Obama kritisiert US-Ausstieg vom Iran-Deal scharf
Hat Trump die Atombombe ermöglicht?

Am Dienstagnachmittag löste Donald Trump ein weiteres Wahlversprechen ein. Die USA steigen aus dem Atomabkommen mit Iran aus. Der Entscheid des US-Präsidenten gefährde die Sicherheit der ganzen Welt, warnen Politiker.
Publiziert: 09.05.2018 um 02:08 Uhr
|
Aktualisiert: 13.09.2018 um 00:40 Uhr
USA ziehen sich aus dem Iran-Atomabkommen zurück
1:29
Trump sprach von einem «desaströsen Deal»:USA ziehen sich aus dem Iran-Atomabkommen zurück

Peinlich und gefährlich. So bezeichnete Donald Trump (71) das Atomabkommen mit dem Iran, als er der Welt am Dienstagnachmittag verkündete: Die USA steigt aus dem Deal aus.

Der US-Präsident ist sicher: Teheran hat trotz der Vereinbarung von 2015 sein Streben nach Atomwaffen fortgesetzt. «Wenn ich das Abkommen stehenlassen würde, gäbe es ein gefährliches atomares Aufrüsten im Nahen Osten.» 

Die USA werde nicht Geiseln von atomaren Drohungen sein, betonte Trump. Und klopfte sich danach gleich selber auf die Schultern: «Die Vereinigten Staaten machen keine leeren Drohungen mehr. Wenn ich etwas verspreche, halte ich es.»

Schärfste Wirtschaftssanktionen sollen folgen. Und wenn der Iran ein neues und langfristiges Abkommen schliessen wolle, sei Trump zu Verhandlungen bereit.

Die Sicherheit der Welt steht auf dem Spiel

Für Trumps Entscheid haben die weiteren Partner im Atom-Deal nur ein Kopfschütteln übrig. Emmanuel Macron versuchte bei seinem Besuch im Weissen Haus Ende April, an Trumps Vernunft zu appellieren. Frankreich, Deutschland und Grossbritannien bedauerten die US-Entscheidung, schreibt der französische Präsident auf Twitter. «Die internationale Regelung zur Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffen stehe auf dem Spiel.»

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Der Deal mit Iran sei äusserst wichtig für die Sicherheit der Region, Europas und der ganzen Welt, stimmte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini ein. Sie bestätigte, dass die Europäische Union an dem Atomabkommen festhalten will.

«So lange sich Iran an seine nuklearen Verpflichtungen hält – was er bislang tut – wird die EU der vollen Umsetzung des Abkommens verpflichtet bleiben», sagte Mogherini.

Obama warnt vor Krieg

Trump will mit dem Ausstieg ein atomares Aufrüsten verhindern. Er könnte aber genau das in Gang gebracht haben, warnt der frühere US-Präsident Barack Obama (56), der das Atomabkommen mitverhandelt hat. Obama bezeichnet Trumps Entscheid als «gravierenden Fehler». Nicht zuletzt, weil es von Seiten des Irans keine Verstösse gegeben habe.

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«Ein beunruhigendes Verhalten vom Iran ist weitaus gefährlicher, wenn ihr Atomprogramm nicht beobachtet wird», schreibt Obama in seiner Stellungnahme. Ein mögliches Eingreifen sei mit dem Iran-Deal um einiges einfacher.

«Gibt es keine Bedingungen mehr an das Atomprogramm, könnten wir den Zeitpunkt beschleunigen, an dem wir uns entscheiden müssen, ob wir mit dieser Bedrohung leben oder sie in einem Krieg verhindern wollen», warnt Obama. 

Schweizer Wirtschaft verunsichert

Auch hierzulande zeigt man sich besorgt über mögliche Folgen des US-Ausstiegs aus dem Atomabkommen. Der Entscheid Washingtons bedeute aber nicht das Ende des Abkommens, schreibt das Aussendepartement (EDA). Die Schweiz rufe alle Vertragspartner des Abkommens zur Zurückhaltung und Weiterführung auf, und sie setze sich für die Wahrung ihrer Interessen ein.
 
Die Rechtslage in der Schweiz betreffend den Iran ändere sich mit Entscheiden der USA zu Sanktionsthemen nicht, schreibt das EDA. Die Unsicherheit über die Zukunft des Abkommens erhöhe aber auch die Rechtsunsicherheit für Schweizer Firmen, die Handel mit dem Iran betreiben.

Jubel aus Israel

Während Trump von den meisten Seiten Hiebe kassiert, applaudiert Israel. Der Entscheid sei mutig und richtig, schreibt Benjamin Netanjahu und verspricht Trump seine volle Unterstützung. Der israelische Ministerpräsident behauptete Ende April, Iran hätte ein geheimes Atomarchiv und somit gegen die Auflagen des Deals verstossen.

