«Ich habe einen Schlag ins Gesicht bekommen»
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Erneuter rassistischer Angriff:«Ich habe einen Schlag ins Gesicht bekommen»

Nächster Eklat auf Sylt
Junge Frau auf Strasse attackiert und rassistisch beleidigt

Sylt kommt einfach nicht zur Ruhe. Eine junge Frau wurde auf der Ferieninsel attackiert und rassistisch beleidigt.
Publiziert: 27.05.2024 um 13:45 Uhr
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Aktualisiert: 05.06.2024 um 13:54 Uhr

Auf der Nordseeinsel Sylt (D) haben sich über Pfingsten laut Polizei mehr mutmassliche rechtsextremistische Zwischenfälle ereignet als bislang bekannt. Wie die Beamten am Montag in schleswig-holsteinischen Flensburg mitteilten, ermittelt der Staatsschutz auch nach einem offenbar ausländerfeindlich motivierten Angriff auf eine 29-Jährige in Kampen. Gleiches galt für einen weiteren Vorfall mit rechtsextremen Liedzeilen in einer zweiten Bar.

In Deutschland sorgt seit Tagen ein durch ein Internetvideo dokumentiertes Geschehen in einem Nobellokal in Kampen für Empörung, bei dem mehrere junge Menschen bei einer Feier am Pfingstwochenende beim Abspielen eines bekannten Partyhits die Zeilen «Ausländer raus» und «Deutschland den Deutschen» anstimmten. Ein Beteiligter zeigte zudem eine Art Hitlergruss.

Nach Polizeiangaben vom Montag gab es am Pfingstsonntag abends in Kampen zudem einen mutmasslich rechtsextremistisch motivierten Angriff auf eine 29-Jährige. Diese sei auf einer Strasse zunächst «fremdenfeindlich beleidigt und im späteren Verlauf auch körperlich angegriffen worden». Dabei sei sie leicht verletzt worden, die Ermittlungen dazu liefen noch.

Diese junge Frau gibt an, auf Sylt angegriffen und rassistisch beleidigt worden zu sein.
Foto: Instagram @_flawlessjazz_
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«Ich habe einen Schlag ins Gesicht bekommen, bin ins Feld gefallen und bin zum Glück sofort wieder aufgestanden», berichtet die junge Frau laut RTL in einem Video auf Instagram. Die Frau mit Migrationshintergrund filmte ihre Angreifer. Im Video ist zu sehen, wie der Angreifer sein Gesicht verdeckt und wenig später der Frau das Handy aus der Hand schlägt. Mehrere Drohungen und Beleidigungen sind zu hören, bevor die Aufnahme abbricht. «Ich möchte, dass er zur Rechenschaft gezogen wird für das, was er mir angetan hat. Ich sehe mich nicht als Opfer. Ich möchte mich wehren und ich möchte einfach für Gerechtigkeit sorgen», macht die Frau deutlich.

Fälle auf Sylt, in Erlangen und Löningen

Die Polizei ermittelte demnach ausserdem nach einem weiteren Vorfall mit «Ausländer raus»-Gesängen zum Song «L'Amour Toujours» des DJs Gigi D'Agostino in einer zweiten Sylter Bar. Mindestens ein Mensch habe dort nach derzeitigem Ermittlungsstand in der Nacht zu Pfingstmontag den rechtsextremen Text angestimmt, hiess es. Ein Lokal in Kampen hatte zuvor selbst im Netzwerk Facebook von einem entsprechenden Vorfall berichtet.

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Nach Angaben der Beamten liegen in allen drei Fällen bereits Hinweise auf Verdächtige vor, die geprüft werden. «Ein Zusammenhang zwischen den drei Taten wird geprüft, erscheint jedoch nach ersten Erkenntnissen nicht wahrscheinlich», teilte die Polizeidirektion in Flensburg weiter mit.

Faeser: «Schande für Deutschland»

Die Ereignisse auf Sylt lösten bundesweit Entsetzen aus und heizten die Debatte um rechtsradikale Einstellungen in der Bevölkerung weiter an. Das Singen rechtsextremistischer Liedzeilen zum bereits aus dem Jahr 1999 stammenden Partyhit «L'Amour Toujours» ist kein neues Phänomen. Jüngst gab es laut Polizei darüber hinaus weitere vergleichbare Zwischenfälle auf Volks- und Schützenfesten im bayerischen Erlangen und im niedersächsischen Löningen.

Feiernde singen ausländerfeindliche Parolen
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Am Montag wurde auch ein Fall in einem Elite-Internat im nördlichsten Bundesland Schleswig-Holstein publik. Minderjährige Schüler sollen im Internat Louisenlund in Güby die fremdenfeindlichen Parolen angestimmt haben. Das teilte das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf Nachfrage des «Spiegels» mit. «Allen Schülerinnen und Schülern muss klar sein, dass es kein Scherz ist, solche Parolen zu singen», machte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (58) deutlich. Das Internat kostet pro Jahr umgerechnet rund 50'000 Franken und gehört zu den gehobenen Privatschulen in Deutschland.

In der Politik lösten die Vorgänge erhebliche Betroffenheit aus. Kanzler Olaf Scholz (65) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (68) reagierten empört und besorgt, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (53) sprach von einer «Schande für Deutschland». Die vom zuerst bekannt gewordenen Vorfall betroffene Nobelbar reagierte geschockt und sprach von «zutiefst asozialem Verhalten». Nach eigenen Angaben erhält sie auch Morddrohungen.

Das Münchner Oktoberfest kündigte am Montag an, dass der Song «L'Amour Toujours» in diesem Jahr nicht gespielt werde. Eine entsprechende Anweisung sei an alle Wirte und Schausteller herausgegangen, berichtete der Bayerische Rundfunk. «Das Lied wird nicht gespielt – weder im Zelt, noch sonst irgendwo», erklärte Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner und fügte hinzu, dass das Oktoberfest international und weltoffen sei.

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