Das ist Giorgia Meloni
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Erste Premierministerin:Das ist Italiens Giorgia Meloni

Radikale Rechte erringen Wahlsieg
Giorgia Meloni (45) wohl Italiens erste weibliche Regierungschefin

Italien erhält höchstwahrscheinlich seine erste Frau an der Spitze: Giorgia Meloni (45), Vorsitzende der neofaschistischen «Brüder Italiens». Als Chefin der stärksten Partei könnte Meloni Italiens künftige Regierung als erste Ministerpräsidentin anführen.
Publiziert: 25.09.2022 um 23:14 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2022 um 09:57 Uhr

Giorgia Meloni (45), Vorsitzende der Fratelli d'Italia (FdI), der «Brüder Italiens», ist voraussichtlich Italiens neue Regierungschefin. Erste Hochrechnungen haben den deutlichen Sieg des rechten Lagers um die rechtsradikalen Fratelli d'Italia bei der Parlamentswahl in Italien bestätigt. Melonis Partei erhielt nach Berechnungen des Senders Rai 24,6 Prozent der Stimmen für den Senat und verbesserte damit das Ergebnis von 2018 erheblich (4,3). Damit konnten die rechten Fratelli ihr Ergebnis in etwa versechsfachen. Am frühen Montagmorgen sprach die Wahlsiegerin in Rom von einer «Nacht des Stolzes» und einer «Nacht der Erlösung». Zu ihren Anhängern sagte sie, man sei nicht am Ort der Ankunft, sondern am Ort des Aufbruchs. «Italien hat uns gewählt», so Meloni.

In der Euphorie des Sieges kündigte die Fratelli-Parteichefin an, dass sie das Land einen und eine Ministerpräsidentin für alle sein wolle. Dann sagte sie: «Wir müssen wieder stolz sein, Italiener zu sein.» Melonis Allianz, der auch die rechtspopulistische Lega und die konservative Forza Italia angehören, dürfte auf fast die Hälfte der Sitze im Parlament kommen, wie Medien übereinstimmend auf Grundlage von Nachwahlbefragungen berichteten. Als Chefin der stärksten Partei ist so gut wie sicher, dass Meloni die künftige Regierung – die 68. in der Geschichte der Republik – als erste Ministerpräsidentin Italiens anführen wird.

«Wir stehen erst am Anfang»
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Rechtsrutsch in Italien:«Wir stehen erst am Anfang»

Zu Melonis ersten Gratulanten gehörte das Regierungsbüro des ungarischen Präsidenten Viktor Orban (59), der eine ähnliche politische Linie wie Meloni vertritt. «In diesen schwierigen Zeiten brauchen wir mehr denn je Freunde, die eine gemeinsame Vision und einen gemeinsamen Ansatz zur Bewältigung der Herausforderungen in Europa haben», schrieb Orbans politischer Direktor auf Twitter.

Von Anhängern nach ihrem Wahltriumph gefeiert: Giorgia Meloni, Italiens voraussichtlich erste weibliche Regierungschefin.
Foto: Corbis via Getty Images
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Historisch tiefe Wahlbeteiligung

Mehr als 50 Millionen Italienerinnen und Italiener waren am Sonntag zur Stimmabgabe aufgerufen. Es zeichnete sich eine historisch niedrige Wahlbeteiligung ab, die im Vergleich zu den letzten Wahlen 2018 um rund 9 Prozent auf eine Stimmbeteiligung von knapp 65 Prozent einbrach. Gewählt wurden Parteien und Kandidaten für beide Kammern des Parlaments, also das Abgeordnetenhaus und den kleineren Senat. Ein offizielles Ergebnis wurde erst im Laufe des Montags erwartet.

Der Rechtsblock war bereits als klarer Favorit in die Wahl gegangen und kam den ersten Hochrechnungen zufolge auf rund 49 Prozent der Stimmen. Durch eine Besonderheit im italienischen Wahlrecht dürfte dies dennoch für eine Mehrheit der Mandate reichen. Siegessicher veröffentlichte Meloni am Wahltag noch ein kurzes Video: Mit eindeutiger Pose hält sie zwei Melonen, sagt: «25. September, ich habe alles gesagt» – und zwinkert mit einem Auge.

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Die Links- und Zentrumsparteien machten im Wahlkampf nicht geschlossen Front gegen die Rechten. Das Wahlbündnis der Sozialdemokraten mit linken Parteien und Grünen kam den Prognosen zufolge auf 25,5 bis 29,5 Prozent. Die Fünf-Sterne-Bewegung landete bei 13,5 bis 17,5 Prozent der Stimmen. Die Zentrumsallianz lag abgeschlagen bei 6,5 bis 8,5 Prozent. «Das ist ein trauriger Tag für unser Land», sagte Debora Serracchiani (51), die Fraktionschefin der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus Ihre Partei habe nun eine «grosse Verantwortung, und der müssen wir im Parlament gerecht werden».

Konflikte mit Brüssel vorprogrammiert


Die Fratelli d'Italia waren die einzige nennenswerte Opposition der Vielparteienregierung unter Führung des international höchst anerkannten Ministerpräsidenten Mario Draghi (75). Dem Bündnis um die von Meloni seit 2014 angeführte FdI gehören auch die rechtsnationale Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini (49) und der Forza Italia des langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi (85) an.

Melonis Koalitionspartner rutschten in der Wählergunst zwar deutlich ab: Die rechtspopulistische Lega kam den Hochrechnungen zufolge auf 8,5 Prozent (2018: 17,6), die konservative Forza Italia auf 8,0 Prozent (2018: 14,4). Dies dürfte noch immer reichen, dass es in Rom wohl erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder eine rechtsnationale Regierung geben wird.

Die bisher veröffentlichten Daten deuten übereinstimmend darauf hin, dass die Allianz sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus eine absolute Mehrheit der Sitze erreicht. Die Stimmen für den Senat wurden zuerst ausgezählt, weswegen dafür zuerst Hochrechnungen vorlagen. Der Senat ist mit 200 Sitzen die kleinere der beiden Kammern. Das Abgeordnetenhaus hat 400 Mitglieder.

Regierungsbildung wird dauern

Melonis FdI vertritt nationalistische, EU-kritische und teils rassistische Positionen. Im Logo führen die 2012 gegründeten Fratelli d'Italia eine Flamme, die an den faschistischen Diktator Benito Mussolini erinnert und die ein Symbol der Rechten ist. In Europa hatten viele mit Sorge auf einen möglichen Sieg der Rechten geschaut.

Seit der Parlamentswahl im März 2018 gab es drei Regierungen in Italien. Planmässig sollte erst Anfang 2023 ein neues Parlament gewählt werden. Der frühere EZB-Chef Draghi war Anfang 2021 an die Spitze der Regierung berufen worden. Die Fünf-Sterne-Bewegung entzog Draghi im Juli bei einem Gesetzesvorhaben das Vertrauen, woraufhin er zurücktrat. Draghi bleibt aber geschäftsführend im Amt, bis eine neue Regierung vereidigt ist – das kann etliche Wochen dauern. (kes/SDA)

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