Nach dem Mega-Blackout gibts Mega-Rechnungen
Texanerin soll 3114 Dollar für Strom blechen!

Nach dem verheerenden Wintersturm in Texas erhalten zahlreiche Verbraucher nun Stromrechnungen in absurder Höhe. Der Stromanbieter behauptet, machtlos zu sein.
Publiziert: 22.02.2021 um 16:59 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2021 um 07:44 Uhr

So eine hohe Stromrechnung hatte Ivet Candu (45) aus Dallas (Texas) noch nie. 3114 US-Dollar – umgerechnet rund 2800 Franken – soll sie für ihren Stromverbrauch zwischen dem 1. und 18. Februar zahlen.

Und sie ist nicht die einzige.

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Mega-Blackout und über 30 Tote:Ausnahmezustand in Texas
Ivet Cantu vor ihrem Haus in Dallas.
Foto: keystone-sda.ch
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Kaum floss der Strom nach dem Mega-Blackout wieder, erhielten zahlreiche Texaner Rechnungen in astronomischen Höhen. Auf «CNN» berichtet ein junger Mann: «Ich bin nachts aufgewacht und hatte neun E-Mails, in denen stand, dass wieder Geld auf meinen Strom-Account geladen wurde – jedes Mal hundert Dollar.» Am Ende belief sich seine Rechnung auf 7000 US-Dollar (rund 6300 Franken).

Selbst Menschen, die ihren Strom-Konsum vergangene Woche auf das Minimum reduzierten, erhielten offenbar Rechnungen über mehrere hundert Dollar. Die bislang höchste bekannte Rechnung bekam ein 63-jähriger Veteran, der von Sozialleistungen lebt: 16'752 US-Dollar (rund 15'000 Franken) soll er zahlen – 70 Mal so viel wie das, was er sonst im gleichen Zeitraum zahlt. «Meine Ersparnisse sind damit weg», sagte Scott Willoughby der «New York Times». «Ich kann nichts dagegen machen, das hat mich ruiniert.»

So kam es zu den Mega-Stromrechnungen

«Schuld» am Debakel trägt offenbar ein flexibles Vertragsmodell: Texaner haben über den Stromanbieter Griddy die Möglichkeit, zwischen Fix-Preisen und dynamischen Preisen zu wählen – ist der Verbrauch wie etwa nachts allgemein niedriger, ist auch der Strom günstiger.

In der Notlage wurden die dynamischen Preise den Verbrauchern jedoch zum Verhängnis. Weil etwa zu Wochenbeginn ein Drittel der Haushalte in Texas ohne Strom waren, explodierte verhältnismässig die Nachfrage – und die Preise schossen in die Höhe.

Der Stromanbieter Griddy erwartete die Mega-Preise angesichts des erwarteten Wintersturms bereits. In der Nacht von Sonntag auf Montag forderte es seine 29'000 Kunden auf, den Stromanbieter zu wechseln. Doch das war vielen am Montagmorgen gar nicht mehr möglich. Bis Mittwoch tobte «Uri», Hunderttausende Haushalte kämpften mit Kälte, Dunkelheit und fehlenden Notvorräten.

Stromanbieter rechtfertigt sich

«Wir wissen, dass Sie wütend sind und wir sind es auch», schrieb Griddy bereits am 18. Februar in einem Blogpost. Die «Public Utility Commission of Texas» habe den Strompreis auf 9 US-Dollar pro Kilowattstunde gesetzt – 300 Mal mehr als normal. Am Freitag teilte Griddy mit, dass es die zuständige Stromerzeuger-Gesellschaft Ercot (Electric Reliability Council of Texas) um Kostenreduktion bitten werde.

Griddy verkaufe den Strom nur weiter und verdiene pro Abrechnung selbst nur 6,48 US-Dollar – egal, wie hoch die Rechnung sei, sagte Geschäftsführer Michael Fallquist der Nachrichtenagentur Bloomberg. Allerdings ist es nicht der erste Skandal rund um das Geschäftsmodell. Auch im Hitze-Sommer 2019 waren Verbraucher mit hohen Stromkosten konfrontiert.

Das Vorkommnis gilt laut Bloomberg als bundesweit «einzigartig». Der Stromhandel ist im zweitgrössten US-Bundesstaat vollständig dereguliert. Das führte auch zum Mega-Blackout in der vergangenen Woche. Aus Kostengründen hatten Texas beziehungsweise Ercot die Kraftwerke nicht auf Wetterbeständigkeit getestet. Zudem hat der US-Bundesstaat seine Stromversorgung nicht an Nachbarstaaten angeschlossen, um bundesweite Vorschriften zu umgehen, und kann deshalb nicht mit einer Notstromversorgung unterstützt werden.

Politiker fordern schnelle Hilfe für Kunden

Damit die Verbraucher nach dem Mega-Blackout nun nicht auch noch auf Mega-Stromrechnungen sitzenbleiben, will die Politik durchgreifen. Am Wochenende berief Gouverneur Greg Abbott (63, Republikaner) zu diesem Thema bereits ein Notfall-Treffen mit Abgeordneten ein.

Houstons Bürgermeister Sylvester Turner (66, Demokraten) sagte laut «Time» am Sonntag, der Staat Texas müsse nach dem Wintersturm für die «exorbitanten Kosten» der Reparaturen und Rechnungen für die Verbraucher aufkommen. Generalstaatsanwalt Ken Paxton (58, Republikaner) hat bereits eine Untersuchung der Stromausfälle eingeleitet und zivilrechtliche Ermittlungsaufforderungen an Unternehmen wie Griddy gestellt.

Eine erste Sorge nahm die staatliche Public Utility Commission den Verbrauchern, die nach dem Extremwetter unter anderem auch mit gebrochenen Wasserrohren kämpfen: Auch wer seine Rechnungen nicht bezahlt hat, darf vorläufig nicht vom Stromnetz getrennt werden. (kin)

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