Krieg in der Ukraine
ETH-Professor fährt 68 Stunden, um Mutter zu retten

Der Ukrainer Maksym Kovalenko (39) ist Chemie-Professor an der ETH Zürich. Nach dem Einmarsch der Russen in sein Heimatland machte er sich mit dem Auto auf, um Mutter und Schwiegermutter in die Schweiz zu holen.
Publiziert: 02.03.2022 um 21:21 Uhr

Der letzte Flug in die Ukraine war gestrichen. ETH-Professor Maksym Kovalenko (39) blieb nur eine tagelange Autofahrt übrig, um seine 65-jährige Mutter und seine 82-jährige Schwiegermutter zu retten.

Der Ukrainer Kovalenko ist seit 2011 im Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH Zürich tätig. Als letzte Woche klar wurde, dass der russische Präsident Wladimir Putin (69) seine Soldaten nicht nur in die Ostukraine schickte, sondern das ganze Land im Visier hatte, machte sich der ETH-Professor zusammen mit einem Freund auf den Weg.

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Wie Kovalenko in einem auf der ETH-Homepage veröffentlichten Interview erklärt, sind die beiden Frauen gesundheitlich angeschlagen und ohne weitere Kinder oder Verwandte, die ihnen helfen könnten. Auch «Spiegel» berichtet über die Aktion von Kovalenko.

«Fühle mich schuldig, weil ich hier in Sicherheit bin und mein Leben nicht für mein Land riskiere»: Maksym Kovalenko, Chemie-Professor an der ETH Zürich.
Foto: ethz.ch
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Er und seine Frau, die an der Empa forscht, wuchsen in der Nähe der Stadt Czernowitz in der westukrainischen Region Bukowina auf. Kovalenkos Mutter und seine Schwiegermutter wohnten bis zuletzt immer noch dort. «Es bestand die Gefahr, dass sie bei einem Vorstoss der russischen Truppen in die Westukraine eines Tages abgeschnitten würden», sagt der ETH-Professor.

Lange Warteschlangen an den Grenzen

Der Plan war, dass ein Freund der Familie die beiden Frauen mit dem Auto nach Costesti an der moldawisch-​rumänischen Grenze brachte. «Gemeinsam mit meinem Freund, dem Empa-​Forscher Kostiantyn Kravchyk, der auch Ukrainer ist, verliess ich Zürich am Freitagabend gegen 20 Uhr. Wir wechselten uns am Steuer ab und fuhren praktisch nonstop durch Deutschland, Österreich, Ungarn und Rumänien», erzählt Kovalenko. «Wir wollten so schnell wie möglich bei meiner Mutter und meiner Schwiegermutter sein und legten nur kurze Pausen ein. Nach 25 Stunden Fahrt kamen wir am Samstag gegen 21 Uhr in Costesti an.»

Als Kovalenko und sein Begleiter die beiden Frauen in Moldawien antrafen, machten sie sich sogleich auf die 1700 Kilometer lange Rückfahrt nach Zürich. «Ich war sehr erleichtert, dass alles geklappt hat wie geplant und dass es beiden gut ging», sagt der ETH-Professor.

Doch der Rückweg gestaltete sich schwierig: «Das erste Hindernis war der Grenzübergang von Moldawien nach Rumänien. Wir mussten sieben Stunden warten, um einreisen zu können. Es gab einen riesigen Stau auf einer einspurigen Strasse. Wir kamen nur sehr langsam vorwärts, etwa zehn Meter alle 15 Minuten.» Jedes Auto sei gründlich kontrolliert worden. An der ungarischen Grenze hätten sie weitere acht Stunden warten müssen.

Kovalenko erzählt aber auch von positiven Erlebnissen: «Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel Hilfsbereitschaft wir an beiden Grenzen erlebt haben. Freiwillige und Leute vom Roten Kreuz verteilten Essen und Trinken an die Menschen in den wartenden Autos.»

Die beiden Freunde wechselten sich erneut am Steuer ab und fuhren Tag und Nacht durch. Nach 68-stündiger Fahrt kamen sie am Montagnachmittag schliesslich in Zürich an. «Ehrlich gesagt, wenn ich an all die tapferen ukrainischen Männer und Frauen denke, die gerade unsere Heimat verteidigen, fühle ich mich schuldig, weil ich hier in Sicherheit bin und mein Leben nicht für mein Land riskiere», sagt Kovalenko. (noo)

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