Proteste legen italienische Städte lahm
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Zertifikat am Arbeitsplatz:Proteste legen italienische Städte lahm

Ohne Zertifikat kein Job!
Italien hat jetzt das härteste Corona-Regime Europas

In Italien gilt seit heute: Wer kein Zertifikat vorweisen kann, darf nicht mehr zur Arbeit gehen. Damit hat unser Nachbarland wohl die strengste Zertifikatspflicht Europas.
Publiziert: 15.10.2021 um 17:15 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2021 um 17:57 Uhr

Corona-Hammer in Italien. Härter ist aktuell niemand in Europa. Seit Freitag gilt: Wer nicht geimpft, genesen oder getestet ist, wird vom Arbeitgeber direkt wieder nach Hause geschickt. Und muss dann auch einen Lohnausfall in Kauf nehmen.

Zwar haben Impfgegner noch immer die Möglichkeit, sich testen zu lassen, um an den Green Pass zu kommen, wie das Zertifikat in Italien heisst. Dazu benötigen sie aber regelmässig einen aktuellen Test. Und der kostet jedes Mal 15 Euro – gerade bei niedrigen Löhnen viel Geld, um in die Fabrik oder das Büro eingelassen zu werden. Obwohl etwa 85 Prozent der Erwachsenen in Italien mindestens eine Dosis bekommen haben: Etwa drei Millionen Arbeitnehmer sind ungeimpft. Der Zertifikats-Hammer sorgt darum für heftige Proteste.

Hafenarbeiter blockieren aus Protest Zufahrten

«Wenn wir diesen Green Pass nicht zu Fall bringen, dieses Dekret, das unserer Meinung nach kriminell ist, müssen wir den Hafen blockieren», klagte zum Beispiel der Sprecher der streikenden Hafenarbeiter von Triest im Norden des Landes. Von den fast 1000 Arbeitern seien 40 Prozent ohne Impfung.

In Triest demonstrierten Hafenarbeiter am Freitag gegen die Zertifikatspflicht am Arbeitsplatz.
Foto: imago images/ZUMA Press
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Protestiert wurde auch in Genua, wo rund 300 Arbeiter den Zugang zum Hafen blockiert und so für Verspätungen gesorgt haben.

Leere Regale in den Supermärkten befürchtet

Schon am Wochenende kam es in der Hauptstadt Rom zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Mehrere Hundert Krawallmacher versuchten laut Medienberichten, zum Chigi-Palast zu gelangen, dem Amtssitz von Ministerpräsident Mario Draghi. Auf Videos ist zu sehen, wie Demonstranten mit Stöcken auf die Carabinieri losgehen.

Befürchtet wird auch, dass die erweiterte Zertifikatspflicht für leere Regale in den Supermärkten sorgen könnte. Denn gerade bei LKW-Fahrern aus dem Ausland ist die Impfquote teilweise tief. «Ich habe den ‹Grünen Pass›, aber meine Kollegen, die aus dem Ausland kommen, wo es diese Pflicht nicht gibt, wie sollen die das hier in Italien machen?», sagt ein LKW-Fahrer zur ARD.

Dazu kommt: Viele osteuropäische Fahrer wurden mit dem russischen Impfstoff geimpft, und der ist in Europa bislang nicht anerkannt.

Mit strenger Hand zurück in die Freiheit?

Ein weiteres Problem sind die Testkapazitäten. Wenn sich die drei Millionen ungeimpften Arbeitnehmer testen lassen, sprengt das die Möglichkeiten der Labors.

Trotz allen Bedenken: Umfragen zeigen, dass zwei von drei Italienern mit der erweiterten Zertifikatspflicht einverstanden sind. Und auch Regierungschef Mario Draghi (74) macht nicht den Eindruck, unter den Protesten einzuknicken. «Bestimmte Dinge müssen getan werden, auch wenn sie unpopulär sind», sagte er kürzlich.

Sein Kalkül ist klar: Ein Anheben der Impfquote um ein paar Prozentpunkte soll reichen, um die Pandemie in Italien einzudämmen. Um Italien einen grossen Schritt Richtung Normalität zu bringen. (sac)

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