Putin gibt erstmals militärische Schwäche zu
«Wir haben zu wenig von allem»

Wie schlecht steht es wirklich um das russische Militär? Diese Frage hat Kremlchef Putin am Dienstag beantwortet. Er gesteht viele Schwächen ein – zeigt sich aber weiterhin kämpferisch.
Publiziert: 14.06.2023 um 16:08 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2023 um 12:10 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Wladimir Putin (70) hielt am Dienstag eine Pressekonferenz vor russischen Journalisten. Wer genau hinhörte, bemerkte: Die Siegesgewissheit, mit der Putin die Presseleute normalerweise informiert, ist verflogen. Stattdessen gibt er einen ungewohnt ehrlichen Einblick in den Zustand der russischen Truppen. Blick hat seine wichtigsten Statements eingeordnet.

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«Wir haben 54 Panzer verloren, nicht alle können repariert werden.»
Wladimir Putin
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Putin gibt zu, dass sein Militär während der Gegenoffensive, die seit rund zehn Tagen läuft, bereits 54 Panzer verloren hat. Um was für Panzer es sich handelt, lässt er offen. Westliche Beobachter sind überrascht, wie auch der Journalist Kyle Glen auf Twitter festhält: «Wenn man bedenkt, dass die Verluste heruntergespielt werden, ist das ein beachtliches Eingeständnis.»

An einer Pressekonferenz gewährt Wladimir Putin (Mitte) einen seltenen Einblick in die Lage des russischen Militärs.
Foto: KREMLIN.RU
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Erstaunt über die hohen russischen Verluste ist auch das Oryx-Kollektiv, das seit Beginn des Krieges die Verluste Russlands dokumentiert. «Wir haben bisher nur zehn verlorene Panzer auf russischer Seite gezählt», twittern sie am Dienstag. Auch auf ukrainischer Seite habe man erst zehn Panzer-Verluste bestätigen können – statt der 160, die Putin in seiner Rede erwähnt.

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«Hochpräzisionsmunition, Kommunikationssysteme und Luftfahrzeuge, Drohnen und so weiter: Wir haben sie zwar, aber leider nicht in ausreichender Zahl.»
Wladimir Putin
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Es ist das wohl grösste Eingeständnis von Schwäche: Putin hat davor gewarnt, dass seinen Streitkräften die militärische Ausrüstung fehle, die sie benötigen, um den Krieg in der Ukraine zu gewinnen.

Über mangelnde Waffen spekulieren Experten schon länger. Man geht davon aus, dass der russische Munitionsmangel gross angelegte Invasion behindert und das russische Militär daran hindert, strategische Ziele aus der Ferne anzugreifen, wie «Politico» schreibt. Putins Ansprache am Dienstag bestätigt diese Vermutung nun.

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«Wir brauchen viele Dinge. Wir brauchen sowohl moderne Panzerabwehrwaffen als auch moderne Panzer.»
Wladimir Putin
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Weiter sagt Putin, dass die Waffenproduktion seit Beginn des Krieges zwar um das Dreifache zugenommen habe. Trotzdem kommt die Produktion nicht nach – so scheint es zumindest. Ausserdem ist es Russland aktuell nicht möglich, bessere Waffen zu produzieren, wie der russische Präsident zugibt.

Ein im April veröffentlichter Bericht des Zentrums für Strategische und Internationale Studien belegt dies. Westliche Sanktionen hindern Russland daran, die für die Herstellung fortschrittlicher Waffen erforderlichen Komponenten einzuführen. «Während sich die Qualität der von der ukrainischen Armee verwendeten militärischen Ausrüstung dank der westlichen Hilfe weiter verbessert, verschlechtert sich die Qualität der russischen Waffen weiter», heisst es in der Analyse.

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«Unser Luftabwehrsystem ist auf Raketen und Flugzeuge geeicht. Drohnen kann es nur schwer entdecken.»
Wladimir Putin
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Mit diesem Zitat erinnert Putin an die Drohnenangriffe auf den Kreml und auf ganz Moskau, die im Mai durchgeführt wurden. Jetzt soll das Luftabwehrsystem umgepolt werden. Wie, verrät er nicht. «Natürlich wäre es besser, wenn dies rechtzeitig und auf der richtigen Ebene geschehen wäre», räumt er dennoch ein. «Dennoch wird diese Arbeit durchgeführt, und ich wiederhole noch einmal, ich bin sicher, dass diese Aufgaben gelöst werden.»

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«Wir haben je nach Situation unterschiedliche Pläne.»
Wladimir Putin
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Angesprochen auf die laufende Gegenoffensive der Ukraine, scheint Putin etwas überfordert. Wo sonst Siegesgewissheit seine Worte dominiert, macht sich Ratlosigkeit breit. Das klare Ziel, dass der Kremlchef noch zu Beginn des Krieges vor Augen hatte, scheint verschwunden zu sein.

Nun kommt «alles auf das ukrainische Potenzial nach der Offensive an». «Wir werden sehen, wie sich die Situation entwickelt. Auf dieser Grundlage werden wir weitere Schritte unternehmen. Wir haben je nach Situation unterschiedliche Pläne, die sich entwickeln werden, wenn wir es für richtig halten, etwas zu tun.»

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