Migrations-Krise in Ceuta
Trumps Werk und Marokkos Beitrag

Nach der überraschenden Ankunft von rund 8000 Migranten in der spanischen Enklave Ceuta knallt es zwischen der EU und Marokko. Schuld an der diplomatischen Krise trägt auch der Ex-US-Präsident.
Publiziert: 19.05.2021 um 15:38 Uhr
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Aktualisiert: 19.05.2021 um 15:55 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Rund 8000 Migranten in 36 Stunden. Das ist die vorläufige Bilanz der chaotischen Tage in der spanischen Nordafrika-Exklave Ceuta am Mittwoch. Zwei Tage zuvor hatte die marokkanische Polizei die Kontrolle des angrenzenden Küstengebiets aufgegeben. Tausende nutzten die Chance, um eine Mole herum in die EU zu schwimmen.

Einen Grossteil der Angekommenen – circa 4800 Menschen – hat Spanien bereits wieder abgeschoben. Viele seien freiwillig zurückgekehrt, teilte ein Vertreter des spanischen Innenministeriums mit. Den amtlichen Angaben zufolge beläuft sich die Zahl der neuen Ankünfte mittlerweile «praktisch auf Null».

Also Ordnung wieder hergestellt? So einfach ist es nicht. Denn die Migrations-Krise in Ceuta legt einen lang schwelenden Konflikt um die Westsahara frei. Angeheizt hat ihn Ex-US-Präsident Donald Trump (74) kurz vor Ende seiner Amtszeit.

Mit einer umstrittenen Entscheidung hat Ex-US-Präsident Donald Trump im Dezember 2020 den Konflikt um die Westsahara befeuert.
Foto: AFP
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Zoff dreht sich um die Westsahara

Auf Ceuta ist die Lage zwar wieder ruhiger, doch zwischen den betroffenen Ländern knallt es. Marokko hat seine Botschafterin in Madrid, Karima Benyaich (58), zurückgerufen – zu «Beratungen», wie die staatliche Nachrichtenagentur MAP am Dienstagabend meldete.

Doch die EU und vor allem Spanien sind mächtig sauer auf Marokko. Die Regierung in Madrid zitierte die marokkanische Botschafterin vor ihrem Rückruf ins Aussenministerium, um ihr «den Unmut und die Ablehnung» Madrids zu übermitteln, wie Aussenministerin Arancha González Laya (51) sagte. Kurz vor dem Gespräch hatte die Botschafterin Benyaich der Nachrichtenagentur Europa Press gesagt, in den Beziehungen zwischen den Ländern gebe es Handlungen, «die Konsequenzen haben».

Dabei geht es um die Frage, wem die Westsahara – bis 1975 eine spanische Kolonie – gehört. Marokko kontrolliert drei Viertel des dünn besiedelten Gebiets an der Nordatlantikküste und gesteht der «Freien Zone», die von der Unabhängigkeitsbewegung Polisario kontrolliert wird, nur eingeschränkte Autonomie zu.

Trump tauschte Anerkennung gegen Friedensabkommen

Diesen Gebiets-Zoff hat Donald Trump im Dezember 2020 mit einer waghalsigen Entscheidung verschärft. Der damalige US-Präsident erkannte die marokkanische Souveränität über das seit langem umstrittene Gebiet der Westsahara an – ohne Absprache mit der EU.

In seinen letzten Monaten im Weissen Haus war Trump besonders um aussenpolitische Erfolge bemüht. Im Austausch für die Anerkennung der USA unterzeichnete die Regierung in Rabat ein Friedensabkommen mit Israel. Dass Marokko und Israel längst in freundschaftlicher Beziehung zueinander standen, spielte für Trump keine Rolle.

Damals twitterte Trump, dass die marokkanische Souveränität «dauerhaften Frieden und Wohlstand» bringen würde. Dabei hatte die Unabhängigkeitsbewegung Polisario erst kurz zuvor ihren drei Jahrzehnte langen Waffenstillstand mit Marokko beendet.

Nun rächt sich die Symbolpolitik. Denn die EU ist Trumps Sonderweg bei dem an die spanische Exklave Ceuta grenzendem Gebiet der Westsahara nicht gefolgt.

Marokko-Minister kritisiert Madrid

Rabat ist verärgert, weil der Chef der Unabhängigkeitsbewegung Polisario in der Westsahara, Brahim Ghali (71), in einem spanischen Krankenhaus behandelt wird. Spanien habe einem Verantwortlichen einer Gruppe Zuflucht geboten, welche die Waffen gegen Marokko erhebe, schrieb Marokkos Minister für Menschenrechte, El Mostafa Ramid (62), auf Facebook. Die Regierung in Madrid wisse, dass der Preis hoch sei, wenn sie Marokko unterschätze.

Die Worte verdeutlichen: Die Migranten, die vor Arbeits- und Perspektivlosigkeit, den Folgen des Klimawandels und instabilen politischen Verhältnissen praktisch weggeschwommen sind, dienen nun als Verhandlungs- und Druckmasse.

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