Geplante Annexion des Jordantals
Internationale Kritik an Benjamin Netanjahu

Israels rechtsorientierter Ministerpräsident Netanjahu kämpft um seine Wiederwahl in der kommenden Woche. Nun spricht er erneut von der Einverleibung von Palästinensergebieten - und erntet harsche Kritik.
Publiziert: 13.09.2019 um 05:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2019 um 15:21 Uhr

Eine Woche vor der Parlamentswahl am 17. September in Israel hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit der angekündigten Annexion des Jordantals international harsche Kritik ausgelöst. Der Regierungschef hatte erklärt, im Falle seines Wahlsiegs am 17. September werde Israel umgehend seine Souveränität auf das Gebiet im besetzten Westjordanland ausdehnen.

Westjordanland ist umstrittenes Gebiet

Unter anderem kritisierten die EU, Jordanien und Saudi-Arabien die Ankündigung am Mittwoch und warnten vor einer Eskalation der Lage im Nahen Osten.

Die Palästinenser beanspruchen das Westjordanland als Teil eines künftigen eigenen Staates. Mit einer Annexion von Gebieten dort würde dieses Ziel noch unwahrscheinlicher. Die USA wollen in Kürze einen Friedensplan zur Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern präsentieren.

Das Jordantal verläuft entlang der Grenze zu Jordanien. Dort leben nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem rund 60'000 Palästinenser und etwa 5000 israelische Siedler.

Will im Falle seiner Wiederwahl das Jordantal im Westjordanland annektieren lassen: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
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Netanjahu untergräbt mit Annexionsplänen das Vökerrecht

Die EU verurteilte die Ankündigung Netanjahus. Wie bei zahlreichen Ministerräten bekräftigt worden sei, werde die Europäische Union keine Änderungen der vor 1967 bestehenden Grenzen anerkennen, die nicht zwischen beiden Seiten vereinbart worden seien, sagte ein Sprecher der EU-Aussenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel.

Die israelische Siedlungspolitik und -tätigkeit sei nach dem Völkerrecht illegal und untergrabe die Bemühungen um eine Zwei-Staaten-Lösung und die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden.

Es droht eine Eskalation

Das Königshaus von Saudi-Arabien teilte mit, eine solche Massnahme sei rundherum null und nichtig und eine gefährliche Eskalation gegenüber dem palästinensischen Volk, wie die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA meldete.

Der jordanische Aussenminister Aiman Safadi erklärte über Twitter, es handle sich bei Netanjahus Ankündigung um einen gefährlichen Schritt, der alle Friedensbemühungen untergrabe. «Er wird zu mehr Gewalt und Konflikt führen», schrieb er.

Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu schrieb auf Twitter, Netanjahu verbreite vor der Wahl weiter «illegale, rechtswidrige und aggressive» Botschaften. Die Rechte ihrer «palästinensischen Geschwister» werde die Türkei «bis zum Ende verteidigen».

Auch Hamas reagieren

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erklärte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Wafa, mit der Annexion von Teilen der besetzten Palästinensergebiete würden alle Vereinbarungen mit Israel enden.

Die radikal-islamische Hamas, die in dem von Israel besetzten und abgeriegelten Gazastreifen herrscht, verurteilte die Ankündigung ebenfalls.

Deutschland mahnt zur Vernunft

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert appellierte an die israelische Regierung, auf Massnahmen zu verzichten, die eine Einigung mit den Palästinensern auf der Basis einer Zwei-Staaten-Lösung behindern könnten. Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Maria Adebahr, sagte, eine solche Annexion wäre «ein klarer Verstoss gegen das Völkerrecht». Sie verurteilte gleichzeitig die jüngsten Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf Ziele in Israel.

Netanjahu hat schon länger Annexionspläne

Schon vor der Parlamentswahl im April hatte Netanjahu die Einverleibung israelischer Siedlungen im Westjordanland angekündigt. Vor gut einer Woche wiederholte er diese Ankündigung. Ähnliche Ansagen in der Vergangenheit hatte er allerdings nie umgesetzt. Der Ministerpräsident hatte sich in der Vergangenheit noch für die Einrichtung eines entmilitarisierten Palästinenserstaates ausgesprochen.

USA soll Plan unterstützen

Netanjahu hatte am Dienstag betont, der angekündigte US-Friedensplan «ist eine historische Gelegenheit, israelische Souveränität auf Siedlungen in Judäa und Samaria (Westjordanland) auszudehnen». Er werde damit allerdings bis zur Präsentation des Friedensplans warten, der nach der Wahl vorgestellt werden soll. Im Jordantal könne er jedoch direkt aktiv werden, sagte Netanjahu.

Nach Medienberichten fand seine Ankündigung in Absprache mit den USA statt. Netanjahu selbst sprach lediglich von monatelangen diplomatischen Bemühungen und dem Wunsch, einen solchen Schritt in «grösster Abstimmung» mit den USA zu machen.

Was ist eigentlich das Jordantal?

Das Jordantal macht nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem rund 30 Prozent des Westjordanlandes aus. 90 Prozent des Jordantales stehen demnach entsprechend der Osloer Friedensverträge unter israelischer Verwaltung.

In den Siedlungen im besetzten Westjordanland und in dem von Israel annektierten Ost-Jerusalem leben mehr als 600'000 Israelis - neben drei Millionen Palästinensern. Die Uno betrachtet die israelischen Siedlungen in besetztem Gebiet gemäss der Vierten Genfer Konvention als illegal.

Wahl in Israel

Bei der Wahl am 17. September zeichnet sich ein knappes Rennen zwischen Netanjahus rechtskonservativem Likud und dem oppositionellen Bündnis der Mitte, Blau-Weiss von Ex-Militärchef Benny Gantz, ab. (SDA)

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