Schweizer Rechtsmediziner erklärt unterschiedliche Autopsie-Ergebnisse von George Floyd
«Erstickungstod ist bei einer Obduktion nicht sichtbar»

Was hat zu George Floyds Tod geführt? Die beiden Obduktionsberichte widersprechen sich. Der Schweizer Rechtsmediziner Ulrich Zollinger erklärt, warum eine endgültige Diagnose so schwer fällt.
Publiziert: 03.06.2020 um 17:57 Uhr
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Aktualisiert: 04.06.2020 um 10:13 Uhr
Wurde brutal festgehalten: George Floyd starb an Polizeigewalt.
Foto: Facebook
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Rachel Hämmerli

Das Knie von Brutalo-Cop Derek Chauvin (44) drückte minutenlang auf den Hals von George Floyd (†46) – dieser wurde irgendwann bewusstlos, starb danach. Die Todesursache scheint glasklar: Floyd erstickte auf der Strasse.

Doch in einem vorläufigen Ergebnis der offiziellen Obduktion wurde zwar festgestellt, dass Floyd durch Gewalt ums Leben kam. Allerdings sei der Tod mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand eingetreten, ausgelöst durch Druck auf den Hals. Der Afroamerikaner habe an einer Herzerkrankung gelitten.

Das wollte die Familie nicht hinnehmen, gab eine zweite Autopsie in Auftrag. Diese diagnostiziert «Erstickung durch anhaltenden Druck», hervorgerufen durch die Gewalt der Polizisten. Die Gutachter kamen zum Schluss: Der Druck auf Floyds Nacken hat die Blutzufuhr zum Gehirn unterbrochen, der Druck auf Floyds Rücken habe eine Ausweitung der Lunge verhindert. Durch die auf dem Rücken fixierten Hände sei das Zwerchfell beeinträchtigt worden.

Warum unterscheiden sich die Befunde dermassen?

Todesursache schwer zu beweisen

Das Problem: «Der Erstickungstod durch zu wenig Sauerstoffzufuhr ist bei einer Obduktion nicht sichtbar», sagt Ulrich Zollinger, emeritierter Professor für Rechtsmedizin an der Universität Bern zu BLICK. «Die Todesursache ist deswegen schwer zu beweisen.»

Wenn ein Rechtsmediziner kleine, punktförmige Blutungen in der Augenbindehaut findet, ist das ein Hinweis auf Gewaltanwendung. Floyd ist jedoch «sanft» erstickt. Daher sei für Rechtsmediziner wesentlich, wie die letzten Minuten verliefen. Die Videos der Passanten würden bei der Diagnose helfen.

«Jeder Polizist kennt diese Gefahr»

Das Video zeigt, wie der Polizist Derek Chauvin sein Knie seitlich in den Nacken von Floyd drückte. «Dies kann seine Atmung oder die Blutversorgung des Gehirns behindert haben», so Zollinger. Beides beinhaltet die Gefahr einer Erstickung. Hinzu komme, dass offenbar ein oder mehrere Polizisten auf dem Rumpf des 46-Jährigen sassen. «Dies kann die Atmung von Floyd zusätzlich behindert haben».

Rechtsmediziner sprechen in solchen Situationen vom «lagebedingten Erstickungstod». «Jede Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte in der Schweiz kennt diese Gefahr und hat gelernt, sie bei Festnahmen zu vermeiden», sagt Zollinger.

Alles in allem hat der Rechtsmediziner Zollinger aufgrund der Videos keine Zweifel daran, dass der Polizeieinsatz die Ursache für den Tod von George Floyd war. «Krankheiten oder ein Drogenkonsum könnten den Verlauf negativ beeinflusst haben», sagt Zollinger. Doch ohne Polizeieinsatz wäre Floyds plötzlicher Tod nicht zu erklären.

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