Putin und Erdogan verkünden Deal – USA will verantwortlich sein
So redet Trump sein Syrien-Desaster schön

Die Syrien-Politik von Donald Trump stösst sogar bei den Republikanern auf Kritik. Der US-Präsident versuchte sich am Mittwoch in Schönfärberei. Die Fakten sprechen aber gegen ihn.
Publiziert: 24.10.2019 um 03:24 Uhr
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Aktualisiert: 16.09.2020 um 16:49 Uhr
Einigen sich auf Waffenstillstand: Erdogan und Putin.
Foto: Getty Images
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Was seine Kritiker als gigantisches aussenpolitisches Desaster betrachten, versucht Donald Trump (73) als Glanztat zu verkaufen. In einer Ansprache am Mittwoch im Weissen Haus zog der US-Präsident eine von Selbstbeweihräucherung und Faktenleugnung durchsetzte Zwischenbilanz seiner Syrien-Politik.

Er habe damit einen «grossen Durchbruch für eine bessere Zukunft für Syrien und für den Nahen Osten erreicht». Von dem von Ankara verkündeten Stopp der Militäroffensive gegen kurdische Kämpfer ist Trump derart begeistert, dass er seine Türkei-Sanktionen wieder aufheben lässt.

Es sei nun ein «viel friedlicheres und stabileres» Gebiet an der Grenze zur Türkei geschaffen worden, schwärmt er. Und dies bezeichnet der US-Präsident vor allem als seinen eigenen Verdienst: Die USA «und niemand anderes» hätten dies erreicht.

Trump braucht Republikaner wegen Impeachment-Verfahren

Trump will vor allem die heimischen Kritiker in die Schranken weisen – die auch aus der eigenen Partei kommen. Der Republikanerchef im Senat, Mitch McConnell (77), hat wenige Tage zuvor in einem Aufsehen erregenden Zeitungsbeitrag den US-Truppenabzug aus Nordsyrien – mit dem Trump die türkische Invasion ermöglicht hat – als «schweren strategischen Fehler» gegeisselt. Für eine Resolution des von den Demokraten beherrschten Repräsentantenhauses gegen den Truppenabzug stimmten auch 129 Republikaner.

Angesichts des Amtsenthebungsverfahrens wegen der Ukraine-Affäre ist Trump essenziell auf den Rückhalt der eigenen Partei angewiesen. Und deswegen legt er sich mächtig ins Zeug, um die Folgen des US-Truppenabzugs und des türkischen Einmarsches im besten Licht erscheinen zu lassen. «Wir haben viele Leben gerettet», verkündet er.

Trump meint damit die fünftägige Waffenruhe, in die der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan (65) am Donnerstag bei einer Mission von US-Vizepräsident Mike Pence (60) in Ankara eingewilligt hatte. Seither zogen nach US-Angaben die kurdischen Kämpfer wie geplant aus der von der Türkei angestrebten «Sicherheitszone» ab. Das türkische Verteidigungsministerium hält deshalb «zum jetzigen Zeitpunkt» einen weiteren Militäreinsatz für nicht nötig.

«Wir haben das Leben vieler, vieler Kurden gerettet», behauptet Trump. Vielen Kurden wird das wie blanker Hohn in den Ohren klingen – und auch vielen seiner Kritiker in Washington. Denn ohne Trump hätte es die türkische Offensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien mutmasslich gar nicht erst gegeben. Mit dem US-Truppenabzug, den er nach einem Telefonat mit Erdogan vor zweieinhalb Wochen anordnete, räumte er den Weg für die türkische Armee frei.

Sieg für Amerika? Mitnichten

Trumps eklatanter Schönfärberei wird aber selbst aus der eigenen Regierung widersprochen. Der US-Sondergesandte für den Kampf gegen den IS, James Jeffrey (73), zeichnet am Mittwoch bei einer Kongressanhörung ein ganz anderes Lagebild. Er berichtet von «Kriegsverbrechen» während der türkischen Offensive. Er berichtet auch, dass mehr als hundert IS-Mitglieder die Flucht aus der Gefangenschaft gelungen sei: «Wir wissen nicht, wo sie sind.»

Trump beteuert dagegen, nur eine «kleine Zahl» von IS-Dschihadisten sei entkommen: «Und sie sind grossteils wieder eingefangen worden.» Viel wichtiger ist dem Präsidenten aber die Botschaft, dass er mit dem Syrien-Abzug sein Wahlkampfversprechen einhalte, die USA aus Konflikten herauszuhalten, die sie nichts angingen: Es sei nicht die Aufgabe der US-Streitkräfte, «den Weltpolizisten zu spielen».

Er habe einen Weg zum «Sieg für Amerika» eingeschlagen, versichert Trump. De facto hat er aber mit dem Syrien-Abzug den Einfluss der USA geschwächt – und andere gestärkt. Zu ihnen gehört Russland, das gemeinsame Militärpatrouillen mit der Türkei im syrischen Grenzgebiet vereinbart hat – und damit seinen Einfluss in Syrien nochmals ausweitet. Aber auch dies sieht Trump nicht als Bedrohung. In Syrien gibt es «viel Sand», hat er bereits neulich über die russische Rolle gespottet. «Also gibt es viel Sand, mit dem sie spielen können.» (SDA)

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