«Es war ein aussergewöhnlicher Notruf»
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Retter berichtet vom Unglück:«Es war ein aussergewöhnlicher Notruf»

Tragödie am Lago Maggiore
14 Tote bei Seilbahn-Absturz – darunter ein Bub (†9)

Auf der italienischen Seite des Lago Maggiore ist die Stresa-Mottarone-Seilbahn am Pfingstsonntag mit 15 Personen an Bord abgestürzt – bisher geht man von 14 Toten aus. Die Bergungsarbeiten vor Ort laufen.
Publiziert: 23.05.2021 um 14:06 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2021 um 19:35 Uhr
Tragödie hoch über dem Lago Maggiore: Auf dem Monte Mattarone ist eine Seilbahnkabine abgestürzt.
Foto: Corpo Nazionale Soccorso Alpino e Speleologico
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Janina Bauer, Myrte Müller, Sven Ziegler

Es sollte der so lang ersehnte Sommerausflug werden – nach so vielen Monaten im Lockdown. Touristen strömen an diesem Pfingstsonntag an den Lago Maggiore. Die Sonne brennt. Der Himmel ist glasklar. Der See schimmert tiefblau. Vom Mottarone aus hat man einen atemberaubenden Blick auf den Verbano und auf die Borromäischen Inseln, Isola Bella, Isola Madra und Isola dei Pescatori.

Touristen haben Tickets gelöst, wollen mit der Gondel zum Hausberg von Stresa hinauf. Die Fahrt geht auf 1491 Metern Höhe. Sie dauert 20 Minuten. 40 Personen maximal haben Platz. Es ist Mittag. Die rot-weisse Gondel setzt sich erneut in Bewegung.

Der Unfall geschah etwa 300 Meter von der oberen Station und 100 Meter vor dem letzten Masten entfernt – dort, wo die Seilbahn am höchsten schwebt. An Bord waren, laut der Bürgermeisterin von Stresa, Marcella Severino (53), 15 Personen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters stürzte die Gondel 20 Meter in die Tiefe.

Wie italienische Behörden auf Twitter bestätigen, ist die Zahl der Toten auf 14 gestiegen. Fünf Leichen seien in der Gondel gefunden worden, neun weitere leblose Körper habe man im Wald entdeckt, heisst es von Seiten der Behörden. Ein Erwachsener und zwei Kinder im Alter von neun und fünf Jahren wurden schwer verletzt. Helikopter brachten sie in das Spital Regina Margherita nach Turin. Die beiden Kinder hatten schwere Verletzungen am Kopf und im Brust- und Bauchbereich sowie gebrochene Beine. Während der Fünfjährige bei Bewusstsein ist, kämpften die Ärzte um das Leben des Neunjährigen, wie «La Stampa» berichtet. Am Abend dann gaben die Behörden bekannt, dass sowohl der Erwachsene wie auch das ältere Kind an ihren schweren Verletzungen gestorben sind.

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Feuerwehrauto überschlug sich bei Rettung

Die Rettungsmannschaften brauchen einige Zeit, um die Absturzstelle zu orten. Dorthin zu gelangen ist schwierig, weil das Gelände steil und unwegsam ist. Als die ersten Retter am Unglücksort eintreffen, stockt ihnen der Atem. «Die Lage war verheerend», erklärt Walter Milan von der Bergrettung gegenüber Rai News. Die Kabine sei aus grosser Höhe in ein Waldstück herabgestürzt und sei von hohen Bäumen aufgefangen worden. «Die Gondel wurde zusammengedrückt», so Milan weiter.

Beim Aufprall auf dem Boden sei die Kabine ins Rollen gekommen und einige Todesopfer wurden herausgeschleudert – darum hätten die Retter bei der ersten Begehung nicht alle entdeckt. Fünf Leichname fand man in der Kabine, acht weitere danach im Wald.

Bei der steilen Anfahrt zum Unfallort ist zudem ein Fahrzeug der Feuerwehr gekippt und hat sich überschlagen. Verletzt wurde niemand.

Monte Mottarona am Lago Maggiore: Das Unglück passierte rund 30 Kilometer von der Schweizergrenze entfernt.

Generalüberholung der Seilbahn

Die Seilbahn Stresa-Alpino Mottarone läuft im Sommer und im Winter. Sie war nach dem zweiten Lockdown wieder in Betrieb genommen. Warum die Gondel abstürzte, ist noch völlig unklar. Die Seilbahn wurde 2014 geschlossen und bis 2016 für 4,4 Mio. Euro generalüberholt. Die Seile wurden magnetoskopisch auf ihre Sicherheit gecheckt, Magnetfeldmessungen haben die Zugseile auf Oberflächenfehler geprüft. Alle Gondeln wurden damals auseinander genommen, kontrolliert, wieder montiert und mit Videoüberwachung ausgestattet. Valeria Ghezzi, die Präsidentin der Nationalen Vereinigung der Seilbahn-Betreiber (Anef), schwört: «Die Anlage war absolut sicher, hatte eine vollständige Wartung hinter sich. Jetzt muss man klären, was genau passiert ist.»

Wie es trotzdem zu dem Unfall kommen konnte, soll umfassend ermittelt werden, wie Verkehrsminister Enrico Giovannini (63) gegenüber Tg1 bestätigt: «Das Ministerium hat begonnen, eine Kommission zu bilden, um den Unfallhergang zu untersuchen. Es wurden auch Nachprüfungen der, in der Vergangenheit vorgenommenen Kontrollen der Anlage in die Wege geleitet.»

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi (71) äussert sich unterdessen betroffen zur Tragödie: «Ich habe mit grossem Schmerz die Nachricht vom Unfall der Seilbahn Stresa-Mottarone vernommen. Im Namen der gesamten Regierung sprechen wir den Familien der Opfer unser Beileid aus. Wir sind in Gedanken bei den Kindern, die so schwer verletzt wurden, und bei ihren Angehörigen.»

EDA hat keine Infos über Schweizer Opfer

Derzeit geht man nicht davon aus, dass Schweizer unter den Opfern sind. «Dem EDA liegen derzeit keine Informationen über Schweizer Opfer vor», sagt eine Sprecherin des EDA zu Blick. Abklärungen dazu seien derzeit noch im Gang. «Das Schweizer Generalkonsulat in Mailand steht dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden vor Ort.»

Am Nachmittag erklärte Leiter der Bergrettung in Verbania noch, unter den Opfern seine Touristen aus Deutschland. Diesen Aussagen widersprach mittlerweile allerdings das Auswärtige Amt laut deutschen Medien. Mittlerweile ist klar: Ein Liebespaar, zwei Freunde und sogar eine ganze Familie – sie alle verloren am Sonntag beim tragischen Unglück ihr Leben.

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