Mit Gülle gegen die Regierung
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Bauern protestieren:Mit Gülle gegen die niederländische Regierung

Proteste in den Niederlanden
Bauern attackieren Polizei mit Gülle-Dusche

In den Niederlanden wehren sich die Bauern seit Wochen gegen Pläne der Regierung, die Viehbestände im Land drastisch einzuschränken. Dabei blockieren sie Strassen und Supermärkte, decken Polizei und Behörden mit Gülle ein.
Publiziert: 07.07.2022 um 21:09 Uhr
Georg Nopper

Die Bauern in den Niederlanden demonstrieren ihre Macht. Seit Wochen blockieren sie Strassen und Verteilzentren von Supermärkten, fahren mit ihren Traktoren bei Behörden vor und decken Polizei und Regierungsgebäude mit Mist-Barrikaden und Gülle-Duschen ein.

Auch in der Nacht auf Donnerstag kam es zu Zusammenstössen zwischen Bauern und Sicherheitskräften. In Blijswijk bei Den Haag haben Einsatzkräfte eingegriffen und eine Blockade mehrerer Grosslager von Supermärkten aufgelöst. 19 Demonstranten wurden vorläufig festgenommen. Proteste gab es auch an anderen Orten im Land. So demonstrierten rund 200 Bauern mit Landwirtschaftsmaschinen vor der Provinzverwaltung in Arnheim. An anderen Orten steckten Landwirte Heuballen entlang von Autobahnen in Brand.

Polizei schiesst scharf

Am Dienstagabend waren sogar Schüsse gefallen. Traktorfahrer seien in Heerenveen im Norden des Landes auf Polizisten und Polizeiautos zugefahren. Eine «bedrohliche Lage» sei entstanden, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Die Beamten gaben Warnschüsse und auch gezielte Schüsse ab. Ein Traktor sei getroffen worden. Dazu werde nun ermittelt.

Hier geht nichts mehr: Blockierte Autobahn zwischen den Ortschaften Apeldoorn and Stroe im Zentrum des Landes.
Foto: IMAGO/ANP
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Die Wut der Bauern richtet sich gegen die Pläne der Regierung, den Stickoxidausstoss im Land massiv zu senken. Um ihre Klimaziele bis 2030 zu erfüllen, will sie in 131 Gebieten den Stickoxidausstoss um bis zu 70 Prozent senken. Insgesamt soll der Ausstoss in den Niederlanden bis zum Ende des Jahrzehnts um 50 Prozent gesenkt werden. Für die Bauern bedeutet dies, dass sie den Viehbestand drastisch reduzieren müssen.

«Nicht alle Bauern werden durchkommen»

Die Bauern befürchten, dass viele Landwirtschaftsbetriebe – vermutlich vor allem die kleineren unter ihnen – nicht überleben werden. Die zuständige Ministerin Christianne van der Wal (48) sagte es gleich selber: «Nicht alle Bauern werden mit ihrem Hof durchkommen.» Berechnungen der Regierung zufolge werden etwa 30 Prozent der Viehbetriebe nicht überleben.

Die Niederländer sind nach den USA die zweitgrössten Agrarexporteure der Welt. Vor allem die Viehzucht gilt als Ursache für Treibhausgasemissionen. Der Mist, den die Tiere produzieren, ist laut Umweltwissenschaftlern Quelle des klimawirksamen Lachgases und seiner Vorläufersubstanzen Stickoxid und Stickstoff. Auch beim Ausbringen von Dünger auf die Felder entsteht Lachgas. Zudem entstehen bei der Viehhaltung Methan-Emissionen – bei Verdauungsprozessen von Rindern und Schafen und der Lagerung von Mist und Gülle.

Aktion vor dem Haus von Politikerin

Ministerin van der Wal bekommt die Wut der Bauern auch ganz direkt zu spüren: Vor ihrem Haus östlich von Amsterdam kam es wiederholt zu Protestkundgebungen. Vor rund einer Woche durchbrachen die Bauern dort mit ihren Traktoren eine Polizeiabsperrung und entleerten über dem Haus der Politikerin einen Gülletank. Die Situation sei bedrohlich und inakzeptabel gewesen, erklärt die Polizei. Es seien «Grenzen überschritten» worden.

Jetzt fordert die Regierung die Bauern zu Gesprächen auf. Dazu setzte sie den früheren Minister Johan Remkes (71) als Vermittler ein. Der grösste Interessensverband LTO und andere Organisationen lehnen Gespräche mit Remkes jedoch ab – schliesslich sei er selbst mitverantwortlich für die Stickstoff-Politik der Regierung.

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