«Russland wird nicht erfreut sein»
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Investigativ-Journalist:«Russland wird nicht erfreut sein»

Exklusiv
Katar wollte Putin ausspionieren – auf Schweizer Boden!

SonntagsBlick-Recherchen enthüllen heikle Spionagepläne der Scheichs. Sie hatten es auf Putin abgesehen – während er in Zürich war. Das Vorhaben zeigt, dass sich Katar in der Schweiz so sicher fühlte, dass es hier seine sensibelsten Operationen durchführen wollte.
Publiziert: 11.12.2022 um 01:11 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2022 um 09:38 Uhr
Leo Eiholzer

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Es sind Vorgänge, die für immer geheim bleiben sollten: Die WM-Bewerber Katar und Russland arbeiteten verdeckt zusammen, um sich gegenseitig die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 zu sichern. Das zeigen Recherchen von SonntagsBlick.

Die Recherchen zeigen auch: Katar entwickelte gewagte Spionagepläne, um sicherzugehen, dass die russischen Partner tatsächlich Wort halten. Das Ziel: die russische Staatsspitze. Und: Um Informationen zu sammeln, zählte Katar auf die Hilfe eines früheren und eines damals noch aktiven Mitarbeiters des amerikanischen Geheimdienstes CIA.

Katar wollte 2010 in Zürich Wladimir Putin bespitzeln.
Foto: AP
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Präsidenten, Premierminister und Prinzen belegten in Zürich Anfang Dezember 2010 die Nobelhotels, als der Weltverband Fifa die Fussball-WM zu vergeben hatte. Es war die Wahl, die Russland und Katar die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 sicherte. Auch der starke Mann Russlands, der damalige Ministerpräsident Wladimir Putin, flog ein.

Agententhriller in Zürich

Hinter den Kulissen wollte Katar in Zürich Spionage betreiben. Gegen niemand Geringeren als Putin, während sich dieser auf Schweizer Boden befand. Katar gab die Bespitzelung des russischen Machthabers in Auftrag, wie Dokumente zeigen.

Einer der Pläne, die Katar verfolgte, war, die Spionageoperation einer amerikanischen Sicherheitsfirma namens Global Risk Advisors zu übertragen. Das Unternehmen um den Ex-CIA-Agenten Kevin Chalker besteht massgeblich aus früheren Mitarbeitern von US-Geheimdiensten. Die Firma hatte zu dem Zeitpunkt schon Monate für Katar gearbeitet und Personen im Umfeld der Fifa ausspioniert, wie die Nachrichtenagentur Associated Press und SRF publik machten. Kevin Chalker war laut SRF deshalb schon nach Zürich gereist, um Hotelzimmer von Fifa-Funktionären und Journalisten zu verwanzen.

Die geplante Bespitzelung Putins richtete sich aber nicht gegen die Konkurrenz. Es geht um Spionage unter Freunden.

Die WM-Bewerbungen von Katar und Russland kooperierten hinter den Kulissen miteinander. Verschiedene Medien weltweit spekulierten in den letzten Jahren über eine solche geheime Zusammenarbeit. Mehrere Quellen aus dem russischen wie katarischen Lager bestätigen nun erstmals gegenüber SonntagsBlick Absprachen zwischen Russland und Katar. Die Recherchen zeigen überdies, dass die von Katar angeheuerten Spione Treffen mit dem Chef der russischen Bewerbung Witali Mutko – damals Sportminister Russlands und Fifa-Exekutivkomiteemitglied – organisierten.

Im Geheimdienst-Business bespitzelt man gerne auch seine Verbündeten. Um sicherzugehen, dass sie tatsächlich das tun, was sie versprechen. Nach dem Motto: «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.»

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«Das ist nochmals eine ganz andere Qualität als ­Spionage gegen Fifa-Funktionäre.»
Ericht Schmidt-Eenboom, Geheimdienst-Experte
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Der renommierte deutsche Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom sagt: «Ein ausländisches Staatsoberhaupt ausspionieren zu wollen – noch dazu eines wie Wladimir Putin –, ist ausserordentlich signifikant. Das ist nochmals eine ganz andere Qualität als Spionage gegen Fifa-Funktionäre.» Obwohl Katar sie in Auftrag gab – die Recherche förderte keine Hinweise zutage, dass die Spionage gegen Putin tatsächlich stattfand.

Dennoch zeigt der Fall, dass die katarischen Spionageambitionen beinahe unbegrenzt waren. Und dass sich Katar in der Schweiz so sicher fühlte, dass es hier seine heikelsten Operationen durchführen wollte. Bei der Recherche konnten keine Anhaltspunkte gefunden werden, dass die Schweizer Spionageabwehr, also der Nachrichtendienst des Bundes (NDB), die Aktivitäten behindert hätte – trotz mehrerer Aktionen auf Schweizer Boden. Britische Anwälte der katarischen Regierung schreiben gegenüber SonntagsBlick von «falschen» Informationen. Eine detaillierte Stellungnahme traf bis Redaktionsschluss nicht ein. Der russische Fussballverband antwortete nicht auf eine Anfrage. Global Risk Advisors und Kevin Chalker liessen über Anwälte ausrichten, «alle Vorwürfe» seien falsch.

