Pflege-Skandal in England
Spitalpersonal schaltet Alarm aus – Baby Louella stirbt

Louella Sheridan kam mit einer Herzerkrankung auf die Welt. Nur zwei Monate nach ihrer Geburt starb das Mädchen. Dazu trug das Verhalten des Spitalpersonals im Royal Bolton Hospital im englischen Farnworth bei.
Publiziert: 22.12.2023 um 16:00 Uhr
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Marian NadlerRedaktor News

Louella Sheridans Leben war von Anfang an ein Kampf. Das kleine Mädchen kam mit einer angeborenen Herzerkrankung zur Welt. Nach ihrer Geburt wurde sie zunächst im Alder Hey's Kinderspital in Liverpool behandelt und operiert. Trotz ihrer Erkrankung gingen die Mediziner davon aus, dass ihr ein «vergleichsweise normales Leben» bevorsteht und sie durfte nach Hause, wie «Manchester Evening News» berichtete.

Die Freude über das neue Familienglück hielt aber nicht lange. Louellas Vater Granville wurde positiv auf Covid-19 getestet und die ebenfalls mit dem Virus infizierte Louella kam am 22. April ins Royal Bolton Hospital im englischen Farnworth.

Ihr Ringen mit dem Tod dauerte gerade einmal zwei Monate. Am 24. April des vergangenen Jahres starb sie auf der Kinderstation des Royal Boston. Doch hätte es wirklich so weit kommen müssen?

Louella Sheridan starb im Alter von nur zwei Monaten, weil das Spitalpersonal sie vernachlässigte.
Foto: Instagram @cquigley96x
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Wie jetzt herauskommt, hat das Spitalpersonal das Baby in seinem Kampf gegen den Tod komplett alleine gelassen. Das ergab eine Untersuchung. Die Pfleger hatten die lebenserhaltenden Maschinen stummgeschaltet und vier verschiedene Alarme ignoriert und anschliessend abgeschaltet.

Richtwerte für erwachsene Person verwendet

Eine Krankenschwester habe sich am Abend des 23. April an sie gewandt und gesagt, sie habe «es satt, dieses Piepen» der Maschinen zu hören, die mit dem Säugling verbunden waren, sagte Louellas Mutter Casey nun vor Gericht. Casey hatte in der Zeit vor dem Tod ihrer Tochter an ihrem Bett ausgeharrt.

Am 23. April um 7 Uhr morgens startete Casey einen Videoanruf mit Granville. Granville fiel sofort auf, dass Louella «nicht richtig aussah». Casey rief eine Krankenschwester, die sofort Ärzte verständigte, die das Kind wiederbeleben sollten. Doch der Hilferuf kam zu spät.

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Eine Pflegerin hatte nach eigener Aussage in der Nacht zum 24. April eine zweistündige Essenspause eingelegt und in dieser Zeit den Alarm auf Louellas Monitor wiederholt erst stumm- und dann ausgeschaltet. Der Alarm hätte das Personal auf die Sauerstoffsättigung in Louellas Blut aufmerksam machen sollen. Insgesamt wurden bis zum Tod des Mädchens vier Alarme ausgelöst, neben dem für die Sauerstoffsättigung auch die für Atemfrequenz, Herzfrequenz und Blutdruck. Sie alle wurden laut dem Gerichtsmediziner ausgeschaltet. Er stellte ausserdem fest, dass die Krankenschwester die Parameter der Geräte nicht auf die Richtwerte für ein Kind umgestellt hatte, stattdessen wurden die Richtwerte für einen Erwachsenen verwendet.

Damit nicht genug, hatte niemand daran gedacht, für das positiv auf Corona getestete Kind die entsprechenden Behandlungsmassnahmen zu ergreifen. Eine Krankenschwester liess zudem die Tür zum Spitalzimmer einfach offen, obwohl das Kind infektiös war. Nach dem Schichtwechsel soll einer Pflegerin laut der Untersuchung aufgefallen sein, dass die Alarme an Louellas Geräten stummgeschaltet waren, sie unternahm aber nichts, um dies zu ändern. Die Krankenschwester gab später zu, dass sie den Fall hätte schneller eskalieren sollen.

Gerichtsmediziner stellt «grobes Versagen» fest

In seinem Fazit hielt der Gerichtsmediziner fest, dass die Pflege, die Louella im Royal Bolton erhielt «deutlich unter dem lag, was man von einem Spital erwarten würde». Das Abschalten der Alarme bezeichnete er als «grobes Versagen» und kam zu dem Schluss, dass Louellas Tod «durch Vernachlässigung begünstigt wurde».

Es sei Teil der Krankenhausrichtlinien gewesen, dass Alarme nicht ausgeschaltet werden sollen, dies habe man nun noch einmal gegenüber dem Personal betont, sagte eine Spital-Führungskraft vor Gericht. Die Kriminalpolizei hatte wegen grob fahrlässiger Tötung ermittelt, sieht aber eine Anklage trotz der vielen Versäumnisse nicht als gerechtfertigt an.

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«Louella war unser kostbares kleines Mädchen.»
Casey Sheridan, Mutter des verstorbenen Kindes
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Die Sheridans wollen nun verhindern, dass anderen Babys das Gleiche widerfährt. «Louella hätte eine Chance verdient zu leben. Als Familie sind wir der Meinung, dass die Vorgehensweise des Spitalpersonals ihr diese Chance genommen hat. In den 20 Monaten seit ihrem Tod verging kein Tag, an dem wir nicht an diese Nacht zurückdachten und uns wünschten, unsere Tochter wäre hier bei uns. Louella war unser kostbares kleines Mädchen.»

Es ist nicht die erste Spital-Tragödie um ein kleines Baby in Grossbritannien. Indi Gregory starb im November im Alter von 8 Monaten in einer Klinik in Nottingham. Ein Gericht hatte entschieden, dass die lebenserhaltenden Massnahmen für das Mädchen beendet werden mussten. Ihre Eltern hatten zuvor gegen die Entscheidung vor Gericht angekämpft. 

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