Mehrere Tote nach Amoklauf an russischer Schule
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Putin will Gesetz ändern:Mehrere Tote nach Amoklauf an russischer Schule

«Ich habe immer alle gehasst»
Amokläufer (19) erschiesst 9 Menschen an Schule in Russland

In der russischen Stadt Kasan hat ein Amokläufer am Dienstagvormittag mehrere Kinder und auch eine Lehrperson an einer Schule erschossen. Der 19-jährige Schütze Ilnas G.* wurde verhaftet. Die Behörden sprechen von einem Einzeltäter.
Publiziert: 11.05.2021 um 09:50 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2021 um 14:16 Uhr
Das ist Ilsija N.* Das Mädchen wurde nur 14 Jahre alt.
Foto: Vkontakte
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Bei einem Angriff auf die Schule in der Grossstadt Kasan in der russischen Republik Tatarstan wurden am Dienstagvormittag neun Menschen getötet – sieben Kinder der achten Klasse (vier Buben und drei Mädchen zwischen 14 und 15 Jahren) und zwei Lehrerinnen. Die 26-jährige Elvira I.* unterrichtete Englisch in der fünften Klasse und lief raus in den Gang, als sie Schüsse hörte. Da wurde sie getötet. Auch ihre Kollegin, die 55-jährige Venera A.*, gehört zu den Todesopfern.

21 Personen wurden verletzt. Rund 18 Schulkinder im Alter von 7 bis 15 Jahren werden momentan in Spitälern in Krankenhäusern behandelt. Sechs von ihnen sind in einem kritischen Zustand.

Der Schütze betrat am Morgen die Schule und eröffnete das Feuer. Einige Schüler versuchten sich zu retten, indem sie aus dem Fenster im dritten Stock sprangen. Andere harrten in ihren Klassenzimmern aus, versteckten sich hinter den Tischen, wie Aufnahmen auf Social Media zeigen.

Beim Täter handelt es sich um den 19-jährigen Ilnas G.*. Der Republikchef von Tartastan, Rustam Minnichanow, nannte ihn einen «Terroristen». G. konnte festgenommen werden.

Tat auf Telegram angekündigt

Der Teenager war selbst Schüler an der besagten Schule, vor vier Jahren hat er dort seinen Abschluss gemacht, schreibt «Meduza». Im Februar erhielt er seinen Jagdschein. Mitte April reiste er ins 150 Kilometer entfernte Joschkar-Ola, um die Waffe zu kaufen. Seinen Waffenschein für die Schrotflinte Hatsan Escort hat der Schütze am 28. April erworben.

Die genauen Hintergründe des Amoklaufs sind noch unklar. Der 19-jährige hatte mit einem Gewehr die Schule durch einen Haupteingang betreten und sofort um sich geschossen. Videoaufnahmen zeigen ihn unmittelbar zuvor auf dem Weg zur Schule. Der Bewaffnete läuft gemütlich entlang eines Zaunes und trägt die Flinte offen neben sich.

Video zeigt Kasan-Amokläufer auf dem Weg zur Schule
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Neun Menschen getötet:Video zeigt Kasan-Amokläufer auf dem Weg zur Schule

Der Teenager kündigte seine Tat zuvor im Nachrichtenkanal Telegram an. Den Account hat er offenbar nur wenige Tage zuvor erstellt und sich dort «Gott» genannt. Am Morgen vor dem Angriff schrieb er, dass er «eine grosse Menge an Biomüll töten» werde. «Dann werde ich mich selbst erschiessen», schrieb der Amokläufer am Schluss. Sein Account ist mittlerweile blockiert.

«Ich habe erkannt, dass ich Gott bin»

Bei seinem Verhör kam raus, dass der 19-Jährige offenbar ein gestörtes Verhältnis zu seiner Familie habe. In einem Video ist zu sehen, wie der Amokläufer gefesselt auf einer Bank liegt und aufgeregt sagt: «Ich habe keine Mutter, ich werde sie finden und sie einfach umbringen. Sie ist nicht meine Mutter, ich habe keine Eltern, keine Mutter, ich hasse euch alle. Ich habe keinen Stiefvater. Ich habe sie alle verlassen. Das wissen sie alle sehr gut, ich habe sie nie Mutter oder Vater genannt.»

