Nach Gift-Attacke auf russischen Ex-Spion
Auch USA hält Russland für schuldig

Der Ex-Spion Sergej Skripal (66) und seine Tochter (33) wurden letzte Woche Opfer einer Giftgas-Attacke. Die Umstände sind nach wie vor unklar. Jetzt hat Premierministerin Theresa May Russland ein Ultimatum gestellt zur Aufklärung der Tat. Auch die USA hält Russland für schuldig, erklärt US-Aussenminister Rex Tillerson.
Publiziert: 12.03.2018 um 18:21 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:40 Uhr
Russischer Ex-Spion vergiftet im Spital
1:08
Grossbritannien:Russischer Ex-Spion vergiftet im Spital

Nach der Giftattacke gegen den russischen Ex-Spion Sergej Skripal (66) hat die britische Regierung den Botschafter Russlands einberufen. Entweder sei Moskau für die Attacke verantwortlich oder habe zugelassen, dass das Gift in fremde Hände gerate, sagt Premierministerin Theresa May am Montag im Parlament in London.

Das habe eine Analyse des bei dem Attentat eingesetzten Nervengases ergeben, berichtete die Regierungschefin. Denn der Anschlag sei mit einer Sorte Nervengift ausgeführt worden, die in Russland entwickelt worden sei, sagte May in einer Rede vor dem britischen Unterhaus. Das verwendete Gift sei «von militärischer Qualität».

«Klären Sie die Angelegenheit erst einmal bei sich»

Es handelt sich den Angaben zufolge um den Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Serie: Die früher in der Sowjetunion produzierte Substanz, die in etwa 100 Varianten vorkommt, zählt zu den gefährlichsten Nervengiften überhaupt. Russland müsse umgehend zur Aufklärung beitragen. Wenige Stunden zuvor hatte May eine Krisensitzung des Nationalen Sicherheitsrats geleitet.

Ausserdem hat May Russland ein Ultimatum gestellt. Sie gebe Moskau bis Dienstag Zeit, den Vorfall rund um den Mord an Skripal aufzuklären. «Klären Sie die Angelegenheit erst einmal bei sich, dann werden wir das mit Ihnen besprechen», hatte Putin am Montag im südrussischen Krasnodar gesagt.

Was ist Nowitschok?

Vieles deutet darauf hin, dass der russische Ex-Spion Sergej und seine Tochter Julia Skripal in England durch das Nervengift Nowitschok vergiftet wurden.

Tödlicher «Neuling»

Die Sowjetunion hat zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren eine Serie neuartiger Nervenkampfstoffe entwickelt, die zu den tödlichsten gehören, die je hergestellt worden sind. «Nowitschok» heisst auf Deutsch «Neuling». Es ist achtmal so stark wie der VX-Kampfstoff, mit dem Nordkorea in der Regel seine Feinde ermorden lässt.

Einfache Herstellung

Es braucht dazu nur zwei relativ harmlose Stoffe, die bei der Zusammenführung äusserst tödlich werden. Die Stoffe können ohne grosse Probleme transportiert und vor Detektoren versteckt werden. Als er 1992 das Geheimprogramm auffliegen liess, sagte der russische Chemiker Vil Mirzayanow: «Die Besonderheit dieser Waffe liegt in der Einfachheit ihrer Komponenten. Sie werden in der Zivilindustrie verwendet und können daher international nicht reguliert werden.»

Anwendung als Puder

Das Mittel wird vorwiegend als ultrafeiner Puder zerstäubt. Die Betroffenen sterben meistens an Herzversagen oder Ersticken, da sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Überlebt das Opfer, bleibt es meistens gelähmt.

Gegenmittel

Dem Opfer muss umgehend die kontaminierte Kleidung ausgezogen, und der Körper muss gewaschen werden. Es gibt Gegenmittel, unter anderem Atropin, Pralidoxim und Diazepam. Deren rettende Wirkung ist aber nicht garantiert.

Vieles deutet darauf hin, dass der russische Ex-Spion Sergej und seine Tochter Julia Skripal in England durch das Nervengift Nowitschok vergiftet wurden.

Tödlicher «Neuling»

Die Sowjetunion hat zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren eine Serie neuartiger Nervenkampfstoffe entwickelt, die zu den tödlichsten gehören, die je hergestellt worden sind. «Nowitschok» heisst auf Deutsch «Neuling». Es ist achtmal so stark wie der VX-Kampfstoff, mit dem Nordkorea in der Regel seine Feinde ermorden lässt.

