Mit einem eindringlichen Brief an die Nation versucht Theresa May, ihr Volk auf den Brexit einzustimmen
Ganz viel Pathos

Die britische Premierministerin Theresa May wendet sich in einem dramatischen Brexit-Brief an die Bevölkerung. Sie ist nicht die einzige Politikerin, die dieses Mittel wählt. Schon in der Vergangenheit sprachen Staatschefs und Regierende in eindrücklichen Worten zum Volk.
Publiziert: 26.11.2018 um 01:53 Uhr
|
Aktualisiert: 17.07.2019 um 20:23 Uhr
Daniel Riedel

Sie kämpft mit allen Mitteln für den Brexit – nun sogar mit Stift und Papier. Gestern überraschte die britische Premierministerin Theresa May (62) ihr Volk mit einem pathetischen «Brief an die Nation». Das Schreiben wurde in mehreren englischen Sonntagszeitungen veröffentlicht. Die Zeilen haben nur ein Ziel: Zustimmung für den umkämpften Brexit. 

May spielt mit Emotionen und appelliert an die Ehre: Der Deal sei für Gegner und Freunde des EU-Auftritts geschaffen – «im nationalen Interesse», als «Moment der Erneuerung und Versöhnung». Nach Drama folgt Pathos. Der EU-Austritt sei ein Abkommen «für eine hellere Zukunft, das uns ermöglicht, die vor uns liegenden Chancen zu ergreifen». Sie selbst werde mit «Herz und Seele» für die «bedeutende Abstimmung» kämpfen. Sogar vergiftetes Lob findet sich: Die Parlamentarier hätten nun eine historische Chance, dem Austrittsverfahren zuzustimmen. Heisst zwischen den Zeilen: Ich setzte euch öffentlich so unter Druck, dass ihr nur noch «yes» sagen könnt. 

Bei der EU kam May gestern schon ans Ziel. Die 27 Staats- und Regierungschefs nahmen den Austrittsvertrag und die Erklärung zu den künftigen Beziehungen mit Grossbritannien an. Die Brexit-Vereinbarung tritt demnach am 30. März 2019 in Kraft. Aber nur, wenn auch das Parlament in London auf die gewählten Worte der Premierministerin echte Taten folgen lässt.

Die britische Premierministerin Theresa May setzt die Parlamentarier öffentlich unter Druck, dass sie dem Brexit-Deal nur noch zustimmen können.
Foto: Getty Images
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Brexit

Mit Brexit ist der Austritt des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union gemeint. In einem Referendum über Austritt oder Verbleib ihres Landes in der EU stimmten die Briten im Juni 2016 mit rund 52 Prozent für den Brexit.

Was für Folgen hat der Brexit?

Mit dem Brexit verliert die Europäische Union nicht nur ein Mitglied mit einer starken Volkswirtschaft. Es bedeutet auch den bisher grössten Rückschlag für die Idee eines vereinigten Europas, die von vielen europäischen Politikern vorangetrieben wird.

Viele Fragen zu den Folgen des Brexits sind offen. Für einige EU-Länder ist das Vereinigte Königreich ein wichtiger Absatzmarkt für seine Produkte innerhalb der EU. Vor diesem Hintergrund wird dort vor allem über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexits für den Exportsektor diskutiert. Viel gravierender wirkt sich der Brexit auf die Freizügigkeit bei Reisen von und nach Grossbritannien aus. Nicht viel ändern wird sich für Touristen aus den Ländern des Schengenraums, zu denen auch die Schweiz gehört. Ganz anders sieht es für Arbeitnehmer aus, die nicht mehr frei nach Grossbritannien einreisen können, um dort zu arbeiten. Aktuell betrifft dies vor allem viele Bürger aus osteuropäischen EU-Ländern, die in Grossbritannien leben und arbeiten.

Mit Brexit ist der Austritt des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union gemeint. In einem Referendum über Austritt oder Verbleib ihres Landes in der EU stimmten die Briten im Juni 2016 mit rund 52 Prozent für den Brexit.

Was für Folgen hat der Brexit?