Davor erläuterte er, warum er sich auf Telegram «Gott» nannte: «Ich habe vor zwei Monaten erkannt, dass ich Gott bin. Ich habe immer alle gehasst. Aber dann habe ich angefangen, alle noch mehr zu hassen», schreit er.

Ilnas wurde gemobbt

Bei dem Angreifer handelt es sich nach Darstellung der Behörden um einen Einzeltäter. «Es gab nur einen Täter», sagte eine Behördensprecherin der Agentur Interfax. Zuvor war noch von einem möglichen zweiten Tatverdächtigen die Rede gewesen. «Informationen über zwei sind nicht richtig», so die Behördensprecherin weiter.

Danis Sabitow, ein ehemaliger Schüler des Gymnasiums, der ein Jahr nach Ilnas G. die Schule abschloss, erzählt gegenüber dem TV-Sender Doschd: «Ilnas war ein sehr ruhiger, introvertierter Mensch. Andere Leute, die ihn besser kannten, sagten mir, dass er in der Schule gemobbt wurde.» Er glaube, dass der psychische Zustand des 19-Jährigen dazu führte, dass er Groll hegte und deshalb die Tat beging.

Explosion und Schüsse

Nach dem Amoklauf stehen Schüler, Lehrer und Eltern unter Schock. Ein Schüler berichtet lokalen Medien: «Der erste Stock ist komplett zerstört, die Fenster sind kaputt, die Wände sind kaputt. Die Explosionen waren sehr laut.» Er habe ungefähr 20 Schüsse gehört.

Eine Schülerin wird in russischen Medien zitiert: «Die Schulleiterin kündigte über die Freisprecheinrichtung an, dass wir in den Klassenzimmern bleiben sollen, weil Terroristen in unserer Schule sind.» Nach 20 Minuten hätten sie flüchten können und andere Schüler draussen getroffen. Die restlichen Kinder konnten evakuiert werden und wurden im benachbarten Kindergarten in Sicherheit gebracht.

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Auf Videos von vor Ort war zu sehen, wie Rettungswagen und Polizeifahrzeuge mit Blaulicht und Sirene zu der Schule rasten. Menschen standen vor dem Gebäude und beobachteten die Lage. Später wurde die Schule weiträumig abgesperrt.

Kinder flüchten aus dem Gebäude
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Angriff auf russische Schule:Kinder flüchten aus dem Gebäude

Putin spricht Beileid aus

Nach dem Angriff auf die Schule in Kasan hat Präsident Wladimir Putin (68) den Angehörigen der Opfer sein Beileid ausgedrückt. «Der Präsident spricht den Angehörigen der Kinder, die durch die Hand des Schützen gestorben sind, sein tiefes Beileid aus und wünscht den Schulkindern, die verletzt wurden, baldige Genesung», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag laut Agentur Interfax.

Putin wies demnach ausserdem an, eine neue Regelung für zivilen Waffenbesitz auszuarbeiten.Putin spricht Beileid aus Kasan liegt etwa 720 Kilometer östlich von Moskau. In Russland hatten die Schulen erst am Dienstag nach mehr als einwöchigen Ferien begonnen.

Das Verbrechen in Kasan rief auch Erinnerungen an einen der schlimmsten Überfälle auf eine russische Schule im Jahr 2004 wach: Damals brachten tschetschenische Rebellen in Beslan in Nordossetien mehr als 1000 Lehrer, Schüler und Eltern in ihre Gewalt, die sich dort zum Beginn des neuen Schuljahres versammelt hatten. Zwei Tage später stürmten russische Spezialeinheiten die Turnhalle. Dabei kamen mehr als 300 Menschen um, mehr als die Hälfte waren Kinder.

Im Oktober 2018 schoss ein 18-Jähriger in der Stadt Kertsch auf der von Russland einverleibten Schwarzmeer-Halbinsel Krim an einer Berufsschule um sich und zündete einen Sprengsatz. Er und 20 weitere Menschen starben. (bra/man)

*Name bekannt

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