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Das Abkommen hätte zu «einer Katastrophe für unsere Region, einer Katastrophe für den Weltfrieden» geführt. Irans Erzrivale Saudi-Arabien lobte den Schritt ebenfalls. 

Und der Iran? Präsident Hassan Ruhani hielt nicht lange mit seiner Reaktion zurück. Schon vor der Verkündung warnte Ruhani, die USA würden einen Ausstieg «mehr bereuen als je zuvor». Er sprach davon, in den nächsten Wochen mit der Uran-Anreicherung zu beginnen.

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Iran wolle sich nicht aus dem Abkommen zurückziehen. Da ändere auch Trumps Ausstieg nichts daran.

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«Wir haben statt eines Abkommens mit sechs Staaten nun eines mit fünf», teilte Ruhani mit. «Wir lassen nicht zu, dass Trump diesen psychologischen Krieg gewinnt.» (voi)

Lesen Sie in unserem Ticker nach, wie Trump seinen Bescheid verkündet hat.

Die wichtigsten Fragen rund um den Iran-Deal

1. Was steht im Atom-Deal?

Der Iran ist verpflichtet, Atomanlagen zu Forschungszentren umzubauen, damit keine Produkte für Atomwaffen mehr hergestellt werden können. Die Internationale Atomenergiebehörde erhält Zugang zu allen Atomanlagen, auch zu Kraftwerken und – bei Verdacht – zu Militäranlagen. Dafür sollen Wirtschaftssanktionen sowie Uno-Verbote zum Handel mit Waffen in den nächsten Jahren auslaufen. 

2. Warum lässt Trump den Deal platzen?

Trump ist der Vertrag zu lasch. Er bezeichnet es als «schrecklichen Fehler», dass der Iran ab 2025 wieder Uran in grösseren Mengen anreichern dürfte. Seine Forderungen: Der Iran dürfe sein Nuklearprogramm auch unter der Schwelle der Waffenfähigkeit nicht ausweiten und müsse internationalen Inspektoren uneingeschränkten Zugang gewähren. Trumps besonderes Ärgernis: Irans Aufrüstung der ballistischen Raketen sowie die kriegerische Expansion in der Region sind im Vertrag kein Thema.

3. Hält sich der Iran an den Vertrag?

Laut der Internationalen Atombehörde in Wien ja.

4. Wie wichtig ist der Deal für den Iran?

Ohne Deal würde das Land erneut isoliert. Die Reformer unter Präsident Hassan Rohani (69) stehen hinter ihm. Anders die Hardliner: Sie sagen, das Abkommen bringe dem Land wirtschaftlich nichts.

5. Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat ein Ausstieg der USA?

Der Deal steht bisher nur auf dem Papier, noch immer gelten Sanktionen gegen den Iran. Kurzfristig hätte der Deal daher keine sehr grossen Auswirkungen, die geplante Lockerung der Strafmassnahmen wären aber vom Tisch.

6. Was für Konsequenzen hat der Ausstieg innenpolitisch?

Der Deal war ein Erfolg der iranischen Reformer unter Präsident Rohani. Er sollte das Land dank Wirtschaftsreformen in die Moderne führen. Ein Ausstieg gäbe den Konservativen Auftrieb, Rohani geriete massiv ins Wanken. Irans Kurs nach Westen würde gestoppt.

7. Wie sähe das Worst-Case-Szenario aus?

Wenn der Iran auch aus andern Atombehörden und -verträgen austreten würde, dürfte das Land ohne internationale Aufsicht nach Belieben Uran anreichern. Eine Atombombe würde so in Griffnähe rücken. Wenn wieder religiöse Fanatiker an die Macht kämen, könnte dies sehr gefährlich werden!

8. Was sagen die andern Vertragsparteien?

Der Vertrag wurde 2015 von den USA, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Russland, China und dem Iran unterzeichnet. Um die Stabilität im Nahen Osten zu sichern, wollen die europäischen Länder daran festhalten. Dies bekräftigte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstagabend in Rom.

Frankreich, Deutschland und Grosbritannien bedauern Trumps Entscheid. Dies teilte der französische Präsident Emmanuel Macron am Dienstagabend auf Twitter mit.

9. Wie kam der Iran zu seinem Atomprogramm?

Es waren ausgerechnet die Amerikaner, die den Grundstein dazu legten. 1959 schenkte US-Präsident Dwight D. Eisenhower (†78) der Universität Teheran einen Forschungsreaktor. Es folgten Atom-Investitionen unter anderem der Deutschen und Franzosen. Nach der islamischen Revolution 1979 wurde die Atomenergie vorübergehend als «unislamisch» erklärt, das Programm aber bald wieder aufgenommen.

