Russland-Experte über Kremlchef
«Wenn es so weitergeht, wird Putin innert eines Jahres stürzen»

Immer heftigere Rückschläge und kaum noch Rückhalt in der eigenen Bevölkerung: Für Russland-Präsident Wladimir Putin wird es eng. Ein Experte bezweifelt, dass sich Putin noch lange an der Macht halten kann.
Publiziert: 09.10.2022 um 11:32 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2022 um 14:10 Uhr

Russland gerät im Ukraine-Krieg immer mehr unter Druck. Auch Präsident Wladimir Putin (70) geniesst im Kreml längst nicht mehr den gewohnten Rückhalt. Hinter den Kulissen regt sich Widerstand. Russische Lokalpolitiker starteten sogar eine Petition, um den Präsidenten abzusetzen.

Auch der Journalist und Chefermittler der Recherche-Gruppe Bellingcat, Christo Grozew, sagt, Putin stehe unter massivem Druck. «Derzeit verändert Putin die Kriegsstrategie im Wochenrhythmus», sagt Grozew in einem Interview mit der «SonntagsZeitung».

Putin könnte 2024 nicht mehr als Präsident kandidieren
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Russland-Experte Ulrich Schmid:Putin könnte 2024 nicht mehr als Präsident kandidieren
Der Widerstand gegen Wladimir Putin wächst. (Symbolbild)
Foto: keystone-sda.ch
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Auch Kriegsbefürworter gegen Putin

Erst habe Putin versucht, die Ukraine «im Handstreich» einzunehmen. Das habe aber nicht geklappt. Deswegen habe er private Söldnertruppen und sogar Gefangene an die Front – ebenfalls ohne Erfolg. «Jetzt gibt es offenbar auch massive Probleme mit der Teilmobilmachung. Und das sehen auch die Machteliten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch viel länger mitmachen», so der Experte.

Mittlerweile habe Putin nicht nur Kriegsgegner, sondern auch Befürworter gegen sich. Diese würden ihm vorwerfen, dass seine zögerliche Reaktion nach den herben Niederlagen rund um Kiew und im Osten des Landes für Blutvergiessen sorgen würden. Grozew ist daher sicher: «Wenn es so weitergeht, wird Putin innert eines Jahres stürzen.» Und er warnt: «Es könnte dabei auch zu grossem Blutvergiessen kommen.»

Wie lange bleibt Putin noch?

Derzeit kommt es in Russland aber noch nicht zu grossen Protesten. Das liege vor allem an der brutalen Reaktion auf die Proteste. «Die Leute werden niedergeprügelt, verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt», so der Bellingcat-Journalist zur «SonntagsZeitung». Allerdings sehe man bei der Suchmaschine Yandex, dem russischen Pendant zu Google, eine stark ansteigende Unzufriedenheit. Am Tag der Mobilisierung war eine der häufigsten Anfragen, wann die nächsten Präsidentschaftswahlen stattfinden.

«Wenn Putin durch ein Wunder beim nächsten regulären Wahltermin 2024 noch an der Macht ist, werden viele Menschen gegen ihn stimmen», ist Grozew denn auch überzeugt. Weil Putin in diesem Falle aber die Wahlen wohl fälschen lassen würde, käme es wohl zu grösseren Protesten.

Ob Putin sich bis dann an seine Macht klammern kann, ist für den Russland-Experten aber stark fragwürdig. (zis)

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