«Das habe ich nicht kommen sehen»
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Amerikaner zum Biden-Rückzug:«Das habe ich nicht kommen sehen»

Reaktionen auf Rückzug
Demokraten würdigen Biden, Republikaner fordern sofortigen Rücktritt

Joe Biden gibt das Rennen um die US-Wahlen auf. Der amtierende Präsident hat dem seit Wochen wachsenden Druck nachgegeben. Als Ersatz unterstützt er seine Vize Kamala Harris. Das sagt die Welt.
Publiziert: 21.07.2024 um 20:52 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2024 um 14:05 Uhr
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Melissa MüllerRedaktorin News

«Es war die grösste Ehre meines Lebens, als euer Präsident zu dienen», schrieb US-Präsident Joe Biden (81) am Sonntagabend auf X. «Und obwohl es meine Absicht war, mich um eine Wiederwahl zu bemühen, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich zurücktrete», schrieb er weiter. Damit ist es offiziell: Biden wird nicht mehr für die Demokraten um die Wiederwahl zum Präsidenten kandidieren. Er gibt dem seit Wochen wachsendem Druck nach und zieht sich aus dem Rennen zurück.

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Wen er stattdessen gern im Rennen sehen würde, macht Biden nur wenige Minuten nach der Rücktrittsmeldung klar: Ebenfalls auf X schreibt der Präsident: «Meine allererste Entscheidung als Parteikandidat im Jahr 2020 war, Kamala Harris als meine Vizepräsidentin auszuwählen. Und es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe. Heute möchte ich meine volle Unterstützung dafür aussprechen, dass Kamala dieses Jahr die Kandidatin unserer Partei wird.» Er ruft die restlichen Parteimitglieder dazu auf, sich ebenso hinter die amtierende Vizepräsidentin zu stellen: «Demokraten – es ist Zeit, zusammenzukommen und Trump zu besiegen. Lasst es uns tun.» Das sagt die Welt zu der Verkündigung.

Kamala Harris

Kamala liess sich zunächst rund zwei Stunden Zeit, bis sie auf die Verkündigung einging. Dann veröffentlichte sie ein Statement, in dem sie Biden dankt. «Ich fühle mich geehrt, die Unterstützung des Präsidenten zu haben, und ich habe die Absicht, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen», schrieb sie weitergehend. «Im vergangenen Jahr bin ich durch das ganze Land gereist und habe mit den Amerikanern über die klare Wahl in dieser bedeutenden Wahl gesprochen. Und das werde ich auch in den kommenden Tagen und Wochen tun.» 

Joe Biden wird nicht mehr beim US-Präsidentschaftsrennen mitmachen.
Foto: IMAGO
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Die Vize zeigt sich zudem entschlossen, zu gewinnen: «Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um die Demokratische Partei zu vereinen – und unser Land zu vereinen – um Donald Trump und seine extreme Agenda des Projekts 2025 zu besiegen. Wir haben noch 107 Tage bis zum Wahltag. Gemeinsam werden wir kämpfen. Und gemeinsam werden wir gewinnen.»

Familie

Bidens Ehefrau, Jill Biden, fand zunächst keine grossen Worte – dafür teilte sie den Rückzugs-Beitrag mit einem Herz-Emoji. 

Mehr sagte dafür seine Enkelin, Naomi Biden. Auf X schrieb sie, sie sei «heute einfach nur stolz» auf ihren Grossvater. «Er hat unserem Land mit ganzer Seele und mit unübertroffener Auszeichnung gedient.» Sie ist sich sicher: «Er war nicht nur der effektivste Präsident unserer Zeit – und wird es auch weiterhin bleiben –, er hat sich wahrscheinlich bereits als der effektivste und wirkungsvollste Staatsdiener in der Geschichte unseres Landes etabliert.» Dank ihm sei die Welt nun eine bessere. 

Demokraten

Von den Demokraten war vor allem eins zu hören: Lob und Dankbarkeit. Der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer (73), sagte demnach: «Joe Biden war nicht nur ein grossartiger Präsident und ein grossartiger Gesetzgeber, sondern auch ein wirklich erstaunlicher Mensch.» Die Entscheidung, sich zurückzuziehen, sei nicht leicht gewesen. «Aber er hat wieder einmal sein Land, seine Partei und unsere Zukunft an erste Stelle gesetzt.» So habe Joe gezeigt, dass er ein «wahrer Patriot und grossartiger Amerikaner» ist. 

Senatorin Tammy Baldwin, eine Demokratin, die im umkämpften Bundesstaat Wisconsin zur Wiederwahl antritt, schliesst sich an. «Es war eine Ehre, mit Joe Biden zusammenzuarbeiten, um echte, bedeutsame Veränderungen für die arbeitenden Einwohner von Wisconsin in unserem gesamten Bundesstaat herbeizuführen», betont sie.

Das politische Schwergewicht Bernie Sanders schrieb derweil auf Instagram, Biden habe den USA «mit Ehre und Würde gedient» und bedankte sich. «Als erster Präsident, der mit streikenden Arbeitern an einem Streikposten teilnahm, war er der arbeiterfreundlichste Präsident in der modernen amerikanischen Geschichte.»

Der Vorsitzende des Nationalen Komitees der Demokraten, Jaime Harrison, bedankte sich ebenso. «Ich bin gerührt über die Entscheidung des Präsidenten», betonte er während eines Meetings. «Joe Biden, war ein Präsident des Wandels, er war eine grosse Führungspersönlichkeit, er ist ein guter Mann, ein anständiger Mann, der so viel für diese Nation getan hat, der so viel getan hat, um uns als Menschen zu sehen, um uns zu schätzen, um für uns zu kämpfen.» 

