Nach Kritik an Ungarns Regenbogen-Gesetz
Orbán greift EU in ganzseitigen Inseraten an

Ungarn hat ein Gesetz eingeführt, das in Brüssel als homophob und als Schande bezeichnet wird. Nach der massiven Kritik wehrt sich Ministerpräsident Viktor Orbán nun auf aussergewöhnliche Weise: mit ganzseitigen Inseraten in mehreren Zeitungen.
Publiziert: 08.07.2021 um 15:42 Uhr
Guido Felder

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (58) macht Stimmung gegen die EU. In Zeitungen mehrerer europäischer Länder hat er in den vergangenen Tagen ganzseitige Inserate geschaltet, in denen er in sieben Punkten gegen den «Superstaat» schiesst, den Brüssel errichtet habe.

Einige Zitate:

  • «Wir sagen Nein zu dem europäischen Imperium.»
  • «Die Entscheidungen sollen die gewählten führenden Politiker und nicht die NROs treffen.»
  • «Das Europäische Parlament hat sich als Sackgasse erwiesen: Es vertritt ausschliesslich die eigenen ideologischen und institutionellen Interessen.»

Das kommende Jahrzehnt werde das «Zeitalter gefährlicher Herausforderungen» sein, prophezeit der Vorsitzende der rechtsnationalen Fidesz-Partei. «Massenhafte Migration und Pandemien» drohten, «wir müssen die europäischen Menschen schützen», fordert er.

Mit diesem Zeitungsinserat schiesst Orbán gegen die EU.
Foto: Zvg
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Gemeinsame wirtschaftliche Erfolge würden der europäischen Integration Kraft geben, doch «wenn wir gemeinsam nicht erfolgreicher sein können als jeder für sich selbst, dann ist dies das Ende der Europäischen Union», konstatiert Orbán.

Reaktion auf Kritik an Gesetz

Die Offensive erfolgt, nachdem Ungarn wegen eines neuen Gesetzes kritisiert worden war. Das Gesetz verbietet, dass Jugendlichen unter 18 Jahren Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Auch Werbung, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen, ist verboten.

Orbán wurde dafür von der EU stark kritisiert und als homophob bezeichnet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) bezeichnete das Gesetz als «Schande», der niederländische Regierungschef Mark Rutte (54) drohte, man werde Ungarn schon noch «in die Knie zwingen».

Inserate in Belgien abgelehnt

Auch in Skandinavien hat Orbán solche Inserate geschaltet, in Dänemarks «Jyllandposten» und in Schwedens Wirtschaftsblatt «Dagens Industri». Dessen Chefredakteur Peter Fellmann rechtfertigte die Veröffentlichung mit der liberalen Tradition der Tageszeitung. Die Entscheidung sei aber nicht leichtgefallen, so Fellmann gegenüber dem Sender SVT.

Laut dem schwedischen TV-Bericht haben in Belgien sämtliche Zeitungen das Inserat Orbáns, der auch für seine Medienzensur in Ungarn kritisiert wird, abgelehnt und zum Teil auch die Anfrage kritisch in eigenen Artikeln kommentiert. So reagierte etwa «De standaard» in einem Leitartikel mit einer ganzseitigen Regenbogenflagge und dem Text: «Lieber Viktor Orbán, Gesetze sollten nie einen Unterschied zwischen Liebe und Liebe machen.»

Wer hat es bezahlt?

Der österreichische EU-Parlamentarier Othmar Karas (63, ÖVP) bezeichnete die Medienkampagne Orbáns als «skandalös» und forderte eine «lückenlose Aufklärung» der Finanzierung. Die ungarische Regierung habe hier missbräuchlich Gelder der eigenen Steuerzahler gegen den Lissabon-Vertrag verwendet.

Orbán hatte das Gesetz schon in Brüssel verteidigt und sich gegen eine Einmischung in seine Politik gewehrt. Orbán sagte: «Ich bin mir sicher, dass über die Erziehung der deutschen Kinder die Deutschen entscheiden müssen. Und auch darin, dass über die Erziehung der ungarischen Kinder nur die Ungarn entscheiden dürfen, mit Sicherheit nicht die Deutschen, die Niederländer oder die Belgier.»

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