Millionen verehren sie – kann Alla Pugatschowa den Kriegsverlauf beeinflussen?
Warum Russlands Popdiva auf Putin losgeht

Die berühmte Sängerin Alla Pugatschowa wendet sich öffentlich gegen Putin. Nachdem ihr Mann als Verräter eingestuft wurde, äussert sie sich gegen den Krieg. Das könnte in der Bevölkerung hohe Wellen schlagen.
Publiziert: 20.09.2022 um 19:59 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2022 um 22:15 Uhr
Jenny Wagner

Alla Pugatschowa (73) ist die berühmteste Pop-Ikone Russlands und Idol von Millionen. Pugatschowa verkaufte rund 250 Millionen Platten, wird von Jung und Alt verehrt. Zum Ende des Kalten Kriegs sang sie zusammen mit Udo Lindenberg (76) auf Russisch und Deutsch das Lied «Wozu sind Kriege da?». Dass sich Pugatschowa nun gegen den Krieg in der Ukraine äussert, kann einen grossen Einfluss auf die Bevölkerung haben und Wladimir Putin (69) schaden.

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Grund für das politische Statement ist ihr Ehemann Maxim Galkin (46). Der Komiker und Moderator war bis zum Kriegsausbruch beim staatlichen Fernsehen angestellt. Nach der russischen Invasion in der Ukraine wanderten Galkin und Pugatschowa nach Israel aus. Russische Politiker und Kollegen warfen Maxim Galkin seitdem vor, sein eigenes Land in den Dreck zu ziehen, indem er sich in seinen Comedyshows darüber lustig mache. Er erklärte immer wieder, dass er schon seit Beginn seiner Karriere Politiker parodiert habe und sein Land nie beschmutzt habe.

Auf Telegram und Instagram äusserte er sich kritisch gegenüber der Politik: «Russland hat sich so viele schreckliche Dinge zuschulden kommen lassen und leugnet es einfach. ‹Die Massaker von Butscha – das waren nicht wir. Die malaysische Boeing – das waren nicht wir. Mariupol dem Erdboden gleichgemacht – das waren nicht wir. (...) All das waren wir nicht.› Aber was machen wir dort dann überhaupt?» Solche Aussagen könnten der wahre Grund dafür sein, weshalb das Justizministerium Galkin auf die Liste «ausländischer Agenten» setzte. Er gilt nun als Verräter, der sich politisch zugunsten der Ukraine äusserte.

2014 überreichte Wladimir Putin der Popdiva Alla Pugatschowa den «Verdienstorden für das Vaterland» – und das nur wenige Monate nachdem Russland die Krim annektiert hatte.
Foto: keystone-sda.ch
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«Russland wird zum Paria»

Da wurde es auch der Pop-Ikone zu viel. Alla Pugatschowa bat in einem Instagram-Post das Ministerium darum, sie ebenfalls auf die Liste «ausländischer Agenten» zu setzen. Sie teile die Meinung ihres Ehemanns, «eines ehrlichen und rechtschaffenen Menschen». Er wünsche sich «Wohlstand, ein friedliches Leben, Redefreiheit und ein Ende des Sterbens unserer Jungs für illusorische Ziele». Denn diese Ziele würden das Land isolieren und zum Paria machen. Pugatschowa befindet sich mit den beiden gemeinsamen Kindern wieder in Russland, während sich Galkin weiterhin im Exil befindet.

Auch Galkin reagierte auf die Massnahme des Ministeriums. In einem Video bestritt er alle Vorwürfe. «Vor zehn Jahren, als ich in der Ukraine auftrat, bekam ich Geld. Aber ich bekomme schon seit vielen Jahren keine Kopeke von der Ukraine. Der Grund ist ausgedacht», sagte er auf Telegram. Er betonte, dass seine politische Satire unter die von der Verfassung gedeckte Meinungsfreiheit falle und nicht rechtswidrig sei.

Dass sich die beiden jetzt politisch gegen den Kreml positionieren, könnte hohe Wellen in der Bevölkerung schlagen. Denn obwohl Pugatschowa auch schon zu Sowjetzeiten immer wieder aneckte, wandte sie sich nie konkret gegen die Regierung. 2014 überreichte Wladimir Putin (69) Alla Pugatschowa sogar persönlich den «Verdienstorden für das Vaterland» – nur wenige Monate, nachdem Russland die Krim annektiert hatte.

Der Instagram-Post von Pugatschowa erhielt über 700'000 Likes, und die meisten Kommentare unterstützen die Sängerin. In den russischen Medien liess man Pugatschowas Haltung zum Krieg weg und berichtete lediglich, dass sie wie ihr Mann auf die Liste «ausländischer Agenten» aufgenommen werden möchte.

Gemischte Reaktionen in Kollegenkreisen

Die Reaktionen unter ihren Kolleginnen und Kollegen fielen laut der Onlinezeitung «Medusa» hingegen sehr unterschiedlich aus. Der Komiker Vladimir Vinokur (74) bestreitet, dass in Pugatschowas Worten ein politisches Statement steckt und schrieb: «Sie solidarisiert sich einfach mit dem Mann, mit dem sie zusammenlebt.» Der kremlnahe Rapper Timati (39) hingegen prangerte den falschen Patriotismus von Pugatschowa und Galkin an, die ihr Land «mit Schlamm besudeln». Die Schauspielerin Maria Schukschina (55) sagte, dass die russischen Soldaten «sowohl moralisch als auch geistig» Pugatschowa weit überlegen seien, denn sie würden für die richtige Sache kämpfen.

Es gab allerdings auch Zustimmung von bekannten Persönlichkeiten. Der Oppositionelle Dmitri Gudkow (42) schreibt: «Wer ist Putin? Eine unbedeutende politische Figur aus der Ära Alla Pugatschowa.» Und Regisseur Kantemir Balagow (31) sagt: «Alla Pugatschowa ist ein Gigant. Ich verstehe nicht, welche Beweise es noch braucht, dass Frauen die Zukunft dieses Landes sind.»

Direkte Konsequenzen muss Pugatschowa nicht befürchten. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ignorierte die enorme Resonanz des Instagram-Posts. «Ich glaube nicht, dass dies eine Frage ist, mit der der Kreml irgendetwas zu tun hat», sagt er. Doch Kreml-Gegner sind überzeugt, dass es ein Fehler ist, Pugatschowas politisches Statement als Kleinigkeit abzutun. Denn dass sich ein Vorbild vieler Russen gegen die Regierung auflehnt, könnte die Bevölkerung mobilisieren, die eh immer kritischer zur «Sonderoperation» in der Ukraine steht. Galkin hingegen muss dem Justizministerium nun Einsicht in seine Einnahmen und Ausgaben gestatten, sonst drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.

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