulzzug» war die Rede.

Doch der «Schulzzug» war schon wenige Wochen später abgefahren. Seine Kandidatur am Ende: eine einzige Schlappe. Die GroKo-Verhandlungen wurden argwöhnisch begutachtet.

Denn Schulz hatte nach der Bundestagswahl im September angekündigt, es werde keine Neuauflage der ungeliebten «GroKo», einer Koalition der Volksparteien Union und SPD, geben. Minister unter Merkel? Auf keinen Fall.

Schulz und Gabriel liefern sich ein würdeloses Gezicke

Doch dann wollte Schulz plötzlich doch koalieren. Das hätte ihm die Partei vielleicht noch nachgesehen – nicht aber, dass er den Parteivorsitz für ein Ministeramt aufgeben wollte. Die Genossen sind deshalb trotz der ergatterten Ministerposten enttäuscht.

Und es war eben auch nicht nur irgendein Ministeramt, das ihr scheidender Parteichef anstrebte: Schulz, der sich als langjähriger Vorsitzender des Europäischen Parlaments profilierte, hatte ein Auge auf das Amt des Aussenministers geworfen. «Sigmar Gabriel hat eine sehr gute Arbeit als Aussenminister geleistet, aber ich habe mich entschieden, in die Bundesregierung einzutreten und zwar als Aussenminister» kündigte Schulz lapidar an.

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Ein gewaltiger Affront gegenüber dem bisherigen Aussenminister und Schulz' Vorgänger an der Parteispitze, Sigmar Gabriel. Der zickte würdelos gegen den ehemaligen Parteifreund. In einem Interview sagte er, seine Tochter Marie habe ihm über Schulz gesagt: «Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.»

Die Personaldebatte überlagert nun alles. Dabei ist die Grosse Koalition noch gar nicht sicher: Mehr als 460'000 Sozialdemokraten müssen dem Koalitionsvertrag erst noch zustimmen. Das Ergebnis soll Anfang März vorliegen.

Auf Twitter wird der ehemalige «Gottkanzler» nun als «Draussenminister» gehandelt. (kin)

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