Rückkehrer brachten Virus ins Land ohne Massnahmen
So versagte Erdogan in der Krise

Lange Zeit ignorierte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan (66) die Gefahr des Coronavirus. Ein grosser Andrang von Rückkehrer brachte das Virus ins Land – während es dort noch kaum Massnahmen gab.
Publiziert: 12.05.2020 um 19:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2020 um 21:38 Uhr

Kein Land ausserhalb Europas und der USA trifft die Corona-Pandemie so hart wie die Türkei. Nach offiziellen Zahlen sind es über 140'000 Infizierte und mehr als 2000 Todesopfer. Die Testkapazität ist limitiert – es dürfte also noch weit mehr Betroffene geben.

Ausgewertete Handydaten durch das deutsche Mess- und Beratungsunternehmen Umlaut, die der «Welt» vorliegen, zeigen nun das Versäumnis der Regierung rund um den Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die Rede ist von einem umgekehrten Ischgl-Effekt und hastigem Handeln des Präsidenten.

Durch Heimkehrer und lockere Massnahmen explodierten die Zahlen

Zwischen dem 8. und 12. März mussten wegen der Massnahmen in anderen Länder Tausende Besitzer von türkischen SIM-Karten in die Türkei zurückreisen. In der Türkei galten hingegen noch keine strengen Massnahmen. Lediglich wer zur Risikogruppe gehörte, sollte seine Kontakte minimieren – ein fataler Fehler.

Die Türkei provozierte einen umgekehrten Ischgl-Effekt.
Foto: Zvg
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Denn viele der Heimkehrer schleppten wohl das Virus ins Land. Am 11. März gab es den ersten bestätigten Fall. Ohne Massnahmen konnte sich dann das Coronavirus ungehindert verbreiten. Bis Ende März explodierte die Zahl um das Siebenfache auf über 10'000 Corona-Infizierte.

Dieser Effekt erinnert an den österreichischen Skiort Ischgl. In umgekehrter Reihenfolge. Dort hatten sich Touristen in den Ski-Ferien gegenseitig angesteckt und das Virus dann in ihren Heimatländern verbreitet.

Erdogans plötzliche Ausgangssperre löst Panikkäufe aus

Erst im April, als die Corona-Pandemie die Türkei bereits im Würgegriff hatte und sich das Virus schnell verbreitete, reagierte die Regierung — wiederum falsch. Denn Präsident Erdogan hatte eine Wochenende-Ausgangssperre für 31 türkische Städte angeordnet.

Das Problem: Er tat dies am Freitag den 10. April und gab den Städten nur drei Stunden Zeit zum reagieren. Dies löste Panik aus: Menschen stürmten im ganzen Land in die Supermärkte. Dadurch stieg in den darauffolgenden Wochen die Zahl der Infizierten weiter an.

65 Prozent der Nutzer bewegten sich nur einen Kilometer zu Hause

Mittlerweile hat sich die Situation in der Türkei beruhigt. In der vergangenen Woche stieg die Zahl aller erfassten Fälle nur um knapp neun Prozent. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Leute im Verlauf der Pandemie immer weniger bewegt haben.

Dies geht aus den Umlaut-Auswertungen hervor: «Wie wir fast weltweit beobachten können, haben auch die Menschen in der Türkei besonnen und ruhig agiert. Und sind zu Hause geblieben», sagt Umlaut-Chef Hakan Ekmen der «Welt».

Als Beispiel nennt Ekmen das Bewegungsmuster in Istanbul. Ende Februar hatten noch mehr als 40 Prozent der Handynutzer in der Stadt am Bosporus einen Bewegungsradius von mehr als 15 Kilometern. Ab April schrumpft dieser dann deutlich: 65 Prozent der Nutzer bewegten sich maximal nur einen Kilometer von zu Hause. (sib)

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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