Es fällt kein gutes Licht auf Katar

Der Weg Katars zum WM-Gastgeberland war von Korruptions- und Spionagevorwürfen begleitet. Die Recherchen bringen nun einen weiteren Aspekt ans Licht. Gemäss Dokumenten und Aussagen mehrerer Quellen hatten die katarischen Spione Hilfe von einem damals noch aktiven Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes CIA.

Kevin Chalker, der von Katar beauftragte Spion, war selbst fünf Jahre lang CIA-Mitarbeiter, bevor er die Firma Global Risk Advisors gründete. Einer seiner Vorgesetzten bei der CIA war ein Mann namens Denis Mandich. Mandich wurde Jahre später der Partner von Chalker bei Global Risk Advisors. Er ist heute auch Technologie-Chef der von Chalker gegründeten Verschlüsselungsfirma Qrypt. Zum Zeitpunkt der WM-Vergabe und noch mehrere Jahre danach arbeitete Mandich aber weiter bei der CIA.

Doch schon damals, als aktiver CIA-Agent, half Mandich gemäss Recherchen seinem Freund Chalker gegen Bezahlung mit Informationen. Gemäss Dokumenten und mehreren Quellen gab Mandich Informationen aus internen CIA-Datenbanken weiter: Er tätigte etwa Abfragen nach Informationen über Personen oder Telefonnummern.

Geheimdienst-Kenner Schmidt-Eenboom sagt: «Es ist davon auszugehen, dass solche Informationen klassifiziert sind.» Und: «Rückbeziehungen» zu aktuellen Geheimdienstmitarbeitern seien genau die Stärke der privaten Firmen, die Ex-Spione gründen.

Doch mehr noch: Mandich verfügte im Rahmen seiner Arbeit für die CIA über heikle nachrichtendienstliche Kontakte zu einem russischen Oligarchen – einem Kreml-Insider, der an der russischen WM-Bewerbung beteiligt war. Mandich nutzte diesen sensitiven CIA-Kontakt, um dem von Katar angeheuerten Kevin Chalker Informationen über die russische Bewerbung zukommen zu lassen.

USA unterlagen Katar nur knapp

Die Nachrichtenagentur Associated Press berichtete vor einigen Wochen bereits, dass Mandich während seiner Arbeit bei der CIA Vorschläge, die Chalker Katar unterbreiten wollte, begutachtete und Ratschläge gab. Recherchen von SonntagsBlick zeigen nun, dass diese Mitarbeit viel früher begann – und viel problematischer war, als bisher bekannt.

Die von Global Risk Advisors beauftragten Anwälte bezeichneten auch alle gegenüber Denis Mandich erhobenen Vorwürfe als falsch.

Die Vorgänge sind explosiv, weil der härteste Konkurrent Katars bei der Vergabe damals die USA waren. Nur ganz knapp unterlag die Supermacht dem winzigen Wüstenstaat.

Hinter den Kulissen dienten zwei Amerikaner den Scheichs zu – und halfen mit, dass die Fussball-WM nicht in ihr eigenes Land kam. So, dass wir heute Fussball in Doha schauen müssen anstatt im Sommer in New York oder Miami.

Sowohl Denis Mandich als auch Kevin Chalker müssen sich in den USA momentan einer Zivilklage stellen. Eingereicht wurde sie von Elliott Broidy, einem Vertrauten des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Private Daten Broidys wurden an Zeitungen geleakt – er wirft Chalker und Mandich vor, ihn im Auftrag Katars gehackt zu haben. Die Beklagten bestreiten sämtliche Vorwürfe. Der Fall ist hängig.

FBI ermittelt gegen von Katar angeheuerten Spion

Die WM-Bewerbungen Russlands und Katars konnten im Dezember 2010 gemeinsam über ihre Weltmeisterschaften jubeln. In den Jahren danach entwickelte sich zwischen den beiden Ländern eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit. 2011, kurz nach der Vergabe der WM, verhandelte Katar über eine Beteiligung an einem russischen Flüssiggasprojekt in der Arktis. Später stieg der Miniwüstenstaat tatsächlich mit zwei Milliarden Dollar ein. Investments in die Flughäfen Moskau und St. Petersburg sowie in die Kreml-nahe Bank VTB folgten. Heute kontrolliert der katarische Staatsfonds 19 Prozent des drittgrössten Unternehmens Russlands: Rosneft, die staatliche Ölförder-Firma.

Gleichzeitig versuchen europäische Länder ausgerechnet durch Deals mit Katar die Abhängigkeit von Russland im Energiebereich loszuwerden. Erst vor wenigen Wochen unterschrieb der grüne Wirtschaftsminister Deutschlands, Robert Habeck, Lieferverträge für Flüssiggas mit dem Emirat. Auch als Bundesrat Ueli Maurer im März 2022 nach Doha reiste, sprach er mit dem katarischen Energieminister über Flüssiggaslieferungen an die Schweiz. Trotz der Verbindungen zwischen Katar und Russland auch hier die Absicht: mit Katars Hilfe aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu entkommen.

Für den von Katar für die WM angeheuerten Spion Kevin Chalker wird es derweil ungemütlich. Die amerikanische Bundespolizei FBI ermittelt seit Monaten wegen seiner Arbeit für Katar, wie die Associated Press berichtete. Das FBI nimmt dazu keine Stellung. Mehrere Quellen bestätigen SonntagsBlick, dass die Untersuchung im Gang ist. Chalker bestreitet die Vorwürfe.

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