10. Was hat die Schweiz mit dem Deal zu tun?

Sie ist zwar keine Vertragspartei, hat aber massgeblich zum Abschluss des Deals von 2015 beigetragen. Die Schweiz hat vor knapp zehn Jahren das erste offizielle Treffen zwischen hohen Beamten aus dem Iran und den USA in Genf ermöglicht und auch später während der Gespräche vermittelt. (gf)

1. Was steht im Atom-Deal?

Der Iran ist verpflichtet, Atomanlagen zu Forschungszentren umzubauen, damit keine Produkte für Atomwaffen mehr hergestellt werden können. Die Internationale Atomenergiebehörde erhält Zugang zu allen Atomanlagen, auch zu Kraftwerken und – bei Verdacht – zu Militäranlagen. Dafür sollen Wirtschaftssanktionen sowie Uno-Verbote zum Handel mit Waffen in den nächsten Jahren auslaufen. 

2. Warum lässt Trump den Deal platzen?

Trump ist der Vertrag zu lasch. Er bezeichnet es als «schrecklichen Fehler», dass der Iran ab 2025 wieder Uran in grösseren Mengen anreichern dürfte. Seine Forderungen: Der Iran dürfe sein Nuklearprogramm auch unter der Schwelle der Waffenfähigkeit nicht ausweiten und müsse internationalen Inspektoren uneingeschränkten Zugang gewähren. Trumps besonderes Ärgernis: Irans Aufrüstung der ballistischen Raketen sowie die kriegerische Expansion in der Region sind im Vertrag kein Thema.

3. Hält sich der Iran an den Vertrag?

Laut der Internationalen Atombehörde in Wien ja.

4. Wie wichtig ist der Deal für den Iran?

Ohne Deal würde das Land erneut isoliert. Die Reformer unter Präsident Hassan Rohani (69) stehen hinter ihm. Anders die Hardliner: Sie sagen, das Abkommen bringe dem Land wirtschaftlich nichts.

5. Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat ein Ausstieg der USA?

Der Deal steht bisher nur auf dem Papier, noch immer gelten Sanktionen gegen den Iran. Kurzfristig hätte der Deal daher keine sehr grossen Auswirkungen, die geplante Lockerung der Strafmassnahmen wären aber vom Tisch.

6. Was für Konsequenzen hat der Ausstieg innenpolitisch?

Der Deal war ein Erfolg der iranischen Reformer unter Präsident Rohani. Er sollte das Land dank Wirtschaftsreformen in die Moderne führen. Ein Ausstieg gäbe den Konservativen Auftrieb, Rohani geriete massiv ins Wanken. Irans Kurs nach Westen würde gestoppt.

7. Wie sähe das Worst-Case-Szenario aus?

Wenn der Iran auch aus andern Atombehörden und -verträgen austreten würde, dürfte das Land ohne internationale Aufsicht nach Belieben Uran anreichern. Eine Atombombe würde so in Griffnähe rücken. Wenn wieder religiöse Fanatiker an die Macht kämen, könnte dies sehr gefährlich werden!

8. Was sagen die andern Vertragsparteien?

Der Vertrag wurde 2015 von den USA, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Russland, China und dem Iran unterzeichnet. Um die Stabilität im Nahen Osten zu sichern, wollen die europäischen Länder daran festhalten. Dies bekräftigte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstagabend in Rom.

Frankreich, Deutschland und Grosbritannien bedauern Trumps Entscheid. Dies teilte der französische Präsident Emmanuel Macron am Dienstagabend auf Twitter mit.

9. Wie kam der Iran zu seinem Atomprogramm?

Es waren ausgerechnet die Amerikaner, die den Grundstein dazu legten. 1959 schenkte US-Präsident Dwight D. Eisenhower (†78) der Universität Teheran einen Forschungsreaktor. Es folgten Atom-Investitionen unter anderem der Deutschen und Franzosen. Nach der islamischen Revolution 1979 wurde die Atomenergie vorübergehend als «unislamisch» erklärt, das Programm aber bald wieder aufgenommen.

10. Was hat die Schweiz mit dem Deal zu tun?

Sie ist zwar keine Vertragspartei, hat aber massgeblich zum Abschluss des Deals von 2015 beigetragen. Die Schweiz hat vor knapp zehn Jahren das erste offizielle Treffen zwischen hohen Beamten aus dem Iran und den USA in Genf ermöglicht und auch später während der Gespräche vermittelt. (gf)

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