Einfache Herstellung

Es braucht dazu nur zwei relativ harmlose Stoffe, die bei der Zusammenführung äusserst tödlich werden. Die Stoffe können ohne grosse Probleme transportiert und vor Detektoren versteckt werden. Als er 1992 das Geheimprogramm auffliegen liess, sagte der russische Chemiker Vil Mirzayanow: «Die Besonderheit dieser Waffe liegt in der Einfachheit ihrer Komponenten. Sie werden in der Zivilindustrie verwendet und können daher international nicht reguliert werden.»

Anwendung als Puder

Das Mittel wird vorwiegend als ultrafeiner Puder zerstäubt. Die Betroffenen sterben meistens an Herzversagen oder Ersticken, da sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Überlebt das Opfer, bleibt es meistens gelähmt.

Gegenmittel

Dem Opfer muss umgehend die kontaminierte Kleidung ausgezogen, und der Körper muss gewaschen werden. Es gibt Gegenmittel, unter anderem Atropin, Pralidoxim und Diazepam. Deren rettende Wirkung ist aber nicht garantiert.

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USA glaubt auch, dass Russland den Giftanschlag verübte

Nach Einschätzung der US-Regierung ist Russland «wahrscheinlich» verantwortlich für den Giftanschlag. Dies sagte US-Aussenminister Rex Tillerson am Dienstag.

Die USA stimmten so mit ihrem Verbündeten Grossbritannien überein. Den Verantwortlichen -«sowohl denen, die das Verbrechen begangen haben als auch denen, die es in Auftrag gegeben haben» - müssten «angemessene, ernsthafte Konsequenzen» drohen.

Nach Informationen der «Times» bereitet die britische Regierung Sanktionen gegen Russland vor. Sie habe unter anderem die Ausweisung von Diplomaten und die Annullierung von Visa von Russen mit Verbindungen zum Kreml geprüft.

Zuvor hatte sich Putins Sprecher Dmitri Peskow zu Wort gemeldet und eine Involvierung Russlands verneint. Denn schliesslich habe sich der Vorfall auf britischem Gebiet ereignet und Russland habe somit damit nichts zu tun.

«Zirkusnummer» im britischen Parlament

Das russische Aussenministerium sprach von einer «Zirkusnummer» im britischen Parlament. «Der Schluss ist klar - es ist eine reguläre informationspolitische Kampagne, basierend auf Provokationen», wurde Aussenamtssprecherin Maria Sacharowa von der Agentur Tass zitiert.

«Unbewiesen und provokant» nannte Leonid Sluzki, Vorsitzender des Duma-Komitees für internationale Angelegenheiten, die Vorwürfe aus Grossbritannien. «Die Position Londons bei der Ermittlung nach der Vergiftung Skripals spiegelt die jüngsten westlichen Trends: keine Beweise, aber für alles ist Russland schuldig.» Als Grund für das Verhalten Londons wollte Sluzki nach russischen Medienberichten eine mögliche Beeinflussung der Präsidentenwahl nicht ausschliessen.

USA will Grossbritannien beistehen

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, jeder Einsatz von Nervengift sei entsetzlich und absolut unakzeptabel. Der Vorfall sei für die Nato Anlass zu grosser Besorgnis. Die USA erklärten, die Regierung von Präsident Donald Trump stehe ihrem «engsten Verbündeten» Grossbritannien bei. Der Gift-Einsatz gegen britische Bürger auf britischem Boden sei empörend, sagte Sarah Sanders, Sprecherin des Weissen Hauses. «Der Angriff war rücksichtslos, willkürlich und unverantwortlich. Wir verurteilen ihn auf das Schärfste.»

Im staatlichen russischen Fernsehen hiess es am Sonntag indes, die Briten könnten Skripal selbst vergiftet haben, um die Fussball-Weltmeisterschaft in diesem Sommer zu stören, deren Gastgeber Russland ist.

Russland ist für Attentat «höchstwahrscheinlich» verantwortlich

Der ehemalige russische Doppelagent Skripal und seine 33-jährige Tochter Yulia waren am 4. März in der südenglischen Kleinstadt Salisbury unter bisher ungeklärten Umständen Nervengift ausgesetzt worden. Sie wurden bewusstlos auf einer Parkbank gefunden. Beide befinden sich seither in kritischem Zustand. Insgesamt mussten 21 Menschen im Spital behandelt werden, darunter auch ein Polizist. Er ist bei Bewusstsein und ansprechbar. May hält Russland für das Giftgas-Attentat für «höchstwahrscheinlich» verantwortlich.

Skripal soll den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 über russische Agenten in Europa informiert haben. 2004 flog der ehemalige Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU auf und wurde festgenommen. Er wurde zu 13 Jahren Lagerhaft verurteilt. Im Rahmen eines Gefangenenaustauschs kam er 2010 nach Grossbritannien. (SDA/rad)

Foto: DUKAS
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