Putin schreckt vor nichts zurück
Russen nehmen mit Splitterbomben ukrainische Zivilisten ins Visier

Immer mehr Berichte aus der Ukraine lassen darauf schliessen, dass die russischen Streitkräfte nun mit Splitterbomben die Moral der Ukrainerinnen und Ukrainer brechen wollen.
Publiziert: 18.04.2022 um 18:07 Uhr

Russland steht mit dem Rücken zur Wand. Vom ursprünglichen Plan, die Ukraine innert weniger Tage einzunehmen, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Kaputte Militärfahrzeuge, ein gesunkenes Kriegsschiff und eine hohe Zahl gefallener Soldaten haben Putin bereits früh einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass die russischen Streitkräfte mit zunehmender Brutalität vorgehen – auch gegen Zivilisten. Putin braucht dringend einen Propagandasieg und schreckt offenbar vor nichts zurück.

Artilleriegranaten spucken kleine Pfeile aus

Wie die «Washington Post» berichtet, würden die Russen nun vermehrt Artilleriegranaten verwenden, die beim Einschlagen Tausende kleine Pfeile, sogenannte Fléchettes, wegschleudern. Mit einer Länge von drei Zentimetern sind sie zwar klein, für ungeschützte Zivilisten sind die Pfeile aber brandgefährlich und führen nicht selten zum Tod.

Diese Pfeile würden die Russen nun vermehrt verwenden. Sie sind zwar klein, können aber einen immensen Schaden anrichten.
Foto: Twitter
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«Fléchettes sind schmal geformt, um aerodynamische Stabilität zu erreichen und werden ähnlich wie Nägel hergestellt», sagt der Munitionsexperte Neil Gibson der «Washington Post».

Die Granaten sind so bestückt, dass sie über Infanterieformationen explodieren. Die Pfeile werden dabei so ausgespuckt, dass diese über ein Gebiet in der Grösse von drei Fussballfeldern verteilt werden. Auf einem offenen Feld haben Soldaten also praktisch keine Chance, den Pfeilen zu entkommen.

«Diese Waffen dienen einzig dazu, Menschen zu töten»

«Diese Waffen sind nicht dazu gedacht, Gebäude zu zerstören, sondern einzig und allein dazu, Menschen zu töten», sagt ein ukrainischer Chirurg zu «L'Express». Er spricht dabei aus eigener Erfahrung. «Diese Pfeile verursachen tiefe Wunden. Es ist uns schon passiert, dass wir bis zu 20 oder 30 Pfeile im Körper eines Verwundeten gefunden haben.»

Dass solche Fléchettes im Krieg eingesetzt werden, ist keinesfalls neu. Bereits im Ersten Weltkrieg wurden sie aus Flugzeugen abgeworfen. Auch die USA haben sie im Vietnam-Krieg verwendet. Seither kamen sie aber nur noch selten zum Einsatz. In modernen Kriegen haben sie laut Meinung der Experten faktisch ausgedient.

Im Ukraine-Krieg erleben die Fléchettes nun also ein Comeback. Mit katastrophalen Folgen für die Zivilbevölkerung. «Wenn man sich den Boden um mein Haus genau ansieht, findet man noch viel mehr davon», sagt Svitlana Chmut (54). Sie wohnt ausserhalb von Kiew in einem Haus mit Garten. Die Nägel fand sie am Morgen des 25. oder 26. März in ihrem Auto, wie sie der «Washington Post» sagt.

Anstatt ihr Gemüse zu ernten, muss sie nun die Pfeile aus den Beeten entfernen. Für den Munitionsexperten Neil Gibson stammen diese vermutlich von einem Artilleriegeschoss, das von russischen Truppen zurückgelassen wurde.

Einige Menschenrechtsorganisationen haben den Einsatz dieser Waffen bereits verurteilt. Obwohl die Fléchettes gemäss der internationalen Konventionen nicht verboten sind, sollten sie aber niemals in bebauten zivilen Gebieten eingesetzt werden, liess etwa Amnesty International verlauten. (ced)


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