Kälteschlaf-Methode ist eine medizinische Sensation
Schwerverletzte Patienten tiefgekühlt und operiert

Medizinern an der amerikanischen Universität Maryland in Baltimore ist es gelungen, Patienten künstlich in den Scheintod zu versetzen und diese Stunden später wieder ins Leben zu holen.
Publiziert: 22.11.2019 um 19:52 Uhr

Ein Team von Ärzten um den Professor Samuel Tisherman von der US-Universität Maryland in Baltimore gelang eine medizinische Sensation: Sie versetzten einen Patienten in den Kälteschlaf und konnten ihn zwei Stunden später wieder zum Leben erwecken.

Das Blut des Patienten wurde dabei mit einer eiskalten Salzlösung ausgetauscht. Die Körpertemperatur sank darauf auf 10 bis 15 Grad. Der Patient hatte keinen Herzschlag mehr, keine Atmung, seine Gehirnaktivität war praktisch auf null – nach heutiger Definition wäre der Patient für tot erklärt worden.

Teil der Sensation ist, dass das Gehirn des Patienten keine Schäden davon getragen hat: «Wenn das Herz nicht mehr schlägt, gelangt kein Sauerstoff mehr zum Gehirn», sagt Bernd Böttiger, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rates für Wiederbelebung. Bei normaler Körpertemperatur nehme das Gehirn schon nach wenigen Minuten Schaden. Die Kälte wirkt dem Zellzerfall entgegen, so Böttiger.

Professor Samuel Tishman gelang es, Patienten in den Kälteschlaf zu versetzen und sie zwei Stunden später wieder ins Leben zurückzuholen.
Foto: University of Pittsburgh Medical center
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Methode noch in der Testphase

Die Methode, die zu deutsch «Notfallkonservierung und Wiederbelebung» oder einfach nur «künstlicher Scheintod» genannt wird, wurde schon an Tieren getestet, wie das Magazin «New Scientist» schreibt.

Professor Tisherman übertrug das Verfahren aber auf Menschen. Die Testversuche führte er an Menschen durch, die schwerverletzt ins Spital gebracht wurden. Meist mit Schuss- oder Stichverletzung. Wichtige Voraussetzung: Die Patienten müssen durch die Verletzungen bereits mehr als die Hälfte ihres Blutes verloren haben, ihr Herz bereits zum Stillstand gekommen sein und deren Überlebenswahrscheinlichkeit auf unter fünf Prozent gesunken sein.

Forschung noch nicht beendet

Viele der Patienten überlebten, obwohl sie nach konventionellen Eingriffen tot wären. Die Forschungsreihe ist aber noch nicht beendet. Professor Tisherman wird die Resultate seiner Studienreihe 2020 veröffentlichen, wie er gegenüber «New Scientist» erklärt.

Ziel ist es, mit dieser Methode den Ärzten ein grösseres Zeitfenster für die Rettung der Patienten zu geben. Ist der Körper auf 10 Grad heruntergekühlt und das Blut durch die Salzlösung ersetzt, bleiben den Chirurgen zwei Stunden Zeit, die Verletzungen zu operieren.

Danach bekommt der Patient wieder sein Blut zurück und wird aufgewärmt – das Herz beginnt wieder zu schlagen. Eine längere Zeit ohne Sauerstoff würde wohl trotz der radikalen Körperkühlung zu schwerwiegenden Schäden führen, mutmassen die Mediziner. (SDA/spr)

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