Mit dem Brexit verliert die Europäische Union nicht nur ein Mitglied mit einer starken Volkswirtschaft. Es bedeutet auch den bisher grössten Rückschlag für die Idee eines vereinigten Europas, die von vielen europäischen Politikern vorangetrieben wird.

Viele Fragen zu den Folgen des Brexits sind offen. Für einige EU-Länder ist das Vereinigte Königreich ein wichtiger Absatzmarkt für seine Produkte innerhalb der EU. Vor diesem Hintergrund wird dort vor allem über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexits für den Exportsektor diskutiert. Viel gravierender wirkt sich der Brexit auf die Freizügigkeit bei Reisen von und nach Grossbritannien aus. Nicht viel ändern wird sich für Touristen aus den Ländern des Schengenraums, zu denen auch die Schweiz gehört. Ganz anders sieht es für Arbeitnehmer aus, die nicht mehr frei nach Grossbritannien einreisen können, um dort zu arbeiten. Aktuell betrifft dies vor allem viele Bürger aus osteuropäischen EU-Ländern, die in Grossbritannien leben und arbeiten.

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«Ich habe euch verstanden»

Im Juni 1958 ist Algerien noch ein Teil Frankreichs. Im Land tobt ein Bürgerkrieg. Verteidigungsminister Charles de Gaulle spricht am 4. Juni vom Balkon des Generalgouvernements in Algier als Vertreter der Kolonialmacht zu den Massen. Mit seinem berühmten Satz «Je vous ai compris» (deutsch: «Ich habe euch verstanden») läutet der ehemalige Staatschef Frankreichs die Unabhängigkeit Algeriens ein.

«Blut, Schweiss und Tränen»

Es ist nur eine kurze Ansprache, die der frischgebackene Premierminister Winston Churchill am 13. Mai 1940 im Unterhaus hält. In Europa tobt der Zweite Weltkrieg. England ist mittendrin. Der wuchtige Churchill will in seiner Rede den besorgten Briten Mut schenken – ohne falsche Hoffnungen zu wecken. Ihm ist klar: Der Kampf gegen Nazi-Deutschland wird «Blut, Schweiss und Tränen» kosten. 2016 legt die Bank of England sogar eine Fünf-Pfund-Note mit dem Zitat auf. 

«Könnten wir Widerstand leisten?»

Am 25. Juli 1940 ruft General Henri Guisan überraschend 600 Truppenkommandanten auf dem Rütli zusammen. Die Schweiz steckt nicht nur geografisch mitten in den Kriegswirren. Das Volk fürchtet einen Einmarsch der Kriegsparteien. Doch Guisan ruft entschlossen zum Zusammenhalt und Widerstand auf. Ausserdem offenbart er seinen Masterplan: das Réduitsystem. Und fragt, mehr entschlossen denn rhetorisch: «Könnten wir Widerstand leisten?»

«Ich bin ein Berliner»

Der Mauerbau steckt den Berlinern auch am 26. Juni 1963 noch in den Knochen. Zwei Jahre zuvor wurde die Stadt über Nacht zweigeteilt. Bei seinem Besuch entlockt es dem US-Präsidenten John F. Kennedy vor dem Rathaus Schöneberg sein berühmtestes Zitat: «Ich bin ein Berliner!» Das Bekenntnis gibt der Bevölkerung über Jahrzehnte die Gewissheit, dass die USA das eingekesselte Westberlin niemals dem sowjetischen Kommunismus überlassen würden. 

«Krieg gegen den Terror»

Die Anschläge vom 11. September sind knapp zehn Tage vorbei, als US-Präsident George W. Bush der geschockten Welt vor dem US-Kongress seine Reaktion auf die Attacke erläutert. «Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit Al Kaida, aber er endet nicht dort. Er wird nicht enden, bis jede terroristische Gruppe von globaler Reichweite gefunden, gestoppt und geschlagen ist.» Unter dem Schlagwort «War on terror» ziehen die US-Streitkräfte nach Afghanistan. Der Terror ist bis heute nicht besiegt.

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