Neue Form des Gas-Krieges
Das steckt hinter Putins fiesem Turbinen-Trick

Der russische Gaskonzern Gazprom will Gaslieferungen weiter senken. Offiziell, weil eine Turbine gewartet werden müsse. Doch dahinter steckt mehr.
Publiziert: 26.07.2022 um 11:49 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2022 um 13:23 Uhr

Weil Russland Gas als Waffe einsetzt, um die deutsche Unterstützung für die Ukraine zu brechen, droht eine Energiekrise in Deutschland.

Und nun das: Der russische Gaskonzern Gazprom will die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter senken. Von Mittwoch an würden noch 20 Prozent, also konkret 33 Millionen Kubikmeter Gas, täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fliessen, teilte das Unternehmen am Montag mit. Die offizielle Begründung der Russen: Wartungsarbeiten einer weiteren Siemens-Turbine.

Gazprom liefert durch Nord Stream 1 weniger Gas
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EU arbeitet Plan aus:Gazprom liefert durch Nord Stream 1 weniger Gas
Russlands Präsident Wladimir Putin gibt beim Gasstreit den Takt an.
Foto: keystone-sda.ch
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Erst am vergangenen Donnerstag waren die Gaslieferungen über die derzeit wichtigste Verbindung nach Deutschland für russisches Erdgas nach einer zehntägigen Routinewartung wieder aufgenommen worden.

Nächste Wartung steht erst im Herbst an

Bereits im Juni hatte Gazprom die Lieferungen über die Pipeline auf 40 Prozent der Maximalkapazität gedrosselt und auf die zur Reparatur nach Kanada verschickte Turbine verwiesen. Deutschlands Regierung hält dies für einen Vorwand.

Dahinter soll ein Turbinen-Trick von Kreml-Chef Wladimir Putin (69) stecken. Denn: Es steht gar keine Wartung an. Die nächste sei erst im Herbst fällig, wie der «Spiegel» unter Berufung auf die Siemens berichtet. Und weiter: Ein Ausfall könnte technisch kompensiert werden, ohne dass Lieferungen reduziert werden müssten.

Bereits früher seien nämlich grössere Mengen ohne die Turbine geliefert worden. Zudem habe Gazprom auch keinen Gebrauch von freien Kapazitäten auf anderen Pipeline-Routen gemacht, die Russland mit Europa verbinde, schreibt der «Spiegel» weiter.

Damit zeigt sich einmal mehr, dass sich der Kreml einfach einen neuen Vorwand schafft, sobald ein anderer wegfällt. Es kommt also genau so, wie Putin vergangene Woche bei seinem Besuch in Teheran bereits angekündigt hat: Bedauerlicherweise müsse eine weitere Turbine dringend überholt werden. Konkret: Ende Juli.

Russland spielt auf Zeit

Das Ende des Hickhacks um die gewartete Turbine ist noch nicht absehbar. Sie werde eingebaut, sobald sie aus Kanada eingetroffen sei, sagte Putins Pressesprecher Dmitri Peskow (54). Man werde das Gerät installieren, nachdem alle Formalitäten abgeschlossen seien. Danach werde Gas in den technologisch möglichen Mengen gepumpt.

Laut «Spiegel» könne Siemens Energy die Wartungsarbeiten nur in Kanada vornehmen, weil die Turbinen dort hergestellt wurden und dort das geschulte Fachpersonal sei. Bei der Wartung handle es sich laut dem Unternehmen um einen Routinevorgang. In den vergangenen zehn Jahren habe es dabei noch nie grössere Komplikationen gegeben.

«Dies ist ein offener Gas-Krieg»

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) sieht in der weiteren Drosselung russischer Gaslieferungen nach Europa eine Form von Moskaus «Terror» gegen den Westen. «Und dies ist ein offener Gas-Krieg, den Russland entfacht gegen das vereinte Europa», sagte Selenski am Montag in seiner abendlichen Videobotschaft.

Russland mache es Europa damit absichtlich schwer, sich auf den Winter vorzubereiten. Putin zeige damit einmal mehr, dass es sich nicht für das Schicksal der Menschen interessiere. Russland lasse die Menschen durch die Blockade ukrainischer Getreideausfuhren hungern sowie unter Kälte, Armut und Besatzung leiden. Statt an eine Rückgabe der bereits reparierten Gasturbine zu denken, sollten die Sanktionen gegen Russland weiter verschärft werden, fordert der 44-Jährige.

Vertreter von EU-Staaten haben sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unterdessen auf einen Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums verständigt. Er soll am Dienstag bei einem Sondertreffen der Energieminister in Brüssel offiziell bestätigt werden.

Das Problem der EU ist, dass sie das russische Gas nicht einfach durch ein anderes ersetzen kann. (oco/SDA)

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