Italienische Spitäler sind am Anschlag
Mailand plant Notklinik nach Wuhan-Vorbild

Norditaliens Spitäler können die wachsende Zahl der Patienten nicht mehr bewältigen. Zwei Hallen in der Mailänder Messe werden mit 30'000 Quadratmetern zu einer gigantischen Intensivstation.
Publiziert: 11.03.2020 um 23:08 Uhr
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Aktualisiert: 12.03.2020 um 11:41 Uhr
Myrte Müller

Provisorische Krankenbetten in Grosshallen. Ansammlung von abgestellten Leichenbahren. Millionen Menschen unter Hausarrest. Diese Bilder aus Wuhan schockten, schienen fern. Sehr bald aber wird es sie auch aus Mailand geben. Sie sind die Symptome der gefährlichsten Nebenwirkung des Coronavirus, des kollabierenden Gesundheitssystems.

«Wenn wir auf 1200 schwere Corona-Fälle kommen, dann bricht alles zusammen», mahnt der lombardische Gesundheitsminister Giulio Gallera (50). In nur zehn Tagen stieg die Zahl der Intensivbehandelten um 700 Prozent. Das Limit könnte bereits in einigen Tagen erreicht sein. Geht es so weiter, rechnet die Region bis zum 26. März mit 18'000 Kranken – bis zu 3000 davon bräuchten eine Intensivbehandlung.

Bis zu 800 Patienten sollen in Messehallen behandelt werden

Not macht erfinderisch. Da die Lebensmittelmesse «Consumo critico» wegen des Coronavirus abgesagt wurde, stehen die Messehallen der «Fiera Milano City» leer. Die Region will nun zwei Hallen mit 30'000 Quadratmetern in eine gigantische Intensivstation verwandeln. Bis zu 800 Patienten sollen hier künstlich beatmet werden. Dafür braucht es aber noch zusätzliche Ärzte und Krankenschwestern.

Dieses Bild rührte ganz Italien. Es zeigt die erschöpfte Krankenschwester Elena Pagliarini (40) im Spital von Cremona (I).
Foto: Twitter
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Der Alltag in den Spitälern ist desaströs, besonders in Cremona, Lodi und Bergamo. Gänge, Warteräume, OP-Säle werden in improvisierte Intensivstationen umfunktioniert. Vor der Notaufnahme werden Corona-Patienten schon in Zelten untergebracht.

Es fehlen Beatmungsgeräte. Nicht jeder kann versorgt werden. Junge haben den Vorzug. Jeder fünfte Schwererkrankte ist zwischen 19 und 50 Jahre alt. Wer über 60 Jahre alt ist, erhält kaum noch eine Intensivtherapie. Der Bürgermeister von Bergamo, Giorgio Gori (59), twittert verbittert: «Wer nicht behandelt werden kann, den lässt man sterben.»

Auch die Toten müssen warten

In den Leichenhallen der Spitäler häufen sich die Bahren. Es fehlt an Personal, um die Toten für den Abtransport in Krematorien und Friedhöfe herzurichten. Hinzu kommt: Beerdigungen sind im Zuge der landesweiten Quarantäne untersagt.

Rund 2000 medizinische Fachkräfte haben sich mit dem Virus angesteckt. Die, die arbeiten, geraten an ihre physischen und psychischen Grenzen. Das Foto von einer erschöpften Krankenschwester in Cremona rührt ganz Italien. Es zeigt Elena Pagliarini (40) schlafend über dem Computer mit Mundschutz nach einer Zehn-Stunden-Schicht ohne Pause.

In einem Brief an die Regierung fleht Attilio Fontana (46), der Präsident der Lombardei: «Lasst uns alle Geschäfte schliessen, bis auf Lebensmittelläden, Apotheken und Kioske.» Nur so könne man die Ausbreitung des Virus eindämmen. Die Zeit dränge. «Allein heute hatten wir 1500 neue Corona-Fälle.»

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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