Mercosur-Staaten bilden die grösste Freihandelszone der Welt
Auch die Schweiz will Vertrag mit Bolsonaro

Was Brüssel jetzt gelungen ist, will nun auch Bundesbern: Ein Freihandelsabkommen mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Der Bundesrat hofft auf eine Vereinbarung im August.
Publiziert: 29.06.2019 um 20:15 Uhr
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Aktualisiert: 02.07.2019 um 10:39 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Beim Gruppenfoto wirken sie gelöst und fröhlich. Bei einem Spitzenreffen während des G-20-Gipfels im japanischen Osaka feierten Staats- und Regierungschefs aus Europa und Südamerika jetzt ihren Erfolg: Nach 20 Jahren haben sich die EU und die Mercosur-Staaten auf ein Freihandelsabkommen geeinigt.

Steif hinter Angela Merkel stehend, schaut Brasiliens Staatspräsident Jair Bolsonaro zwar ein wenig sauertöpfisch drein, feiert das Abkommen aber später auf Twitter als «historisch». Indem der «brasilianische Trump» einen Sinneswandel hinlegte, hat er die grösste Freihandelszone der Welt ermöglicht. 

Auch die Schweiz will so ein Abkommen

Die Mega-Freihandelszone ist grösser als der nordamerikanische Freihandelsvertrag Nafta. 780 Millionen Konsumenten sind darin vereinigt; ihre Mitgliedsländer erwirtschaften 25 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts. Es war ein langer Weg bis zum Abkommen – nicht zuletzt durch interne Streitigkeiten: Paraguay wurde ausgeschlossen und wieder aufgenommen, bei Venezuela war es genau umgekehrt. Während der Handelskrieg USA-China noch lange nicht ausgefochten ist, liefert der Europa-Lateinamerika-Deal ein bemerkenswertes Beispiel für weltweite Zusammenarbeit.

Auch, weil der «brasilianische Trump» Jair Bolsonaro eingelenkt hat, gibt es jetzt die grösste Freihandelszone der Welt.
Foto: AFP
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Die Schweiz muss sich nun beeilen. Gemeinsam mit Liechtenstein, Island und Norwegen arbeitet auch sie daran, Zölle zwischen den Efta-Staaten und den Mercosur-Ländern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay abzubauen. Auf Schweizer Hartkäse etwa erhebt der Mercosur 28 Prozent Abgaben. «Ohne raschen Abschluss der eigenen Verhandlungen wird die Schweiz als Exportnation Marktanteile verlieren», sagt Jan Atteslander von Economiesuisse. 

Urs Wiedmer, Kommunikationschef des Wirtschaftsdepartements hingegen gibt sich optimistisch: «Der Abschluss der Verhandlungen könnte unsere Verhandlungen erleichtern, denn in vielen Bereichen stossen wir auf ähnliche Probleme wie die EU.» Offen seien vor allem Fragen zum Marktzugang für Industrie- und Agrargüter und zum geistigen Eigentum – auch Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Indien stocken seit Jahren wegen ungeklärter Patentrechtsfragen in der Pharmabranche. Wiedmer: «Wir sind aber zuversichtlich, unsere Verhandlungen in den nächsten Monaten ebenfalls erfolgreich abzuschliessen.» 

Bauern fürchten Billigfleisch, die Grünen Pestizide

Bei Bauern und Grünen löst das nahende Abkommen Entsetzen aus. Schweizer Landwirte fürchten die Konkurrenz von billigem Rindfleisch und Geflügel. Regula Rytz, Nationalrätin und Präsidentin der Grünen, bereiten Entwicklungen in den südamerikanischen Ländern Sorge, mit denen die Schweiz mehr Handel treiben will. «Es kann kein Freihandelsabkommen geben mit Staaten, die den globalen Umwelt- und Klimaschutz hintertreiben und die Menschenrechte mit Füssen treten.» Ein Problem seien besonders die ungleichen Anforderungen bei Umwelt- und Klimaschutz, Antibiotikaeinsatz und Pflanzenschutz. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat die Regierung Bolsonaro eine Rekordzahl neuer Pestizide zugelassen.

Der Bundesrat macht dennoch vorwärts. Schon bei der nächsten Verhandlungsrunde im August könnte die Vereinbarung Realität werden, heisst es aus Regierungskreisen. Eine vom Seco in Auftrag gegebene Umweltstudie zu den Folgen in der Schweiz und den Mercosur-Staaten erscheint allerdings frühestens im Herbst – die Tinte unter dem Abkommen ist dann vermutlich längst getrocknet.

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