Mehr Flüchtlinge als Einwohner
Diese Insel droht das neue Lampedusa zu werden

Wegen verstärkter Grenzkontrollen und Küstenwache wagen sich Migrantenboote immer weiter in den Atlantik. Die kanarische Insel El Hierro zählt mittlerweile mehr Geflüchtete als Einwohner. Die Fluchtrouten werden immer waghalsiger.
Publiziert: 08.11.2023 um 21:33 Uhr
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Aktualisiert: 09.11.2023 um 06:29 Uhr

Die kanarische Insel El Hierro zählt mittlerweile mehr Flüchtlinge als Einwohner. Tausende Migranten nehmen den Weg von der westafrikanischen Küste über den Atlantik – und riskieren dabei ihr Leben. 

32'000 Menschen sind allein 2023 auf den Kanaren gelandet, wie der «Tagesspiegel» schreibt. Das sind mehr als je zuvor. In Fischerkähnen und Schlauchbooten versuchen die Menschen über das Meer zu kommen. Die Fahrt von Senegal etwa dauert sieben Tage lang.

Die Kapazitäten von El Hierro sind ausgeschöpft. «Wir können nicht so viele Menschen bei uns aufnehmen», sagt Inselpräsident Alpidio Armas. Die kleine Insel zählt gerade einmal 11'000 Einwohner. Allein dieses Jahr kamen 12'000 Geflüchtete auf der spanischen Insel an. Armas warnt: «Wir haben nicht die Mittel, um die Menschen zu versorgen. Nicht einmal der Bäcker ist darauf vorbereitet, statt bisher 100 plötzlich 1000 Brote am Tag zu backen.» Die Flüchtlinge kommen derzeit im Kloster unter – Asylzentren gibt es nicht. 

Auf der kanarischen Insel El Hierro kamen im Jahr 2023 bereits 12'000 Flüchtlinge an.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS
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Schiffe versuchen, Grenzschutz zu umgehen

El Hierro droht zum neuen Lampedusa zu werden. Die italienische Insel wurde zum Hotspot der europäischen Migrationspolitik. In den vergangenen Jahren kamen wenige Geflüchtete auf El Hierro an. Denn: Inseln wie Fuerteventura und Gran Canaria liegen näher an der westafrikanischen Küste und sind grösser. Doch auch die Gefahr, erwischt zu werden, ist dort grösser. 

Spanien vereinbarte jüngst mit Marokko, Mauretanien, Senegal und Gambia, dass die Seegrenze an der westafrikanischen Küste stärker überwacht wird. Dadurch wird aber die Migrationsroute weiter in den Atlantik hinein verlegt – und wird so immer gefährlicher. «Die Flüchtlingsschiffe versuchen jetzt, die Kontrollen des Grenzschutzes zu umgehen, indem sie in möglichst grossem Abstand zur Küste fahren», erklärt ein Beamter.

12'500 Flüchtlinge aufgehalten

Die Küstenwache kontrolliert mit Schiffen und Flugzeugen, dass keine Boote durchkommen. Wenn Flüchtlingsschiffe entdeckt werden, schleppt die Grenzwache sie zurück. 2023 wurden 12'500 Flüchtende so davon abgehalten, nach Europa zu kommen. 

Viele Fluchtversuche enden tödlich. Manche Menschen sterben von den Strapazen auf der Überfahrt. Offiziell wurden dieses Jahr 512 Tote gezählt – doch die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Denn viele Boote gehen im Atlantik verloren. (jwg)

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