«In Kürze wird das amerikanische Volk von der Demokratischen Partei über die nächsten Schritte und den weiteren Verlauf des Nominierungsprozesses hören», betonte Harrison zudem. «Dieser Prozess wird nach den etablierten Regeln und Verfahren der Partei ablaufen», heisst es in einer entsprechenden Mitteilung. «Unsere Delegierten sind bereit, ihre Verantwortung ernst zu nehmen und dem amerikanischen Volk rasch einen Kandidaten zu präsentieren.»

Trump

Donald Trump, der republikanische Kandidat und ehemalige US-Präsident, bezeichnete Biden in einer ersten Reaktion auf den Rückzug gegenüber CNN als «den mit Abstand schlechtesten Präsidenten in der Geschichte unseres Landes». Auf seinem sozialen Mediennetzwerk «Truth Social» schrieb Trump zudem: «Der korrupte Joe Biden war nicht geeignet, als Präsident zu kandidieren, und ist sicherlich nicht geeignet, das Amt innezuhalten – und war es nie!» Weiter ging er auf den Druck der vergangenen Wochen ein, indem er schrieb: «Alle um ihn herum, einschliesslich seines Arztes und der Medien, wussten, dass er nicht geeignet war, Präsident zu sein, und das war er auch nicht.» 

Trump scheint sich des Sieges nach Bidens Rückzug aus der Kandidatur nun sicher: «Wir werden sehr unter seiner Präsidentschaft leiden, aber wir werden den Schaden, den er angerichtet hat, sehr schnell wiedergutmachen. Machen wir Amerika wieder grossartig!» 

Donald Trump Junior hetzte derweil gegen Harris. «Sie besitzt die gesamte linke politische Bilanz von Joe Biden», so der Trump-Sohn. «Der einzige Unterschied ist, dass sie noch liberaler und weniger kompetent ist als Joe, was wirklich etwas heissen will.» 

Republikaner

Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, hat Biden aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten. «Wenn Joe Biden nicht in der Lage ist, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, ist er auch nicht in der Lage, als Präsident zu dienen. Er muss sofort von seinem Amt zurücktreten», schrieb Johnson auf X. «Der 5. November kann nicht früh genug kommen.»

Auch der republikanische Senator Rick Scott ist der Meinung, Biden sollte schon jetzt den Posten räumen. «Biden ist nicht für das Amt des Präsidenten in den verbleibenden Monaten qualifiziert und muss zurücktreten», forderte der Politiker.

Bill und Hillary Clinton

Der ehemalige Präsident Bill Clinton und seine Frau Hillary Clinton stellen sich hinter Kamala Harris. Das gaben sie in einer Mitteilung auf X bekannt: «Es ist uns eine Ehre, gemeinsam mit dem Präsidenten Vizepräsidentin Harris zu unterstützen und wir werden alles tun, was wir können, um sie zu unterstützen.»

Zudem bedankte sich das Spitzenpolitiker-Ehepaar bei Biden: «Wir schliessen uns Millionen von Amerikanern an und danken Präsident Biden für alles, was er erreicht hat. Dafür, dass er sich immer wieder für Amerika eingesetzt hat und sein Leitstern stets das Beste für das Land war.»

Obama

Der demokratische Biden-Vorgänger Barack Obama dankte dem Präsidenten. In einem ausführlichen Statement vom Büro von ihm und seiner Frau Michelle Obama, heisst es, der Rückzug sei ein «Beweis für Joe Bidens Liebe zu seinem Land – und ein historisches Beispiel für einen echten Staatsdiener, der einmal mehr die Interessen des amerikanischen Volkes über seine eigenen stellt. Zukünftige Generationen von Staatsoberhäuptern täten gut daran, sich ein Beispiel zu nehmen.» 

Hinter Harris stellte sich Obama zunächst nicht. «Wir werden in den kommenden Tagen unbekannte Gewässer befahren», so die Mitteilung weiter. «Aber ich habe ausserordentliches Vertrauen, dass die Führer unserer Partei in der Lage sein werden, einen Prozess zu schaffen, aus dem ein hervorragender Kandidat hervorgeht.» 

Kreml

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, Russland würde die Lage nach dem Biden-Rückzug «genau beobachten.» Weiter gab er bekannt, dass Biden für Putin der präferiere Kandidat gewesen sein. Unklar blieb zunächst, wieso. Putin und Biden pflegten keine enge Beziehung und haben seit dem Ukraine-Krieg kaum miteinander gesprochen. Allerdings waren Bidens Prognosen in den vergangenen Wochen desaströs, was die Chancen auf einen Sieg für Trump erhöhte. Trump behauptete mehrfach, er habe eine gute Beziehung zu Putin. 

Elon Musk

Tech-Milliardär Elon Musk will über den Rückzug Joe Bidens schon vor dem Bekanntwerden gewusst haben. «Ich habe letzte Woche gehört, dass er sich genau zu diesem Zeitpunkt zurückziehen würde. Das war in DC allgemein bekannt», schrieb er auf seiner Plattform X. Dann sagt er: «Die wirklichen Kräfte, die an der Macht sind, entledigen sich der alten Marionette zugunsten einer, die eine bessere Chance hat, die Öffentlichkeit zu täuschen. Sie fürchten Trump, weil er keine Marionette ist.» 

Scholz

Der Verzicht von Joe Biden auf eine weitere Präsidentschaftskandidatur in den USA verdient nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (66) Respekt. «Mein Freund Joe Biden hat viel erreicht: für sein Land, für Europa, die Welt», schrieb Scholz auf der Plattform X. «Dank ihm ist die transatlantische Zusammenarbeit eng, die Nato stark, die USA ein guter und verlässlicher Partner für uns. Sein Entschluss, nicht noch einmal zu kandidieren, verdient Anerkennung.»

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