Schwul, Tierschützer, erfahrener Investor – George Santos hat Lebenslauf erfunden
Der Lügen-Republikaner

Sein Lebenslauf klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Ist er auch nicht. George Santos hat sich einfach mal so eine neue Identität zugelegt, damit er bei den US-Midterms gewählt wird. Und auch nach Bekanntwerden seiner Lügen denkt er nicht an den Rücktritt.
Publiziert: 29.12.2022 um 13:33 Uhr
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Aktualisiert: 29.12.2022 um 14:13 Uhr
Tanja von Arx
Tanja von ArxAuslandredaktorin

Dass Politiker gerne mal flunkern, ist weitherum bekannt. Aber der Republikaner George Santos (34) schiesst den Vogel ab. Der junge Star aus dem Midterms – er ist der erste offen Schwule seiner Partei, der nicht als Amtsinhaber einen Sitz im «House» gewann, namentlich in New York – hat das Meiste in seinem Lebenslauf frei erfunden. Blick zeigt seine grössten Lügen auf.

1 Der offen Schwule

Zunächst stand Santos im Wahlkampf zur Heirat mit einem Mann. Und zwar wie folgt: «Ich bin offen schwul und hatte in den vergangenen zehn Jahren nie ein Problem mit meiner sexuellen Identität.» Gleichzeitig versprach er, die LGBTQ-Bewegung zu unterstützen. Allerdings hat Santos verschwiegen, dass er während sieben Jahren mit einer Frau verheiratet war, wie Recherchen der «New York Times» zeigen. Das wirft zumindest die Frage auf, ob die sexuelle Identität für Santos so unproblematisch war, wie er behauptet.

2 Der Tierschützer

Santos gab des Weiteren an, von 2013 bis 2018 eine Tierschutzorganisation mit Namen «Friends of Pet United» geleitet zu haben, deren Gründer er sei. Die Organisation habe unter anderem 2400 Hunden das Leben gerettet. Doch: Laut der «New York Times» war diese in den behördlichen Registern nicht eingetragen.

Der Republikaner George Santos wartet mit einem aussergewöhnlichen Lebenslauf auf: Er sei offen schwul, Chef einer Tierschutzorganisation und seine Vorfahren seien dem Holocaust entkommen.
Foto: AFP
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3 Die jüdische Abstammung

Eine herzergreifende Geschichte: Seine jüdischen Grosseltern seien aus der Ukraine nach Belgien geflohen und hätten den Holocaust überlebt, erzählte Santos weiter. Um sich vor der Verfolgung durch die Nazis zu schützen, konvertierten sie angeblich zum Katholizismus und änderten ihren Namen, bevor sie vor Hitler nach Brasilien flüchteten. Er sei ein «halber Jude» oder ein «jüdischer Latino», so Santos. Als «CNN» daraufhin Ahnenforscher beauftragte, den Stammbaum des Politikers zu prüfen, fanden diese keine Hinweise auf eine jüdische Herkunft.

4 Das Wirtschaftsstudium, die Bankenkarriere und die familieneigene Immobilienfirma

Laut eigener Angaben hat Santos nach einem Wirtschaftsstudium an der Universität in New York bei führenden Banken wie Citigroup und Goldman Sachs gearbeitet. Als «erfahrener Financier und Investor an der Wall Street» führe er eine familieneigene Immobilienfirma – die Vermögenswerte: 80 Millionen Dollar.

Allerdings fanden die Uni, die Citigroup und Goldman Sachs auf Anfrage der «New York Times» keinen solchen Santos. Es fand sich auch keine Spur von den Immobilienwerten. Ganz im Gegenteil: Santos machte offenbar immer wieder Schulden, lebte 2014 mit seiner Mutter und der Schwester in einer Wohnung, und zweimal verlangten seine Vermieter die Zwangsräumung wegen ausstehender Mietzahlungen. Von 2011 bis 2012 arbeitete Santos nicht als Manager für eine Bank, sondern im Callcenter eines TV- und Internetanbieters.

5 Die Wahlkampfgelder

Lüge Nummer 4 wirft auch Fragen zur Finanzierung von Santos’ Wahlkampf auf: Er hat seiner Kampagnenorganisation 700'000 Dollar geliehen. Gleichzeitig meldete er ein Einkommen von 750'000 Dollar und über eine Million Dollar Dividenden von seiner Immobilienfirma, wie die «New York Post» schreibt.

Santos schwieg zunächst. Am Montag gab er dann zu, vieles in seiner Biografie erfunden zu haben. «Es ist mir peinlich, und es tut mir leid.» Menschen machten eben dumme Dinge. Seine Schulden erklärte er mit der Krebsbehandlungen seiner Mutter. Zur ersten Ehe sagte er: «Menschen ändern sich.»

Noch immer ist indes nicht klar, wie sich Santos’ finanzielle Situation plötzlich derart verbessern konnte, berichtet die «New York Times». Trotzdem will er von Rücktrittsforderungen nichts wissen. Jedoch wurden mittlerweile strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn eingeleitet, wie der «Spiegel» schreibt.

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