Nach heftigen Ausschreitungen mit Toten
Palästinenser ziehen ihren Spitzenvertreter aus Washington ab

Heute eröffnen die USA ihre neue Botschaft in Jerusalem. Das EDA befürchtet eine Eskalation der Gewalt. Bereits gibts Tote und über 2000 Verletzte.
Publiziert: 14.05.2018 um 12:08 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:40 Uhr
Guido Felder

«Israel ist eine souveräne Nation mit dem Recht, seine Hauptstadt selbst zu bestimmen», erklärte US-Präsident Donald Trump am Montag in einer Videobotschaft, die bei den Feierlichkeiten ausgestrahlt wurde.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu bezeichnete die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem als «glorreichen Tag». Israel habe «keine besseren Freunde auf der Welt» als die USA. Es sei auch «ein grosser Tag für den Frieden», sagte Netanjahu.

Trump hatte im Dezember in einem international hoch umstrittenen Schritt Jerusalem einseitig als Israels Hauptstadt anerkannt. Dabei kündigte er auch die Verlegung der Botschaft an. Der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem ist ein klarer Bruch mit der jahrelangen US-Politik.

Der Status Jerusalems ist eine der heikelsten Fragen im Nahostkonflikt und soll in Friedensverhandlungen geklärt werden. Israel hatte den Ostteil samt der historischen Altstadt im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzt und 1980 annektiert, die Uno erkennt die Annexion aber nicht an. Die Palästinenser erheben Anspruch auf den Ostteil Jerusalems als Hauptstadt eines zukünftigen Palästinenserstaates.

52 Tote, über 2400 Verletzte

Die Eröffnungszeremonie am Montag fand am gleichen Tag statt, an dem Israel sein 70-jähriges Bestehen feierte und war überschattet von massiven Protesten von Palästinensern. Im Gazastreifen an der Grenze zu Israel wurden von Soldaten mindestens 52 Palästinenser erschossen.

Mehr als 2400 Personen wurden nach den Angaben des palästinensischen Gesundheitsministerium in Gaza verletzt, knapp die Hälfte davon durch Schüsse. Es ist damit der Tag mit den meisten Todesopfern seit dem Gaza-Krieg 2014.

Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte zeigte sich schockiert darüber, dass Dutzende von Menschen getötet und Hunderte verletzt worden seien. Die UNO-Organisation forderte in Genf, dass der Einsatz von scharfer Munition durch israelische Soldaten gestoppt werde.

Uno-Generalsekretär Antonio Guterres sagte in Wien, die Ausschreitungen verdeutlichten, dass eine politische Lösung des Konflikts unabdingbar sei. «Es gibt keinen Plan B zur Zwei-Staaten-Lösung.»

Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini rief alle Seiten «zu äusserster Zurückhaltung» auf. «Israel muss das Recht auf friedlichen Protest und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit beim Einsatz von Gewalt respektieren», erklärte Mogherini. Die radikale Palästinenserorganisation Hamas und andere müssten ihrerseits für gewaltfreie Demonstrationen sorgen.

Cassis ruft zur Zurückhaltung auf

Auch Vertreter Deutschlands, Frankreichs und Grossbritanniens sowie Bundesrat Ignazio Cassis erklärten sich besorgt über die Eskalation der Gewalt und die hohe Zahl der Toten. Cassis rief die Konfliktparteien auf Twitter zur Zurückhaltung auf.

Die israelischen Nachbarstaaten Libanon, Jordanien und Ägypten verurteilten die Gewalt im Gazastreifen ebenfalls. Es handle sich um «exzessive Gewalt gegen wehrlose palästinensische Menschen», sagte der jordanische Regierungssprecher Mohammed al-Momani am Montag.

An den Massenprotesten im Grenzbereich seien rund 40'000 Menschen beteiligt gewesen, sagte der israelische Militärsprecher Ronen Manelis Journalisten. Drei Terrorzellen mit Schusswaffen hätten versucht, israelische Soldaten anzugreifen. Es seien Brandflaschen, Sprengsätze und Lenkdrachen mit Brandsätzen gegen die israelische Seite eingesetzt worden.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas warf Israel ein «Massaker» vor. Abbas ordnete am Montag eine dreitägige Staatstrauer an und erklärte in Ramallah im Westjordanland, die USA seien «nicht länger ein Vermittler im Nahen Osten». Die von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte US-Botschaft sei gleichbedeutend mit «einem neuen amerikanischen Siedler-Aussenposten».

Auch die Hamas sprach von einem «schreckliches Massaker». Die israelische Luftwaffe flog als Reaktion «auf die gewaltsamen Aktionen der Hamas in den vergangenen Stunden» einen Angriff auf ein militärisches Ausbildungslager der Hamas im Norden des Gazastreifens, wie die Armee mitteilte.

Nur 33 von 86 Ländern sagten Teilnahme zu

Zur Eröffnung der Botschaft waren rund 800 Gäste eingeladen gewesen. Nach israelischen Angaben wurden alle 86 Länder mit diplomatischen Vertretungen eingeladen, von denen aber nur 33 ihre Teilnahme zusagten. Während Ungarn, Rumänien und Tschechien Vertreter schickten, fehlten Repräsentanten der westeuropäischen Staaten, darunter auch Deutschland.

An der Feier nahmen US-Finanzminister Steven Mnuchin, Präsidententochter Ivanka Trump sowie ihr Mann und Trump-Berater Jared Kushner teil. Kushner betonte, die US-Regierung werde sich weiter um ein Friedensabkommen zwischen Israelis und Palästinensern bemühen.

Die USA seien entschlossen, dabei zu helfen, «einen nachhaltigen Frieden zu schaffen». In Bezug auf die zeitgleichen tödlichen Proteste an der befestigten Grenzanlage des Gazastreifens sagte Kushner: «Diejenigen, die Gewalt provozieren, sind Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.»

Kritik aus Russland

Russland kritisierte die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem als Gefahr für den Frieden in der Region, wie Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau sagte.

Aussenminister Sergej Lawrow sagte zudem bei einem Treffen mit seinem ägyptischen Amtskollegen Samih Schukri, der Status von Jerusalem sei ein zentraler Punkt des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern. Dieser Streit könne nur im Dialog gelöst werden und nicht einseitig durch ein Land. Russland sei bereit, einen solchen Dialog zu unterstützen, sagte der Aussenminister. (SDA)

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