Regime-Kritiker wohl lebendig zersägt
Darum wollten die Saudis Khashoggi loswerden

Der saudische Journalist Jamal Khashoggi hoffte vergebens auf Reformen in seinem Land. Vermutlich musste er wegen seiner offenen Kritik einen qualvollen Tod sterben.
Publiziert: 18.10.2018 um 01:06 Uhr
|
Aktualisiert: 19.10.2018 um 10:44 Uhr
Wurde Khashoggi zerstückelt?
1:24
Türkische Zeitung berichtet:Wurde Khashoggi zerstückelt?
Guido Felder

Der Fall des saudi-arabischen Regimekritikers Jamal Khashoggi (60) entwickelt sich zum wahren Thriller. Nach seinem Verschwinden am 2. Oktober sind nun offenbar Tonaufnahmen aufgetaucht, welche die Folterung und Ermordung im Saudi-Konsulat in Istanbul dokumentieren. Der Mitschnitt belegt sieben Minuten des blanken Horrors.

Henker mit Säge und Kopfhörer

In den Aufnahmen, die Khashoggi via Apple Watch auf das Mobiltelefon seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz übertragen konnte, seien markerschütternde Schreie zu hören. Man könne erkennen, dass er in ein Zimmer gezerrt werde und eine Spritze verpasst bekomme. Dann werde es kurz still, berichtet das Nachrichtenportal «Middle East Eye».

Soll Khashoggi zersägt haben: Salah Muhammed Al Tubaigy.
Foto: Twitter
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Danach habe der saudische Gerichtsmediziner Salah Muhammed Al-Tubaigy begonnen, den noch lebenden Körper zu zersägen. Er habe einen Kopfhörer aufgesetzt und seinen Kollegen gesagt: «Wenn ich diesen Job mache, höre ich Musik. Ihr solltet das auch tun.»

Früher Sympathisant von Bin Laden

Die Henker stammen offenbar aus dem Umfeld des saudi-arabischen Prinzen Mohammed bin Salman (33). Das wollen türkische Ermittler mit einem Gesichtserkennungsprogramm herausgefunden haben. Khashoggi stand beim saudischen Königshof seit Jahren auf der schwarzen Liste, weil er sich kritisch gegen die Monarchen äusserte.

Der Journalist hegte früher grosse Sympathien mit Dschihadisten. Er schwärmte sogar für Osama bin Laden (1957–2011), den er interviewen konnte, als der noch Freiheitskämpfer war. Der Wandel Bin Ladens zum Terroristen bewirkte aber auch bei Khashoggi ein Umdenken.

Schreibverbot für Khashoggi

Als Chefredaktor der renommierten saudischen Zeitung «Al-Watan» (deutsch: «Die Heimat») musste er den Sessel räumen, nachdem das Medium den Salafismus und die strenge Auslegung des Islams kritisiert hatte. Als der Arabische Frühling ausbrach, hoffte Khashoggi vergebens auf Reformen in seinem Land. Sein TV-Sender, den er 2015 mit dem Interview eines schiitischen Oppositionspolitikers eröffnete, wurde wieder geschlossen.

Khashoggi hatte gegen die Politik des Kronprinzen immer mehr opponiert, sei es bei der Isolierung Katars, dem Krieg in Jemen oder der Annäherung an Israel auf Kosten der Palästinenser. Mohammed bin Salman stiess diese Kritik sauer auf: Khashoggi wurde zur Persona non grata, erhielt Schreibverbot, viele Freunde wurden verhaftet.

«Der Prinz hat keine Toleranz»

2015 setzte sich Khashoggi in die USA ab, wo er seine Kritik fortsetzen konnte. Knapp drei Monate vor seinem Verschwinden gab er der «Süddeutschen Zeitung» ein Interview, in dem er offen über den Kronprinzen sagte: «Politische Reformen existieren nicht, sie sind nicht auf seiner Agenda, dafür hat er keine Toleranz und er denkt nicht, dass wir, das saudi-arabische Volk, sie verdienen oder weit genug dafür sind. Er will uns schlicht und einfach führen.»

Kritik flammt auf

Trotz seines Exils ist es den saudischen Behörden offenbar gelungen, Khashoggi in der Türkei in die Falle zu locken, als er sich Papiere für seine Hochzeit beschaffen wollte. Doch mit dem mutmasslichen Mord ist seine Stimme nicht verstummt. Im Gegenteil: Sollte sich der schreckliche Mordverdacht gegen das Königshaus erhärten, werden Khashoggis kritische Äusserungen posthum erst recht auf Aufmerksamkeit stossen. 

«Arabische Welt braucht Meinungsfreiheit»
Saudis unter Druck

Die USA und andere westliche Industriestaaten lassen im Fall Khashoggi nicht locker. Die G7 forderte von der saudischen Führung in Riad eine gründliche, transparente und rasche Untersuchung. US-Präsident Donald Trump entsandte eigens seinen Aussenminister Mike Pompeo zu den Saudis – er soll persönlich Licht ins Dunkel bringen.

Nach Gesprächen mit dem saudischen König und Kronprinzen reiste Pompeo gestern in die Türkei weiter, um dort mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan das Vorgehen zu besprechen. 

Trump selber nahm das befreundete saudische Königshaus in Schutz. Via Twitter liess er verlauten, dass ihm von Kronprinz Mohammed bin Salman zugesichert worden sei, dass die Untersuchungen zum Verbleib von Khashoggi ausgeweitet  würden. Zudem wehrte er sich gegen Vorverurteilungen.

Die USA und andere westliche Industriestaaten lassen im Fall Khashoggi nicht locker. Die G7 forderte von der saudischen Führung in Riad eine gründliche, transparente und rasche Untersuchung. US-Präsident Donald Trump entsandte eigens seinen Aussenminister Mike Pompeo zu den Saudis – er soll persönlich Licht ins Dunkel bringen.

Nach Gesprächen mit dem saudischen König und Kronprinzen reiste Pompeo gestern in die Türkei weiter, um dort mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan das Vorgehen zu besprechen. 

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Mehr
Der Fall Khashoggi

Seit dem 2. Oktober wird der saudische Regierungskritiker und Journalist Jamal Khashoggi vermisst. Die Anzeichen verdichten sich, dass der 59-Jährige im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet und zerstückelt wurde. Der saudische Regierung streitet aber nach wie vor ab, hinter dem Verschwinden des Journalisten zu stecken.

Die neuesten Entwicklungen und Enthüllungen erfahren Sie hier im News-Ticker zum Thema.

Der verschwundene saudiarabischen Journalist Jamal Khashoggi soll zunächst gefoltert und später enthauptet worden sein. (Archivbild)
Der verschwundene saudiarabischen Journalist Jamal Khashoggi soll zunächst gefoltert und später enthauptet worden sein. (Archivbild)
KEYSTONE/AP/HASAN JAMALI

Seit dem 2. Oktober wird der saudische Regierungskritiker und Journalist Jamal Khashoggi vermisst. Die Anzeichen verdichten sich, dass der 59-Jährige im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet und zerstückelt wurde. Der saudische Regierung streitet aber nach wie vor ab, hinter dem Verschwinden des Journalisten zu stecken.

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