Die Chronologie der Tragödie
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Gabby Petitos letzte Reise:Die Chronologie der Tragödie

Jung, schön, weiss, mysteriös
Darum bewegt das Schicksal von Gabby Petito (†22) die ganze Welt

Die US-Amerikanerin Gabby Petito (†22) hatte das Leben noch vor sich – starb jedoch gewaltsam auf einem Roadtrip mit ihrem Freund. Dieser verhält sich mehr als verdächtig. Der ungelöste Fall bewegt die Öffentlichkeit über die Landesgrenzen hinaus.
Publiziert: 23.09.2021 um 00:59 Uhr
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Aktualisiert: 23.09.2021 um 12:04 Uhr
Bei der in Wyoming gefundenen Leiche handelt es sich um Gabby Petito.
Foto: imago images/ZUMA Wire
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Roman Neumann

Es ist ein Fall, der weltweit für Anteilnahme, für Empörung und Wut sorgt: Die zierliche Gabby Petito (†22), eine junge Amerikanerin, geht auf einen Roadtrip mit ihrem Verlobten – und kehrt nicht mehr lebend heim. Ihre Leiche wird erst nach langer Suche gefunden, nach endlosen Tagen, an denen ihre Familie noch um sie bangt und hofft. Und ihr Freund, der 23-jährige Brian Laundrie, ist wortlos untergetaucht. Er macht sich mit seinem Verhalten höchst verdächtig.

Darum triggert uns der Fall Gabby Petito
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True-Crime-Podcaster Wenger:Darum triggert uns der Fall Gabby Petito

Über den Fall berichten Medien weltweit. Das FBI geht mittlerweile davon aus, dass Petito Opfer eines Tötungsdelikts ist, auch wenn der Autopsiebericht noch nicht vorliegt. Noch ist also unklar, wie genau sie ums Leben kam. Ebenso unklar ist die Rolle von Laundrie. Hat er seine Verlobte getötet? Warum ist er allein nach Hause gefahren? Warum kooperierte er nicht mit den Behörden? Warum ist er nun untergetaucht?

«Es ist wie die Schöne und das Biest»

Medienwissenschaftler Matthias Zehnder (54) sagt zu Blick: «Der Fall hat alle Zutaten, um den Leser maximal zu berühren: Es handelt sich um eine unschuldige junge weisse Frau, sie ist aktiv in den sozialen Medien – und ihr geschieht etwas Schlimmes. Das sind die Zutaten der Ur-Geschichten, die wir uns erzählen: Es ist wie die Schöne und das Biest.»

Die Bilder von Gabby Petito, wie sie nach einem Streit mit Laundrie schluchzend vor den Polizisten in Utah steht, verloren und aufgelöst, werden tausendfach geteilt. Er soll sie dort geschlagen haben, sagten Zeugen. Die Polizei trennt sie für eine Nacht. Danach reisen die beiden wieder zusammen weiter. Die Bilder des Polizeieinsatzes legen einen Schatten über die Bilder einer scheinbar heilen Welt, die Petito auf ihrem Kanal kurz vor ihrem Tod postet.

Leser können sich mit dem Opfer identifizieren

Danach fährt sie mit Laundrie in den Nationalpark, wo später ihre Leiche gefunden wird. In den sozialen Medien sind seither viele Hobby-Detektive unterwegs, die nach Hinweisen und Spuren suchen – unter anderem auch, weil sich der Vater von Petito an die Öffentlichkeit wendet, per Twitter um Hilfe sucht.

Wenn Protagonisten selbst die Öffentlichkeit suchen, befeuere dies ebenfalls die Aufmerksamkeit, sagt Kommunikationswissenschaftlerin Franziska Oehmer-Pedrazzi (38) von der Fachhochschule Graubünden. «Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch im Fall «Maddie» feststellen, in dem die Eltern des vermissten Mädchens unter Zuhilfenahme von PR-Fachleuten das Interesse der Medien über einen langen Zeitraum aufrechterhielten.»

Und Matthias Zehnder sagt: «Die Geschichte geht der Leserschaft auch deshalb so nah, weil man sich mit dem Opfer so gut identifizieren kann: Es könnte deine Tochter, deine Schwester, deine Freundin sein.» Petito war eine fröhliche junge Frau, teilte Bilder von ihrer Reise auf Instagram, interessierte sich für vegane Ernährung, für Yoga und Kunst, für das Leben im Van. «Hätte sie einen anderen kulturellen Hintergrund – eine andere Hautfarbe, eine andere Herkunft –, wäre es wohl anders», sagt Zehnder.

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«Perfekte Mischung, um weltweit für Aufsehen zu sorgen»

Der ungelöste Fall wird die Öffentlichkeit noch einige Zeit in Atem halten. Matthias Zehnder sagt, dass die Faszination des Falles auch durch den Krimiaspekt entstehe. «Der ‹Tatort› wird real.» Es seien Geschichten, deren Strukturen schon bekannt seien, also dass einem unschuldigen Opfer etwas Schlimmes geschehe. «Der Mordfall dieser jungen Frau ist ein Muster, das in diesen Geschichten immer wieder wiederholt wird. Und wir neigen dazu, in Mustern zu denken, die Welt nicht mit einem neutralen Auge zu betrachten.»

Auch True-Crime-Podcaster Alexander Wenger (35) glaubt zu wissen, was diesen Fall über die Landesgrenzen hinaus bekannt macht. Er sagt zu Blick TV: «Man hat ein Liebesdrama, man hat einen Mord, ein Rätsel, junge schöne Menschen – die perfekte Mischung, um weltweit für Aufsehen zu sorgen.»

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Mahnmal in Utah (USA):Grosse Anteilnahme nach Gabby Petitos (†22) Tod

«Wir können uns aus sicherer Entfernung empören»

Das wichtigste Puzzleteil in der Auflösung des Verbrechens um Gabby Petito werden die Aussagen ihres Freundes sein. Dieser könnte von einer Wildkamera in Baker, Florida, erwischt worden sein. Das berichtete der Mann, dessen Kamera die Bilder aufnahmen, auf Facebook.

Oehmer-Pedrazzi sagt: «Die Nutzenden von sozialen Medien können sich selbst auch auf die Spurensuche begeben. Sie halten Klickzahlen und Hashtags, die zum Fall kursieren, im Trend.» Auch deshalb wird die Faszination um den Fall Petito so schnell nicht vorbei sein.

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