«Mittelalterliche Folterkammer»
Iranerin beschreibt ihre Auspeitschung im Detail

Eine kurdisch Iranerin wurde von einem Scharfrichter der Sittenwächter mit 74 Hieben ausgepeitscht. Ihr Vergehen: Sie trug keinen Hidschab. Auf Facebook beschrieb die 33-Jährige die Bestrafung in einer «mittelalterlichen Folterkammer» im Detail.
Publiziert: 07.01.2024 um 03:12 Uhr
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Aktualisiert: 07.01.2024 um 09:04 Uhr
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Im Iran hat die Auspeitschung einer 33-Jährigen einen Aufschrei ausgelöst. Wie Menschenrechtsaktivisten am Samstag berichteten, bestrafte Irans Justiz die kurdische Aktivistin Roja Heschmati in der Hauptstadt Teheran mit 74 Peitschenhieben.

In den sozialen Medien im Iran sorgt der Fall für grosse Empörung. Heschmati hatte auf Facebook auf die Vollstreckung der Strafe aufmerksam gemacht und diese eindrücklich geschildert. Irans Justiz bestätigte die Vollstreckung der Peitschenhiebe. Diese seien im Rahmen des Gesetzes erfolgt.

Heschmati kritisiert das Hidschab-Gesetz des islamischen Regimes. In einem Post am 3. Januar auf ihrem mittlerweile nicht mehr öffentlich einsehbaren Facebookprofil beschrieb sie ihren Widerstand bis zur letzten Minute. Selbst beim Betreten des Gerichts trug sie keinen Hidschab. Im Gericht sollte auch die Auspeitschung stattfinden.

Zeigt sich unbeeindruckt von Irans Sittenwächtern und will den Widerstand trotz harter Bestrafung nicht aufgeben: die 33-jährige kurdisch-iranische Aktivistin Roja Heschmati.
Foto: Twitter
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Widersetzte sich auch dem Scharfrichter

Sowohl ihr Anwalt als auch ein Gerichtsdiener rieten ihr, ihr Kopftuch aufzusetzen, «um Ärger zu vermeiden». Sie aber, erinnerte Heschmati daran, dass sie «extra wegen der Peitschenhiebe gekommen war» und «nicht nachgeben wollte».

Der Scharfrichter, der die Auspeitschung vornahm, forderte sie abermals auf, den Hidschab anzulegen. Sie weigerte sich, obwohl ihr der Mann mit schweren und noch mehr Peitschenhieben drohte. «Ich bewahrte meine Haltung bei und trug den Hidschab nicht», so die junge Frau.

Schliesslich kamen zwei Frauen, legten ihr gewaltsam ein Kopftuch um und fesselten sie mit Handschellen, damit sie sich das Kopftuch nicht abreissen konnte.

«Voll ausgestattete mittelalterliche Folterkammer»

Heshamti beschrieb den Raum, in dem die Strafe vollstreckt wurde, als ein Bett mit Handschellen und Eisenbändern, die an beiden Seiten angeschweisst waren. Dazu gab es ein eisernes Gestell, die einer grossen Staffelei ähnelte und in deren Mitte sich ebenfalls Handschellen und ein Eisenband befanden. «Es sah wie eine voll ausgestattete mittelalterliche Folterkammer aus», schrieb Heschmati.

Richter war Fall «unangenehm»

Sie habe leise gesungen – «im Namen der Frau, im Namen des Lebens, die Kleidung der Sklaverei wird zerrissen» – während sie ausgepeitscht worden sei. Sie habe keine Schmerzen geäussert und nicht geschrien – und ihr Kopftuch sofort wieder abgenommen, als sie den Raum verliess.

Selbst der Richter habe «eingeräumt, dass ihm der Fall unangenehm sei», so Heschmati. Er habe ihr «vorgeschlagen, ins Ausland zu gehen, um ein anderes Leben zu führen. Ich bekräftigte unsere Verpflichtung zum Widerstand. Er bestand auf der Einhaltung der Gesetze. Ich forderte ihn dazu auf, seine Aufgabe zu erfüllen, während wir unseren Widerstand fortsetzen.»

13 Jahre Haft angefochten

Laut der Zeitung «Shargh» war Heschmati im April 2023 nach der Veröffentlichung eines Fotos ohne das im Iran obligatorische Kopftuch festgenommen worden. Sie habe sich danach gegen zahlreiche juristische Vorwürfe wehren müssen. Eine mehr als 13-jährige Haftstrafe sei erfolgreich angefochten worden, sagte ihr Anwalt Masiar Tatati der Zeitung. Eine Verurteilung zu den Peitschenhieben wegen moralischer Verstösse blieb bestehen.

Äusserste Härte gegen junge Menschen

Vor mehr als einem Jahr hatte der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini schwere Proteste im Iran ausgelöst. Monatelang gingen vor allem junge Menschen auf die Strassen, um gegen das islamische Herrschaftssystem zu demonstrieren.

Amini war nach einem mutmasslich gewaltsamen Zusammenstoss mit den berüchtigten Sittenwächtern ins Koma gefallen und kurz darauf verstorben. Der Staat reagierte mit äusserster Härte. Inzwischen widersetzen sich immer mehr Frauen der Kopftuchpflicht.

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