Knall in Schottland
Regierungschefin Sturgeon will zurücktreten

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon will Berichten zufolge ihr Amt aufgeben. Das meldeten die Sender BBC und Sky News am Mittwoch unter Berufung auf Regierungsquellen.
Publiziert: 15.02.2023 um 11:10 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2023 um 09:33 Uhr

Sie hatte genug. Jedenfalls sagt das eine anonyme Quelle gegenüber dem britischen Nachrichtensender «BBC», und zwar über die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon. Laut mehrerer britischer Medienberichte will die 52-Jährige ihr Amt aufgeben – sowohl als Parteichefin als auch als «First Minister» will sie zurücktreten.

Auch wenn diese Entscheidung für viele überraschend und für manche zu früh komme, wisse sie «mit meinem Herzen und meinem Verstand, dass dies der richtige Zeitpunkt» sei, teilte sie am Mittwochnachmittag an einer Pressekonferenz in Edinburgh mit. Sturgeon will als «First Minister» und Chefin der Schottischen Nationalpartei bleiben, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden ist. Das Amt sei das «Privileg ihres Lebens» gewesen und sie sei unendlich dankbar, sagte sie vor den Medien.

Zuletzt musste Sturgeon im Ringen um die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich mehrere Dämpfer hinnehmen. London blockiert eine erneute Abstimmung über die Frage, ob Schottland weiterhin Teil des Vereinigten Königreichs bleiben soll oder nicht. Zudem verloren die Unabhängigkeitsbefürworter vor dem höchsten britischen Gericht.

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon will Berichten zufolge ihr Amt aufgeben.
Foto: AFP
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«Ich bin enttäuscht»

Der Supreme Court hatte geurteilt, dass das schottische Regionalparlament kein Recht hat, ohne Zustimmung der britischen Regierung eine Volksabstimmung anzusetzen. Sturgeon sagte, sie sei enttäuscht von der Entscheidung, akzeptiere sie aber. Unabhängigkeit müsse auf legalem und demokratischem Wege erreicht werden.

Sturgeon sagte an der Pressekonferenz: «Ich glaube fest daran, dass mein Nachfolger Schottland in die Unabhängigkeit führen wird.» Der Kampf könne gewonnen werden und befinde sich aus ihrer Sicht «in der finalen Phase».

Zudem belastete zuletzt der Streit um ein kontroverses Gender-Gesetz die schottische Regierung. Mit dem Gesetz, für welches das schottische Parlament im vergangenen Jahr gestimmt hatte, soll unter anderem die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen

Das Mindestalter für einen Antrag soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. Als Transmenschen werden Personen bezeichnet, die sich dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig fühlen.

Joanne K. Rowling hat das Gesetz kritisiert


Daran gab es viel Kritik, zu den prominentesten Kritikerinnen gehört die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling (57). Sie und ihre Mitstreiter befürchten, dass Männer die vereinfachten Regelungen ausnützen könnten, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudringen, die Frauen vorbehalten sind, wie zum Beispiel Damenumkleiden oder -toiletten.

Unterstützer sehen in dem Gesetz hingegen eine längst überfällige Reform, die Transmenschen das Leben erleichtern und ihnen ermöglichen könne, selbstbestimmt zu leben.

Mit Blick auf die Debatte um das umstrittene Gender-Gesetz sagte Sturgeon, ihr Rücktritt sei keine Reaktion auf die jüngste Kontroverse. Stattdessen merke sie mittlerweile, welchen körperlichen und psychischen Spuren die grossen Belastungen der Corona-Pandemie für sie als Regierungschefin hinterlassen haben.

Normalerweise habe sie sich morgens immer davon überzeugen können, dass sie habe, was es brauche, um weiterzumachen. Seit einigen Wochen, etwa seit Jahresanfang, habe sie damit jedoch mehr und mehr gekämpft. «Ich bin ein menschliches Wesen, und jedes menschliche Wesen ringt jeden Tag mit einer ganzen Reihe von widersprüchlichen Gefühlen.» Zwar könne sie vielleicht noch ein Jahr weiter machen, doch könne sie immer weniger Energie in den Job investieren. «Und ich kann den Job nicht anders machen als auf einer 100-Prozent-Basis. Das Land hat nichts anderes verdient.»

Die Fragen, ob das Amt das Richtige für sie sei und ob sie die Richtige für ihre Partei, ihr Land und den Kampf für die schottische Unabhängigkeit sei, sei immer schwieriger mit «Ja» zu beantworten gewesen, sagte Sturgeon. «Ich bin zu der schwierigen Entscheidung gekommen, dass es nicht mehr so ist.» Sie wolle ihrer Partei daher die Freiheit geben, sich für eine neuen Führung zu entscheiden. Sturgeon will Abgeordnete im schottischen Parlament bleiben.

Sturgeon ist seit 2014 im Amt. Sie ist damit die am längsten amtierende schottische Regierungschefin. Sturgeon folgte auf ihren damaligen Parteikollegen Alex Salmond, der mittlerweile eine neue Partei gegründet hat.

Nun ist die Zukunft ungewiss. Es gebe keine natürliche Nachfolgeregelung, sagte Hughes. Genannt wird etwa Finanzministerin Kate Forbes (32), die eben erst aus der Elternzeit zurückkehrt. Auch Sturgeons Vize John Swinney (58) und Gesundheitsminister Humza Yousaf (37) gelten als Kandidaten. (SDA/tva)

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